Hamilton vs Rosberg:Gremlins prägen den Formel-1-Showdown

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"Alles, was ich tun kann, ist mein Bestes zu geben und so zu fahren wie an diesem Wochenende", sagt Lewis Hamilton. (Foto: AFP)
  • Nach seinem Sieg in Austin gibt sich Lewis Hamilton selbstbewusst. Der Brite ist zuversichtlich.
  • Nico Rosberg im Titelduell noch zu überholen - wenn die Technik hält.

Von Elmar Brümmer, Austin

Edwin Moses bittet, man möge doch etwas zur Seite rücken, er möchte etwas sehen. Venus Williams hat einen Riesenhunger, aber sie kann jetzt unmöglich gehen. Lindsey Vonn presst ihr Gesicht an die Scheibe, um zu sehen, was da los ist; dann schlüpft sie schnell in den Mercedes-Pavillon. Bisher gab es nur zwei Formel-1-Fahrer, die 50 Rennen und mehr gewonnen haben - Michael Schumacher (91 Siege) und Alain Prost (51). An diesem Sonntag ist mit seinem Sieg in Austin/Texas der Dritte hinzugekommen: Lewis Hamilton. Den muss man einfach sehen.

Der dritte Triumph in Serie in Texas und die sporthistorische Marke führen zu einer eher nach innen gekehrten Freude. Ein knappes Vierteljahr hat Hamilton auf diesen 50. Sieg warten müssen, da macht man sich schon so seine Gedanken. Im Moment des Triumphes aber wirkt der Mercedes-Fahrer entspannt wie selten. Er holt sich seine Motivation, wo immer es möglich ist. Etwa mit einem Blick in die Runde. Hamilton sieht Vonn, Williams und Moses, und sagt in die andächtige Stille: "Hier sind so viele unglaubliche Champions anwesend." Alle sind wegen ihm gekommen. Lewis Hamilton ist, aktueller WM-Stand hin oder her, immer noch einer von ihnen.

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305 zu 331 steht es in der WM-Wertung zwischen Hamilton und seinem Teamkollegen Nico Rosberg, der in Texas Zweiter wurde vor Red-Bull-Jäger Daniel Ricciardo und Ferrari-Chauffeur Sebastian Vettel. Drei Rennen stehen noch aus, bei jedem lassen sich maximal 25 Punkte gewinnen. Das heißt: Wenn Hamilton am kommenden Sonntag in Mexiko-Stadt keine Punkte holt und Rosberg gewinnt, ist er den Titel los und der 31 Jahre alte Deutsche wird zum ersten Mal gekrönt. Was Hamilton und seinem Arbeitgeber Mercedes aktuell am meisten Sorgen bereitet: die Gremlins - so nennen sie in der Formel 1 jene schleichenden technischen Unzuverlässigkeiten, denen so schwer beizukommen ist wie kleinen Monstern.

Hamilton könnten diese Monsterchen die Titelverteidigung kosten. Und Rosberg wohl die Chance seines Lebens. Fällt Rosberg aus, wäre das Titelrennen wieder komplett offen. Ein neuerliches Ausscheiden Hamiltons und dieser könnte die verlorene Titelverteidigung komplett der Technik und dem Team anlasten. Bei Mercedes sind sie deshalb pedantisch darauf bedacht, ja alles richtig zu machen, und keinen der beiden zu bevorzugen. Teamchef Toto Wolff, ein Österreicher, erklärt den Ansatz in Denglisch: Die ganze Mannschaft sei "übercautious", super vorsichtig.

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Der Austausch der Benzinleitungen an Hamiltons Auto in der Nacht zum Samstag, für den man sich eine Ausnahme-Nachtschicht hatte genehmigen lassen, ist ein Indiz für den enormen Druck. "Für die Mechaniker ist es ziemlich stressig, denn sie stehen unter einer enormen Belastung", weiß Wolff. Bloß alles richtig machen, und das, obwohl Wolff im Umfeld des Teams eine gewisse "Paranoia" ausmachen kann: Jedes Detail wird kritisch beäugt. Hamilton gibt an, die Motorleistung auf den Geraden auf 90 Prozent heruntergedreht zu haben, um sein Glück nicht auszureizen: "Wenn Defekte vorkommen, dann mit größerer Wahrscheinlichkeit an meinem Auto", vermutet er. Da ist sie wieder, die Angst vor den Gremlins.

Der Glaube an die eigene Stärke sei dagegen intakt, beteuert der Brite: "In dem Moment, in dem man aufhört an den Erfolg zu glauben, verliert man." Hamilton spürt, dass da vielleicht doch noch etwas geht. Was es ihm gerade leichter macht, ist ausgerechnet die vermeintliche Aussichtslosigkeit der Situation: "Alles, was ich tun kann, ist mein Bestes zu geben und so zu fahren wie an diesem Wochenende. Nico fährt das ganze Jahr über schon fantastisch, der Kampf geht also weiter", sagte Hamilton in Austin. Als ihn der Schauspieler Gerard Butler beim Interview nach der Siegerehrung fragte, ob er - ganz ehrlich - Rosberg noch einholen werde, antwortete Hamilton: "Genau das werde ich machen."

Drei Rennen voller Anspannung warten nun noch auf beide Titelkandidaten. "Das war der längste Nachmittag, denn ich je hatte. Ich wusste nicht, ob es das Auto bis zum Ende schaffen würde. Das war meine größte Angst. Ich habe auf jedes kleinste Geräusch gehört", gab Hamilton zu.

An die obligatorische Champagnerdusche nach Siegen müssen sich Skirennläuferin Lindsey Vonn (l.) und Tennisspielerin Venus Williams (re. neben Lewis Hamilton) noch gewöhnen. (Foto: Tony Gutierrez/AP)

Den Motorschaden von Malaysia hat er offenbar noch in den Ohren. Um eigene Schwächen zu beheben, saß er zuletzt stundenlang im Simulator und absolvierte Startübungen. Das Resultat: In Austin ließ Hamilton Rosberg auf den ersten Metern keine Chance und zog von der Pole-Position aus zu einem souveränen Sieg. Hamilton dazu: "Ich wusste einfach, dass ich diesmal gut wegkommen würde, zum ersten Mal im ganzen Jahr - das hat perfekt funktioniert."

Nico Rosberg, der nach Hamilton zur öffentlichen Sprechstunde gebeten wurde, gab sich dagegen schmallippig. Vor dem Rennen hatte Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone ihn wegen seiner zurückhaltenden Auftritte gerügt: "Als Weltmeister wäre Nico nicht sehr hilfreich." Doch auch das konnte Rosberg nicht aus der Reserve locken. Nach vier Siegen in den fünf Rennen zuvor hatte er sich einen ersten US-Triumph fest vorgenommen, nun konnte er nur von "Schadensbegrenzung" sprechen. Seine Titelchancen will er weiter nicht kalkulieren. "Ich werde versuchen, in Mexiko zu gewinnen, das ist alles", so Rosberg. Es wäre schon eine ganze Menge.

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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