Hängende Spitze:Furcht vor Fortuna

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Früher waren die Spieler aus Kaiserslautern gefürchtet für Tore in der Nachspielzeit. Inzwischen hat ihnen das Kölner Team aus der dritten Liga den Rang abgelaufen. Das hat auch mit dem Geist des einstigen Mäzens Löring zu tun.

Von Sebastian Fischer

Es gab mal eine Zeit, da hatten Fußballer Angst vor dem Teufel. Der Teufel konnte damals, in den Neunzigern, die Gestalt von Spielern wie Harry Koch oder Olaf Marschall annehmen. Falls diese Namen keine Bilder ins Gedächtnis rufen: Der Teufel hatte einen Schnurrbart und Locken, die irgendwo anfingen und nirgendwo aufhörten. Die Teufel, so nennt man die Fußballer des 1. FC Kaiserslautern, konnten Spiele auf mystische Weise verlängern, bis sie zu ihren Gunsten entschieden waren. Niemand gewann damals so oft in der Nachspielzeit. Die Schiedsrichter, hieß es, würden mit dem Abpfiff am Betzenberg warten, bis der FCK getroffen hat. Heute sind die Kaiserslauterer allerdings nur noch niedliche Zweitligakicker. Fußballer fürchten sich stattdessen vor Fortuna Köln.

Der Drittligist aus der Kölner Südstadt wirkt auf den ersten Blick harmlos. Dritter der ewigen Zweitligatabelle, stets halb leeres Stadion und ein Verteidiger, der Engelman heißt - perfekte Tarnung. Wahrhaftig ist die Fortuna aber der neue Teufel. Die Kölner sind seit drei Jahren wieder im Profifußball, weil sie die Hände von Lukas Raeder verhexten. Der damalige Torhüter der Reserve des FC Bayern ließ 2014 im Relegationsspiel in der Nachspielzeit den Ball fallen: Abstauber, Tor, Aufstieg. Und jetzt ist den Kölnern eine Aufholjagd gelungen, die Barça so alt aussehen lässt wie Harry Kochs Schnäuzer: Das Spiel gegen Regensburg am Samstag ging beim Stand von 0:2 zehn Minuten in die Nachspielzeit, ein Regensburger hatte sich verletzt. Köln traf erst nach 90+6, dann nach 90+10 Minuten, jeweils per Kopf nach einer Ecke. 2:2. Es folgte Ekstase. Doch später erklärte der Kölner Trainer den Punktgewinn derart gelassen, wie es nur jemand tun kann, der das Schicksal auf seiner Seite weiß.

Es ist ja so: Bei der Fortuna spukt der gute Geist des einstigen Mäzens Jean Löring, der die Gesetze des Spiels nie akzeptierte. Unter einen Spielberichtsbogen schrieb er mal: "Alles gelogen!" und umging das Stadionverbot des DFB, indem er sich als Weihnachtsmann verkleidet in die Kurve stellte. Er war der liebenswerteste Teufel der Fußballgeschichte.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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