Handball-EM:Entsetzliche zehn Minuten

Lesezeit: 2 min

  • Die deutschen Handballer verlieren das entscheidende Spiel bei der Handball-EM und verpassen das Halbfinale.
  • Beim 27:31 gegen Spanien werden die Defizite, die die Mannschaft das Turnier über begleitet haben, erneut offensichtlich.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Handball-EM.

Von Ralf Tögel, Varazdin

Unmittelbar nach Spielende war die Ticketbörse eröffnet. Deutsche Handball-Fans versuchten in den sozialen Medien ihre Karten für den Halbfinaltag in der Zagreb-Arena abzusetzen, manche für den halben Preis. Denn das Aus der deutschen Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Kroatien mit dem 27:31 gegen Spanien kam trotz der mauen Vorstellungen während der Vorrunde wie ein Donnerschlag.

Ein Sieg im entscheidenden Hauptrunden-Spiel hätte tatsächlich für den Halbfinaleinzug genügt - es blieb beim Wunsch. Nach einer ansprechenden Leistung in der ersten Halbzeit und einem knappen deutschen Rückstand zur Pause (13:14), genügten den Spaniern zehn starke Minuten, um von 15:15 auf 23:15 davonzuziehen. Das Spiel war damit entschieden.

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:Alles gewagt, alles verloren

Die deutschen Handballer verspielen gegen Spanien die letzte Chance auf das Halbfinale der EM. Nach einer starken ersten Halbzeit gibt es einen unerklärlichen Totalausfall.

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Zum einen, weil es gegen einen abgezockten Gegner wie Spanien ohnehin schwer ist, in 16 Minuten acht Tore aufzuholen. Zum anderen, weil diese deutsche Mannschaft dafür schlichtweg nicht die Klasse hatte. Zwei Tore betrug der Rückstand, als die DHB-Auswahl eine unwirkliche Fehlerkette in Gang setzte, die sie aller Chancen beraubte. "Unser Nervenkostüm war nicht stabil", klagte Bundestrainer Christan Prokop später.

Die deutsche Mannschaft bricht auseinander

Fehlpässe, technische Fehler, leichte Ballverluste - es hatte den Anschein, als bewerbe sich jeder einzelne Spieler für die Liste der haarsträubenden Missgeschicke. Als Prokop beim 15:19 in der Not den siebten Feldspieler Steffen Fäth aufs Feld schickte, der aber den Ball zweimal in Serie einem Spanier in die Hände spielte, landete der umgehend im leeren deutschen Tor.

Es wäre nun ungerecht, einem einzelnen Akteur die Schuld zuzuschieben, denn in dieser Phase brach die Mannschaft in ihrer Gesamtheit auseinander. Der Angriff schaffte fast zehn Minuten lang kein einziges Tor, in der Abwehr verzichteten die Spieler plötzlich darauf, einander zu unterstützen. Spanien nutzte den kollektiven Aussetzer im deutschen Team zur Entscheidung.

Beim entthronten Europameister herrschte eine Art Schockzustand, lähmendes Entsetzen bei den deutschen Spielern, keiner hatte eine Erklärung für diese entsetzlichen zehn Minuten. Man habe "wie eine Schülermannschaft" gewirkt, sagte Torhüter Andreas Wolff. Einen Grund dafür fand er nicht. Wie auch, es waren nahezu dieselben Spieler, die vor zwei Jahren mit großer Klasse und Unbekümmertheit zum Titelgewinn gestürmt waren.

Vor dem Turnier hatte Wolff, der gegen Spanien als einziger erneut eine klasse Leistung zeigte, diesen Kader gar als stärker eingeschätzt. Jetzt gestand er ein: "Ich bin absolut schockiert. Wir haben uns teilweise aufgegeben und insgesamt eine enttäuschende EM gespielt." Trainer Prokop klang ähnlich, als er meinte, man habe "das Ziel verfehlt". DHB-Vizepräsident Bob Hanning, der vor der Partie sogar einen Sieg versprochen hatte, kündigte im Fernsehen an: "Es gibt keine Trainerdiskussion. Aber alles gehört auf den Prüfstand."

Hanning selbst wird sich unangenehmen Fragen stellen müssen, genau wie der junge Trainer. Prokop, 39, sprach von "wichtigen Erfahrungen", die er bei der EM gesammelt habe - und die man seiner zukünftigen Arbeit anmerken werde. Da klang schon ein wenig Selbstkritik an. Der erste Stresstest mit dem neuen Trainer, sein erstes Turnier jedenfalls endet enttäuschend. Dabei hat Prokop offensichtliche Fehler gemacht: Ohne Not hat er zunächst Abwehrchef Finn Lemke ausgemustert, dann aber schnell nachnominiert. Das hat unnötige Unruhe in die Mannschaft gebracht und eine Debatte über atmosphärische Störungen zwischen Trainer und Spielern losgetreten, die nicht mehr einzufangen war.

Das als alleinige Ursache für das schlechte Abschneiden in den Vordergrund zu rücken, wäre aber zu einfach. Trainer und Mannschaft müssen sich in so einem Spannungsfeld wie einer EM aneinander gewöhnen, auch aneinander reiben. Auch die Last der Erwartungen an den Titelträger taugte nicht als Erklärung dafür, dass gestandene Nationalspieler derart verunsichert auftreten. Prokop und Hanning müssen das beantworten, und viel wichtiger: Lösungen aufzeigen, Perspektiven anbieten. Viel Zeit bleibt nicht, 2019 ist Weltmeisterschaft im eigenen Land.

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