Handball-Bundesliga:Bissige Ente

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Der HC Erlangen beurlaubt Trainer Adalsteinn Eyjolfsson, weil er sich mit den Spielern überworfen hat. Nun springt Rolf Brack ein - der Weg des geringsten Risikos.

Von Sebastian Leisgang

Manchmal, wenn Rolf Brack mit dem Auto unterwegs ist und es ihn überkommt, dann zündet er sich am Steuer eine Zigarette an. Und wenn ihm dann etwas einfällt, ein besonders pfiffiger Spielzug im Positionsangriff oder eine neue Variante in der Deckung, dann kramt er einen Zettel aus dem Handschuhfach und skizziert seine Idee mit einem Bleistift. So erzählen es Leute, die Brack seit Jahren kennen. Was sie damit zum Ausdruck bringen wollen: Brack hat nur Handball im Kopf - selbst wenn er Auto fährt und eine Zigarette in der Hand hält.

Auch an diesem Dienstagmittag macht er sich Notizen. Brack, 66, sitzt in einem kleinen Geschäftsraum eines Sponsors des HC Erlangen. Als Geschäftsführer René Selke erklärt, warum der Handball-Bundesligist seinen bisherigen Trainer Adalsteinn Eyjolfsson beurlaubt hat und warum Brack nun neben ihm sitzt, da schreibt Brack mit. Er sei inzwischen ja so etwas wie ein Kollege, sagt Brack später zu den Journalisten, schließlich habe er bei der Europameisterschaft im Januar Kolumnen geschrieben. Jetzt sei er aber froh, zurück auf der Trainerbank zu sein, denn: "Ich bin kein Ruhestandstyp, ich bin eher ein Unruhestandstyp."

Schon Ende November hat Erlangen bekanntgegeben, dass Eyjolfssons Vertrag nicht verlängert und Rückraumspieler Michael Haaß zur nächsten Saison zum neuen Trainer befördert wird. Die Verantwortlichen ahnten schon damals, "dass das Verhältnis kippen kann". So formuliert es Geschäftsführer Selke und meint: Es war nicht auszuschließen, dass Eyjolfsson eine lame duck wird, ein Trainer also, dem die Spieler auf dem Schnabel rumtanzen. Aber: Nach dem Jahreswechsel trat offenbar das Gegenteil ein. Die Ente biss zu. Sportdirektor Kevin Schmidt sagt: "Seit Vorbereitungsbeginn haben sich wiederholt Situationen zwischen Mannschaft und Trainer ergeben, die das Verhältnis erheblich gestört haben." Und: "Es hat den Anschein gemacht, dass sich das mehr und mehr auf das Leistungsvermögen Einzelner und der Mannschaft auswirkt."

Bereits Anfang Dezember kontaktierte Selke Brack, "weil wir das Szenario, das wir jetzt haben, vorhergesehen haben". Seitdem befasste sich Brack wieder und wieder mit der Erlanger Mannschaft. "Ich habe alle Spiele seit Ende November ausgewertet", sagt er, "ich habe Screenshots und Videoschnipsel. Es ist also nicht so, dass ich jetzt ins kalte Wasser geworfen werde." Am Sonntag, beim Auswärtsspiel in Kiel, sitzt Brack zum ersten Mal auf der Erlanger Bank, dann schließen sich drei Partien gegen Mannschaften an, die in der Tabelle hinter dem HCE stehen.

Brack als Nachfolger für Eyjolfsson zu engagieren, ist für die Erlanger der Weg des geringsten Risikos. Brack ist seit beinahe vier Jahrzehnten Trainer, er kennt die Bundesliga, es gibt keinen Spielzug, den er noch nicht gesehen, keine Deckung, gegen die er noch nie eine Lösung gefunden hat. "Junge Trainer", sagt Brack, "haben nicht so viele Fehler gemacht, aus denen sie lernen konnten."

Trotz seines fortgeschrittenen Alters gilt Brack als sehr innovativer Trainer. Er weiß das taktische Mittel des siebten Feldspielers sinnvoll einzusetzen, manchmal lässt er mit zwei oder gar mit drei Kreisläufern spielen, um den Gegner zu überraschen. Beim HCE wird er nun aber, so sagt er es, erst einmal "nach dem Kiss-Prinzip" vorgehen: Keep it simple and stupid - halte es einfach und banal.

So will Brack jene Spieler für sich gewinnen, die Eyjolfsson zuletzt mit harter Hand geführt und schließlich verloren hat. "Ich habe die Zügel angezogen", sagt der Isländer, "der Ton war rauer als vorher, aber ich denke, das ist normal im Männersport." Er, Eyjolfsson, habe die Saison mit Würde zu Ende bringen und sich erst dann verabschieden wollen, "aber es gab ein paar disziplinarische Dinge, auf die ich reagieren musste. Das habe ich getan. Die betroffenen Spieler haben sich hinterher dann bei mir entschuldigt."

Durch die Entscheidung, in Person von Haaß einen Spieler zu seinem Nachfolger zu befördern, sei "eine komische Dynamik entstanden", findet Eyjolfsson, "es war dann keine einfache Situation - weder für mich noch für Hasan und die Mannschaft."

Hätten die Verantwortlichen ihre Entscheidung also hinter verschlossener Kabinentür fällen und sie erst später verkünden sollen? "Das wäre unmöglich gewesen", sagt Selke, "es hätte wenige Wochen gedauert, bis wir von der Vermeldung überrascht worden wären." Deshalb die frühe Bekanntgabe des anstehenden Trainerwechsels, wohl deshalb nun aber auch die vorzeitige Trennung und Bracks Einstieg.

Geht es nach dem Neuen, wird sich in Erlangen nun alles zum Guten wenden. Brack sagt nämlich: "Das ist vielleicht das größte Risiko: dass ich den Alltag mit Kochen und Wäschemachen jetzt ohne meine Frau bewältigen muss." Vor dem Haushalt hat er offenbar mehr Angst als vor einem Erlanger Abstieg.

© SZ vom 05.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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