Hängende Spitze:Wie einst die alten Albaner

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Die Soko Elfmeterpunkt arbeitet an der Aufklärung des Falles Hitz. Eine Spur führt nach Köln.

Von Thomas Hahn

Sehr geehrter Herr Polizeipräsident, die Soko Elfmeterpunkt arbeitet mit Hochdruck an der Aufklärung des Falles Hitz. Dass der Augsburger Lizenzfußballer Marwin Hitz in der Partie gegen den 1. FC Köln das Spielfeld rund um den Elfmeterpunkt derart traktierte, dass die ordnungsgemäße Ausführung eines Strafstoßes erschwert bzw. verunmöglicht wurde, hat unser Interesse auf mögliche Hintermänner der Tat gerichtet. Wir ermitteln in alle Richtungen, um zu verstehen, welche Einflüsse auf Hitz gewirkt haben könnten. Es ist zu früh für erste Ergebnisse, allerdings gibt es eine Spur, die uns pikanterweise ins Kölner Jugendfußball-Milieu führt, genauer gesagt zur U 17 des 1. FC Köln. Deren Trainer Markus Daun hat vor der Partie gegen die U 17 von Bayer Leverkusen erklärt: "Wir wollen den Platz umgraben." Daun behauptet, er habe das bildlich gemeint. Sein Team sei nicht mit dem Auftrag angetreten, das Spielfeld umzupflügen, um es für Leverkusens Stürmer unbespielbar zu machen.

Ein Ablenkungsmanöver. Wie Fußballhistoriker bestätigen, handelt es sich beim Umgraben des Platzes um eine Variante des sogenannten albanischen Verteidigungsfußballs. Das Prinzip dieser Defensiv-Methode: Das Spielfeld so zu gestalten, dass favorisierte Teams darauf nicht mehr wie gewohnt den Ball führen können. Diese Form des südosteuropäischen Catenaccio wurde in Deutschland 1967 bekannt, als die albanische Nationalmannschaft der deutschen durch geschickte Platzwahl ein 0:0 abtrotzte und damit deren EM-Qualifikation verhinderte. Nach Aussage des Zeugen Bernd Patzke fand das Spiel auf einem "Sandfeld mit ein paar grünen Grasbüscheln" statt. Fußball war darauf nur unter hohen Gesundheitsrisiken möglich.

Die albanische Verteidigung kommt vor allem in unteren Fußballklassen zur Anwendung, in denen einzelne Vereine ihre Gegner gerne auf Ascheplätze oder Kartoffeläcker bestellen. Seit der Erfindung des Kunstrasens ist er etwas aus der Mode geraten. In der Bundesliga stellen sich ehrgeizige Platzwarte dagegen, denen das Konzept des Umgrabens fremd ist. Für den Fall Hitz ist in dieser Hinsicht das Detail spannend, dass der Täter in Augsburg nicht als Platzwart, sondern als Torwart tätig ist.

Aus geheimdienstlichen Dokumenten wissen wir, dass gerade die Gefahr eines Torschuss-Einschlages die Fantasien der Behörden beflügelt. So soll der britische Geheimdienst Torhüter Ihrer Majestät mit ausfahrbaren Armen ausgestattet haben, mit Sprungfedern in den Schuhen, Tintenstrahlern in den Handschuhen und - interessant - mit Untergrund-Torpedos, die auf diskrete Art das Spielfeld aufwühlen. Diese Technologien haben das englische Torwartspiel noch nicht wirklich weitergebracht. Aber die Forschung schläft nicht. Und der Fall Hitz zeigt, dass im modernen Fußball gerade bei der Strafstoß-Abwehr noch viel Spiel ist.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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