Greuther Fürth:Gewöhnt man sich ans Verlieren?

Lesezeit: 3 min

Schon wieder drin: Fürths Torwart Marius Funk kassiert das Tor zum 1:2. (Foto: Melanie Zink/Imago)

Sieht aus wie die Eckenstatistik, ist aber das Ergebnis: Fürth gegen Hoffenheim - 3:6. Fürths elfte Niederlage in Folge ist ein historischer Negativrekord in bald 60 Jahren Bundesliga, und sie wirft viele Fragen auf.

Von Sebastian Leisgang, Fürth

Musste das sein? Besonders einfühlsam war das ja wirklich nicht. Es regnete, es war bitterkalt, und das Spiel war längst entschieden, doch Bastian Dankert hatte offenbar Gefallen daran gefunden, was ihm die SpVgg Greuther Fürth und die TSG Hoffenheim 90 Minuten lang gezeigt hatten. Es gab zwar keinen Grund, das Spiel in die Länge zu ziehen, doch kraft seines Amtes als Schiedsrichter ordnete Dankert eine Nachspielzeit von drei Minuten an - und setzte der Partie erst dann ein Ende, als auch er einsehen musste, dass es wohl nichts mehr werden würde mit einem zehnten Tor.

Als es dann vorbei war, musste man zweimal auf die Anzeigetafel des Fürther Stadions schauen. Da stand tatsächlich ein Ergebnis, das zwar wie eine Eckballstatistik aussah, in Wahrheit aber der finale Spielstand war. Die Fürther hatten 3:6 verloren, es war ihre elfte Niederlage in Serie, das ist ein neuer Tiefpunkt in beinahe sechs Jahrzehnten Bundesliga. Elf Spiele hintereinander hat noch nie ein Erstligist verloren.

"Ich bin schon sehr angefressen", sagt Trainer Stefan Leitl

Als Timothy Tillman eine halbe Stunde nach dem Spiel im Medienraum saß, sagte er: "Es ist eine harte Zeit für uns alle." Fürths Mittelfeldspieler hatte zu Beginn der zweiten Hälfte das 2:2 erzielt, doch dann war den Fürthern das Spiel derart entglitten, dass Trainer Stefan Leitl offen einräumte: "Ich bin schon sehr angefressen. Wenn du dir so viele individuelle Fehler leistest, musst du damit leben, dass du sechs Stück bekommst."

Seine Mannschaft war zwar als abgeschlagener Tabellenletzter ins Spiel gegangen, hatte sich aber entschieden, eine Stunde lang einfach nichts darauf zu geben, ein abgeschlagener Tabellenletzter zu sein. Dann aber wirkten die Fürther Abwehrspieler beinahe so, als wären sie auf einer Party plötzlich hoch auf die Bühne gerufen worden. Sie wussten gar nicht, was sie da oben sollten, aus dem Stegreif hatten sie jetzt auch nichts auf Lager, um beim Publikum zu punkten. Es waren zwar nur 3385 Leute, die an diesem Samstagnachmittag was sehen wollten - es waren aber zu viele, um sich einfach wieder umzudrehen und zu gehen.

Die Fürther verlieren ja nicht mit Absicht. Sie stellen bloß fest: Hoffenheim ist nicht Heidenheim

Fürths Abwehrspieler blieben also notgedrungen und versuchten, das Beste aus der Situation zu machen, am Ende aber schlichen sie zur Fankurve, klatschten kurz in die Hände und kehrten dann um Richtung Kabine. Auch die Fürther Fans trugen das Debakel mit Fassung. Sie beklatschten und besangen ihre Mannschaft, und das ist es ja, was den Verantwortlichen in Fürth besonders wichtig ist: dass die Leute gerade in der Stunde der Niederlage bei sich bleiben. Dass sie ihrem Frust auch dann nicht freien Lauf lassen, wenn sie die Spieler am liebsten dorthin schicken würden, wo der Klee wächst.

Die Fürther machen das alles ja nicht mit Absicht. Sie bemühen sich, sie lassen nichts unversucht, doch sie erfahren eben immer wieder auf die harte Tour, dass Hoffenheim etwas anderes ist als Heidenheim.

"Selbst wenn wir jetzt elf Spiele verloren haben: Für uns gilt es einfach, nach vorne zu schauen." Auch diesen Satz sagte Tillman am Samstag im Medienraum. Was er allerdings nicht sagte: wie das gelingen soll nach all den Tiefschlägen in den vergangenen Wochen. Woher soll einer, der gerade zum elften Mal verloren hat, den Glauben nehmen, dass er nächste Woche nicht noch ein zwölftes Mal verliert? Ist es nicht so, dass man sich irgendwann ans Verlieren gewöhnt?

"Es ist egal, was passiert ist, daran können wir jetzt eh nichts mehr ändern", sagte Tillman und klang dabei tatsächlich kämpferisch, bevor er einen Vergleich zu Mainz 05 zog. Vergangene Saison holte der FSV in den ersten 17 Spielen nur sieben Punkte, rettete sich dann aber mit einer Rückrunde, in der nur vier Mannschaften noch erfolgreicher waren.

Das Beispiel zeige doch, meinte Tillman, dass noch nichts verloren sei. Das Problem ist nur: Fürth fehlen noch sechs Punkte, um auf deren sieben zu kommen - und die letzten vier Gegner der Vorrunde heißen Bayer Leverkusen, Union Berlin, Borussia Dortmund und FC Augsburg.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: