Handball-EM:Deutschland zittert sich in die Hauptrunde

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Deutschland qualifiziert sich mit einem dramatischen 30:29 gegen Schweden für die nächste Runde. Doch die Ausgangsposition ist ungünstig.

Ch. Zaschke, Innsbruck

Mit Ertönen der Schlusssirene rannten alle deutschen Spieler zu einem Punkt in der Mitte des Spielfeldes, als hätten sie sich dort verabredet, sie bildeten einen Kreis und hüpften, fanatisch beinahe, als wollten sie einen Südsee-Götzen beschwören. Einige schrieen ihre Freude in die mit 8200 Zuschauern vollbesetzte Innsbrucker Olympiahalle, die nun für eine weitere Woche Heimstatt der deutschen Handball-Nationalmannschaft bleiben wird. Mit dem 30:29 (21:18) gegen Schweden hat sich das Team für die am Sonntag beginnende Hauptrunde der EM qualifiziert.

Holger Glandorf (rechts) fand gegen die Schweden endlich ins Turnier. (Foto: Foto: ap)

Sie beginnt dort mit 1:3 Punkten, da die Ergebnisse gegen Polen (25:27) und gegen Slowenien (34:34) mitgenommen werden, aber sie beginnt nicht aussichtslos. Wohl auch deshalb war die Freude der Spieler so groß, als hätten sie bereits das Halbfinale erreicht. Christoph Theuerkauf lief vor die Tribüne mit den meisten deutschen Fans und klopfte sich auf der Brust herum wie ein gewisser Film-Affe auf einem gewissen Hochhaus in New York, was mit Trötenstößen und Trommeldonner quittiert wurde. Insgesamt herrschte eine Freude bei den Fans, wie sie vielleicht nur große Unsicherheit gebiert. Denn dass es klappen würde gegen die Schweden, war am Ende mal wieder äußerst ungewiss gewesen.

Es ist sicherlich die unberechenbarste deutsche Mannschaft, mit der Heiner Brand als Bundestrainer jemals ein großes Turnier bestritten hat. Was sie immer kann, ist mit Einsatz und Leidenschaft agieren, was sie nicht immer kann, ist, vereinfacht gesagt: Handball spielen. In der zweiten Halbzeit gegen die Schweden gelang dem Team mehr als zehn Minuten lang kein Treffer, dass es überhaupt im Spiel blieb, verdankte es der guten Abwehrarbeit. Diese Phase war nicht so schlimm wie die erste Hälfte der Partie gegen Slowenien, als tatsächlich gar nichts zusammenging, aber sie war bedenklich. Dabei hatte die Mannschaft in der ersten Halbzeit gegen Schweden gezeigt, was in ihr steckt.

Von Beginn an zeigten die Deutschen dynamischen und variablen Handball; genau den hatten sie zuvor oft vermissen lassen, als sie ausschließlich aus dem Rückraum zum Erfolg kommen wollten. Nun aber banden sie den Kreisläufer Christoph Theuerkauf ins Spiel ein, gleich in den ersten beiden Aktionen der Partie holte Theuerkauf je einen Siebenmeter heraus. Torsten Jansen verwandelte sicher, so dass von Beginn an Leben in der Begegnung war. Dass das Spiel über den Kreis endlich funktionierte, war von entscheidender Bedeutung.

Die Schweden mussten die Abwehr enger am Kreis halten, was bedeutete, dass die Rückraumwerfer mehr Platz hatten. Michael Kraus nutzte diesen Platz, und auch Holger Glandorf fand nun ins Turnier. In den vorherigen Spielen war ihm nichts gelungen, nun traf er mit einer Sicherheit aus der Distanz, als sei zuvor sein Arm einfach nicht richtig justiert gewesen. Kraus und Glandorf waren die Sorgenkinder des Kaders gewesen, die Erwartungen an sie waren besonders hoch, und bis zum Freitag hatten sie diese enttäuscht. Nun waren sie voll da, in dem Spiel, in dem um alles ging - Glandorf wurde am Ende gar zum besten deutschen Spieler gewählt.

Ganz geduldig erspielten sich die Deutschen einen Vorsprung, und wenn sie eines vorher nicht gewesen waren bei dieser EM, dann: geduldig. Mit 21:18 ging das Team in die Halbzeit, der Angriff lief prima. Dass die Abwehr und die Torhüter nicht gut zusammenarbeiteten, spielte zu diesem Zeitpunkt eine untergeordnete Rolle, wichtig war allein, dass es in der Offensive lief und die Auswahl wieder einen Rhythmus gefunden hatte - denn bei aller Härte ist Handball zuerst ein dynamisches, ein beinahe musikalisches Spiel (wenn es auch eher Hardrock abbildet als Walzer).

In der zweiten Halbzeit wurde die Begegnung zäh, sie verlor ihren munteren Rhythmus, jedem Tor der Deutschen ging nun harte Arbeit voraus, und Schwedens Torwart Mattias Andersson verwandelte sich vorübergehend in eine dichte Wand. Jeder Ball prallte von seinem rot gewandeten Körper ab, die Deutschen waren der Verzweiflung nahe. In dieser Phase war es wieder die Kampfkraft, die sie zurückbrachte auf den richtigen Weg; den Weg zum knappen Sieg, den Weg in die Hauptrunde, in der diese unberechenbare Mannschaft vor allem eines lernen kann: Konstanz.

© SZ vom 23.01.2010/aum/rk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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