Handball-Bundesliga:Duo der Gegensätze

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Beim erfolgreichen Erlanger Saisonauftakt trumpft Nikolas Katsigiannis auf - und draußen hilft der frühere Nationalkeeper Lichtlein.

Von Sebastian Leisgang

Die Hände eines Torwarts sind nicht irgendwelche Hände, man erkennt das auf Anhieb. Die Hände eines Torwarts sind nicht zu vergleichen mit den Händen einer Supermarktkassiererin oder einer Kellnerin, sie sind stets gezeichnet, manchmal sogar regelrecht malträtiert. An den Händen eines Torwarts lässt sich ablesen, wie viele Schlachten er schon geschlagen hat, das ist besonders gut bei Nikolas Katsigiannis auszumachen, dem Torwart des HC Erlangen, den sie alle Katze nennen.

Katsigiannis, 36, fährt sich einmal durch die vor Schweiß triefende Mähne und spricht dann über das 29:24 (14:11) gegen den TVB Stuttgart. Seine Pranken sind ziemlich versehrt, an seiner rechten Hand stecken drei Finger in einem Tape, an seiner linken ist der kleine Finger verbunden. Der erste Sieg im ersten Spiel der neuen Saison, er war ein hartes Stück Arbeit, und Katsigiannis hatte einen großen Anteil dazu beigetragen, dass der Auftakt ein erfolgreicher Auftakt wurde.

Torhüter sind eine eigene Spezies, sie tragen ein andersfarbiges Hemd als all die anderen, beim Handball sind sie die Einzigen, die den Kreis betreten dürfen, und weil sie stets die Letzten ihrer Mannschaft sind, kommt ihnen eine besondere Verantwortung zu. Ein guter Torhüter muss nervenstark sein, er muss auch im Eifer des Gefechts die Ruhe bewahren. Wenn es also stimmt, dass ein guter Torhüter stets ein Stoiker ist, dann ist Katsigiannis ein Paradebeispiel für diese These. Während des Spiels gegen Stuttgart hatte er ja sogar noch Zeit gefunden, den Hallenboden zu wischen - obwohl sie natürlich auch in Erlangen ein paar Leute engagiert haben, die sich dieser Aufgabe annehmen, wenn ein Spieler gestürzt ist und Schweißflecken auf dem Grund hinterlassen hat.

So ruhig und klar Katsigiannis auf dem Feld war, so ruhig und klar war er auch danach im Gespräch. Also: Wie ist es zu erklären, dass die Mannschaft zu Beginn der zweiten Hälfte in Windeseile einen Vorsprung von vier Toren aus der Hand gegeben hat? "Das ist der Klassiker", sagte Katsigiannis, "man sitzt in der Kabine und sagt: Jetzt nicht vom Gas gehen - und dann guckt man in der zweiten Halbzeit nach zehn Minuten auf die Uhr, und es steht unentschieden."

Dass sich Erlangen überhaupt einen Vorsprung von vier Toren erarbeitet hatte, lag in erster Linie an Katsigiannis. Zu Beginn des Spiels hatte Adalsteinn Eyjolfsson noch dem aus Gummersbach gekommenen Carsten Lichtlein vertraut, einem groß gewachsenen Mann, von dem sich Erlangens Trainer versprochen hatte, Stuttgarts Würfe aus dem Rückraum zu entschärfen. Aber: "Es wurde eher ein Spiel für Katze, der in Nahzonen und im Eins-gegen-eins sehr stark ist", sagte Eyjolfsson nach der Partie und klopfte sich selbst dafür auf die Schultern, dass er die Verantwortung schon bald in Katsigiannis' Hände gelegt hatte. "Es hat sofort funktioniert", meinte Eyjolfsson, denn Katsigiannis kam, sah und parierte einen Siebenmeter. Dann fand Erlangen immer besser ins Spiel und gewann schließlich souverän.

Lichtlein, 38, verfolgte die Partie nach der Anfangsphase von der Bank aus und zeigte, dass er auch in der Rolle des Reservisten einen Wert für die Mannschaft haben kann. Er trieb an, sprang immer wieder auf, fuchtelte mit den Armen, schrie. Später sagte Katsigiannis: "Wir sind zwei völlig verschiedene Typen." Während er, Katsigiannis, stets versuche, die Ruhe zu bewahren, sei Lichtlein "immer heiß" - und bereichere damit die Mannschaft.

Obwohl die Erlanger die beste Saison ihrer Geschichte hinter sich haben, hat sich eine Menge in ihrem Kader getan. Gestandene Spieler wie Christoph Steinert und Nicolai Theilinger sind gegangen, andere Spieler, die sich erst beweisen müssen, sind gekommen. Für Lichtlein, den früheren Nationaltorwart, gilt das nicht. Er muss nichts mehr beweisen - auch wenn es am Donnerstag in erster Linie Katsigiannis war, der den Auftakt zu einem erfolgreichen Auftakt machte.

© SZ vom 31.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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