Handballer Mikkel Hansen:Er legt das Stirnband ab

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Im Sommer ist Schluss: Mikkel Hansen im Trikot der dänischen Nationalmannschaft. (Foto: Attila Kisbenedek/AFP)

Der große dänische Handballer Mikkel Hansen beendet im Sommer seine Karriere. Mit der eigenen Popularität kam er nie gut zurecht - deshalb ist der Schritt auch eine Erleichterung.

Von Carsten Scheele

Aktuell ist Mikkel Hansen verletzt, eine Leistengeschichte, er kann nicht spielen, seit Wochen schon. Aber die Olympischen Sommerspiele in Paris im August, die sind sein ganz großes Ziel. Der dänische Handballheld hat lange in der Stadt gelebt und Tore geworfen; auch deshalb sagte er am Mittwoch in der dänischen Stadt Aalborg, nach dem Turnier in Paris wäre "ein guter Zeitpunkt, meine Schuhe zur Seite zu legen". Man tritt Hansen, 37, nicht zu nahe, wenn man seiner offiziellen Rücktrittsankündigung heimlich das Wörtchen "endlich" hinzufügt. Denn der Eindruck, dass sich der Däne mit den Auswüchsen des Geschäfts und seiner eigenen Popularität immer schwerer tat, hält sich seit einiger Zeit.

Zuletzt war der dreimalige Welthandballer ständig krank oder verletzt, erst eine Knie-Operation 2022 mit anschließender Lungenembolie, als er noch bei Paris Saint-Germain spielte; dann wurde er nach seiner Rückkehr nach Dänemark wochenlang wegen Stresssymptomen krankgeschrieben. Im Vergleich zu seinen Kollegen wirkte er stets introvertiert, mit den Medien sprach er nicht besonders gern und wenn, dann so leise, dass im Hintergrund niemand mit einem Rollkoffer vorbeilaufen durfte, sonst wäre Hansen nicht mehr zu verstehen gewesen.

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Wer ist dieser Renars Uscins, der im Handball-Nationalteam plötzlich so viele Tore wirft? Der 21-Jährige trägt sehr früh viel Verantwortung - und beweist, dass man im Rückraum gar kein Brecher sein muss.

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Diese introvertierte Rolle passt nicht zu dem, was Hansen für den Handballsport insgesamt darstellt: Er gehört zu den Größten, steht auf einer Stufe mit dem Franzosen Nikola Karabatic. 2011, 2015 und zuletzt 2018 wurde Hansen zum Welthandballer gewählt, er war dreimal Weltmeister, einmal Europameister, einmal Olympiasieger. Es gab Jahre, in denen bestand das dänische Spiel vorwiegend darin, den Mann mit den langen Haaren, die je nach Stimmungslage ein weißes oder rotes Stirnband bändigte, in Wurfposition zu bringen. Bekam die Wurfmaschine Hansen den Ball zu greifen, hatten die Gegner schon verloren.

Der Vorwurf, Hansen sei sich seiner Sonderrolle allzu bewusst, begleitete ihn Zeit seiner Karriere

Bei allen drei großen Turnieren (Olympia, WM, EM) wird er mittlerweile als Rekordtorschütze verzeichnet. Auch in der Champions League, die er als einzigen großen Wettbewerb nicht gewann, steht er bei mehr als 1000 Treffern. Der Vorwurf, er sei sich seiner Sonderrolle nur allzu bewusst, begleitete ihn Zeit seiner Karriere. "Ich kann keine Energie darauf verschwenden, herumzulaufen und andere Menschen davon zu überzeugen, dass ich nicht arrogant bin", lautete ein Satz von ihm, doch das ist länger her. Sein Karriereende hatte Hansen schon 2022 eingeläutet, als er von Paris zurück nach Dänemark ging, sein Vertrag bei Aalborg Handbold lief ursprünglich bis 2025.

Doch jetzt ist ein Jahr früher Schluss, auf einer Pressekonferenz am Mittwoch sagte Hansen, er habe fast 20 Jahre lang "das Privileg gehabt, das schönste Hobby der Welt zu meinem Beruf zu machen". Er sei nun bereit, "einen Schlussstrich zu ziehen". Er sei an einem Punkt angelangt, an dem seine Familie "oberste Priorität" genießen müsse. Hansen ist verheiratet und Vater zweier Kinder.

Hansen hatte sich in seiner Rolle im Nationalteam zuletzt bereits zurückgestuft. Er riss, wenn er fit war, nicht mehr alles an sich, gab den Platz im grellsten Rampenlicht an andere ab, an Mathias Gidsel etwa, der wie Hansen zum Welthandballer gewählt wurde. Für Hansen wirkte schon diese Verschiebung der Prioritäten wie eine Erleichterung. Es wurde nicht mehr erwartet, dass er den Medien nach jedem Spiel Rede und Antwort steht. In seiner Zeit in Paris fühlte er sich auch deshalb so wohl, weil er in der Millionenmetropole auf der Straße nur selten erkannt wurde. In Dänemark oder auch in der deutschen Bundesliga wäre das ganz anders gewesen.

Aber Hansen war noch da, wenn er gebraucht wurde. Im EM-Halbfinale 2024, als die Dänen in Köln gegen das deutsche Team erkennbar wankten und sogar mit einem Rückstand in die Pause gingen, schritt Hansen voran. Fünf Tore, allein drei wichtige Siebenmeter Mitte der zweiten Halbzeit, gingen auf sein Konto. Die Dänen gewannen mit drei Toren. Er würde sich nur allzu gern mit dem Olympiasieg verabschieden, und mit dem ersehnten Champions-League-Titel, falls es Aalborg ins Final-Four nach Köln schafft. Dazu muss er aber erst mal fit werden.

Die Kräfteverhältnisse im Handball verschieben sich damit weiter, denn Hansen ist Teil einer prominent besetzten Reihe an Spielern, die sich im Sommer verabschieden. Auch Karabatic hat genug mit seinen mittlerweile 39 Jahren, der Schweizer Andy Schmid, 40, hat bereits aufgehört. Hinzu kommen der französische Torwart Vincent Gérard, 37, und aus deutscher Sicht der langjährige Nationalmannschaftskapitän Uwe Gensheimer, 37. Der Welthandball muss sich neuen Heldenfiguren zuwenden. Zum Glück gibt es einige Kandidaten.

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