Hamburger SV:Wieder ein kolossales Ärgernis

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Erich Berko erzielt das 1:0 für den SV Darmstadt. (Foto: Jan Huebner/Imago)

Der Hamburger SV verliert 1:2 gegen Darmstadt 98 - und damit eines jener Spiele, die ein Klub nicht verlieren darf, wenn er aufsteigen will. Ausgerechnet jetzt muss das Team 14 Tage auf die nächste Partie warten.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Eine Saison ohne Zuschauer hat eigentlich keine Vorzüge, aber es gibt die winzigen Momente, in denen Fußballer klammheimlich froh darüber sein dürften, dass mit den Fans gerade auch der natürliche Resonanzraum in den Stadien fehlt. Zum Beispiel am Freitagabend im Hamburger Volkspark, als der Mittelfeldmann David Kinsombi einen Pass auf den Flügel spielte, welcher jedoch falsch dosiert und so insgesamt gründlich daneben geriet.

Es sah aus wie ein missglückter Klärungsversuch am Mittelkreis, dabei sollte Kinsombi dem Spiel des Hamburger SV in der zweiten Halbzeit mehr Struktur verleihen und dabei mithelfen, einen Rückstand gegen Darmstadt 98 zu egalisieren. Gewiss hätte es für diesen unkonzentrierten und völlig missglückte Pass ein schrilles Pfeifkonzert im Volkspark gegeben, und gewiss wäre später der Schlusspfiff kaum zu hören gewesen, weil die leidgeprüften HSV-Anhänger ihre Gefühle auf genauso schrille Art artikuliert hätten. Am Ende verlor der HSV mit 1:2 gegen die auf Tabellenplatz zwölf geführten Darmstädter - eines jener Spiele, die man in dieser Phase der Saison nicht verlieren darf, wenn die erhoffte Rückkehr in die Erstklassigkeit gelingen soll.

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Damit kann das Spiel gegen Regensburg nicht stattfinden. Nach Karlsruhe und Sandhausen ist es in kurzer Zeit der dritte Fall, in der sich eine Behörde für Quarantäne entscheidet.

Für den HSV steht eine zweiwöchige Pause an, weil die kommenden Gegner in Quarantäne sind

"Wir kommen wieder", versicherte der sichtlich bediente HSV-Trainer Daniel Thioune, aber das war ja bereits vor der Partie der klare Plan gewesen: In der Vorwoche hatte der Traditionsklub in Hannover bei einer 3:0-Führung noch ein 3:3 kassiert, was in dieser Spielzeit bereits häufiger vorgekommen war und unter den Aufstiegsaspiranten in der zweiten Liga so nur dem HSV passiert. Das Heimspiel gegen Darmstadt wäre daher eine gute Möglichkeit gewesen, neben wichtigen Punkten auch ein positives Erlebnis zu verbuchen, bevor es in eine unfreiwillige Saisonunterbrechung geht: Die nächsten beiden HSV-Gegner Sandhausen und Karlsruhe wurden aufgrund von Corona-Fällen im Kader in Quarantäne geschickt, noch ist unklar, wann die Partien nachgeholt werden können.

Es sei "sehr, sehr unglücklich, dass wir jetzt 14 Tage raus sind", sagte Thioune. Immerhin bleibt genug Zeit, die vergangenen beiden Auftritte akribisch aufzuarbeiten.

Am Freitagabend zeigte sich mal wieder, was den vorläufig Tabellenzweiten manchmal daran hindert, seinen qualitativen Vorsprung auf dem Rasen zu demonstrieren: eigene Unachtsamkeiten - aber auch bis in die Haarspitzen motivierte Kontrahenten, denen sichtlich daran gelegen ist, gegen den großen Zweitliga-Favoriten ein paar Prozentpünktchen mehr abzurufen als sonst. Im Tabellennimmerland gibt es nicht mehr viel zu gewinnen, außer in der Saisonchronik als kolossales Ärgernis des HSV aufzutauchen.

Der Hamburger SV spielt zu behäbig in der Offensive

Das war offenbar auch das Ziel der Darmstädter, die leidenschaftlich und gut organisiert ihren Strafraum verteidigten, um dann über zielgerichtetes Konterspiel zum Abschluss zu kommen. Für den HSV war die Partie ein weiterer Geduldstest, der allerdings nur mit der nötigen Effizienz zu bestehen ist - und an dieser mangelte es in der ersten Hälfte, weil die durchaus vorhandenen Torgelegenheiten nicht mit der nötigen Schärfe vollendet wurden. Das täuschte jedoch nicht darüber hinweg, dass der Ball nur behäbig durch die eigenen Reihen lief. Einen Anteil daran hatte auch Klaus Gjasula, ein Mittelfeldspieler von eher destruktivem Naturell, dessen Nominierung für die Startelf gegen ein tief stehendes Team wie Darmstadt durchaus überraschend war. Mehrmals drosselte er das Tempo, und auch in der Defensive trat er nicht unbedingt als stabilisierender Faktor in Erscheinung.

Die Zermürbungstaktik der Darmstädter konnte jedoch nur aufgehen, wenn die Hamburger die entscheidende Beihilfe leisten würden, und genau das geschah vor den beiden Gegentreffern in der zweiten Hälfte: HSV-Kapitän Tim Leibold sprang an einem hohen Ball vorbei, der sonst verlässliche Verteidiger Stephan Ambrosius ließ sich austänzeln und 98-Angreifer Erich Berko vollendete einen Konter zur 1:0-Führung (50.). Beim zweiten Gegentreffer durch Serdar Dursun sah das Defensivverhalten nicht viel besser aus (60.).

In der Folge ließ der HSV zwar nichts unversucht, um zumindest noch einen Punkt zu retten, aber die gesammelte Wut und Verzweiflung erbrachten nicht mehr als den Anschlusstreffer durch Jeremy Dudziak (78.). Für Aufregung hatte zuvor noch ein via Kölner Videokeller zurückgenommener Elfmeterpfiff gesorgt, aber "die Niederlage lag nicht an der Szene", wie der vermeintlich gefoulte HSV-Stürmer Simon Terodde zu bedenken gab. Stattdessen verbreitete Terodde hinterher Zweckoptimismus. Er sei sich "einhundertprozentig sicher, dass wir am Ende etwas zu feiern haben", sagte er und fügte hinzu: "Vorher gehe ich nicht nach Hause."

Die HSV-Anhänger, die während des Spiels zu Hause bleiben mussten, durften immerhin mit zwei großen Bannern im Stadion an die kürzlich verstorbenen Peter Krohn und Erwin Piechowiak gedenken. Krohn war in den Siebziger Jahren HSV-Präsident, Piechowiak Mitglied der 1960er-Meistermannschaft. Beides lange her.

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