Hängende Spitze:Für jedes Tor einen anderen Jubel

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Viele Jubelformen werden schlecht vermarktet - doch damit dürfte bald Schluss sein.

Von Milan Pavlovic

In der Liga-Historie gibt es fast so viele Jubelformen wie Tore - fast, weil Gerd Müller bekanntlich drei Viertel seiner 365 Treffer mit einem schmucklosen Sprung in die Luft mit ausgestrecktem rechten Arm gefeiert hat. Manche Einlagen blieben wegen zu hoher Schwierigkeitsgrade Unikate (Giovane Elbers Einwicklung in eine Bayern-Matte); andere, wie der Klose-Salto (inzwischen Aubameyang-Salto), fordern den Kunstturner im Kicker und sind nur den wenigsten zur Nachahmung empfohlen. Einige hatten ihren Charme, wurden aber schal - manche weniger (Luca Tonis Ohrschrauber), manche mehr (Carsten Janckers Ringkuss). Und wieder andere wurden wegen mangelnden Erfolgs rasch wieder eingestellt (Roy Prägers Schuhkuss oder die Unterhachinger Freudenraupe).

Was alle Jubelformen gemein haben, ist ein verschenktes Vermarktungspotenzial. Weder hat Giovane Elber je für Isomatten geworben noch war Carsten Jancker Testimonial für Hochzeits-Annoncen.

Nach diesem Samstag jedoch dürfte mit diesem Missstand Schluss sein. Der Kölner Torjäger Anthony Modeste brauchte nur drei Tore für vier Jubel-Varianten, und alle bedienen ihre eigene Zielgruppe. Für wortkarge Chatter hat Modeste seit dem vergangenen Frühling die Emoji-Freude im Repertoire: Er setzt sich mit den Fingern eine imaginäre Brille auf und grient vor sich hin. Neu war am Samstag die Kochtopf-Geste für Hausfrauen und Fans der gepflegten Küche: Modeste rührte mit der Hand, weil er durch sein 20. Saisontor eine Wette und ein Abendessen gewonnen hatte. Die Geste gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen, auch vegan.

Speziell für den asiatischen Markt, wo der Spieler ohnehin hoch im Kurs ist, führte Modeste Kung-Fu-Einlagen mit seinem japanischen Sturmpartner Yuya Osako auf, eine Reminiszenz an "Rush Hour" mit Jackie Chan und Chris Tucker. Sollte es doch noch "Rush Hour 4" geben, würde er mit Modeste und Osako in den Hauptrollen besetzt. Und schließlich für Italiens Modedesigner: die rutschende Hose, perfekt vorgeführt vor dem Tor zum 4:1. (Auffällig: Für den englischen Markt hat Modeste noch nichts Brauchbares entwickelt.)

Wichtig für die kommerzielle Nutzung ist der Verzicht auf martialische Gesten, und damit die Abkehr von Bruno Labbadias Pistolero, Edinson Cavanis Sniper, Mladen Petric' Pfeil & Bogen oder Kevin Kuranyis Panzerfaust. Einzig Stefan Kuntz' Säge sollte wieder häufiger zum Einsatz kommen. Ein großer Baumarkt soll bereits bei Modestes Berater vorgefühlt haben, ob er nach seinem 23. Saisontor womöglich die Luft zerschneiden und "Yippiejaja-yippie-yippie-yeah" rufen könne. Auflösung vielleicht schon in zwei Wochen.

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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