Hängende Spitze:Ochsenartige Bewegung

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Fußballer werden oft in die Rolle von Vorbildern gedrängt. Sie selbst wählen sich allerdings mitunter selbst fragwürdige Vorbilder - so wie Leon Goretzka, der Zinédine Zidane imitiert.

Von Sebastian Fischer

Vorbilder dienen Kindern und Jugendlichen in der Pubertät zur Orientierung, dagegen ist nichts einzuwenden. Doch auf dem Fußballplatz kann dieses Phänomen zu Irritationen führen. An jedem Wochenende ist das auf den holprigen Spielfeldern des Landes zu beobachten. Flügelspieler mit über die Knie gezogenen Stutzen fallen bei dem Versuch, wie Cristiano Ronaldo um den Ball herumzugockeln, über ihre eigenen Füße. Elfmeterschützen verstauchen sich bei der komplizierten Imitation des Panenka-Lupfers die Zehen, weil sie dabei in den Boden treten. Torhüter rollen sich wie von Tim Wiese geschult nach Paraden ab, springen jedoch leider am Ball vorbei. Nachher weisen die falschen Ronaldos, Panenkas und Wieses den Verdacht, unerreichbaren Idolen nachzueifern, natürlich weit von sich.

Nun ist der Nationalspieler Leon Goretzka, 22, selbst auf bestem Wege, ein Vorbild für junge Fußballer zu werden. Er will sich demnächst entscheiden, ob er beim FC Schalke bleibt, wo er angeblich mehr als zehn Millionen Euro im Jahr verdienen kann, oder zum FC Bayern, nach Barcelona oder Manchester wechselt. Bislang hatte Goretzka sich zu Fragen nach seinen Vorbildern zurückhaltend geäußert, einmal vorsichtig auf Dariusz Wosz verwiesen, den in Goretzkas Geburtsstadt Bochum als "Zaubermaus" bekannten früheren Mittelfeldspieler und heutigen Techniktrainer. Doch nun, als derart begehrter Spieler, ist es wohl verlockend, dem Drang nachzugeben, sich schon mal wie ein ganz Großer zu fühlen. Goretzka rammte im Spiel gegen Köln seinem Gegenspieler Salih Özcan den Kopf gegen die Brust, mit einer ochsenartigen Bewegung wie einst der filigrane Zinédine Zidane im WM-Finale 2006 gegen den Italiener Marco Materazzi. Später erklärte Goretzka, er habe "einfach impulsiv aufstehen", aber niemanden verletzen wollen. Denn: "Ich heiße nicht Zinédine Zidane." Es sei unnötig, darüber zu diskutieren.

Goretzka hat keine Sperre zu befürchten, was er auch der besonnenen Reaktion Özcans zu verdanken hat. Der Kölner, 19, verhielt sich nicht wie einst Materazzi, der sich nach dem Kopfstoß fallen ließ, als sei er angeschossen worden. Özcan schaute nur kurz empört und spielte weiter. Die Erklärung ist einfach. Als fußballerisches Vorbild nennt der Kölner Robert Lewandowski, jenen gradlinigen Profi des FC Bayern, der seine Stutzen unter den Knien trägt und vor Kurzem mit einer Bachelorarbeit über sich selbst gar akademische Reife bewies.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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