Ryder Cup:Rockkonzert mit Elfmeterschießen

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Fast wie auf der Kirmes – nur noch viel fröhlicher: Inmitten der begeisterten Zuschauer in Paris bahnt sich das extrem erfolgreiche europäische Golfer-Duo Tommy Fleetwood/Francesco Molinari den Weg. (Foto: Franck Fife/afp)

Anti-Schnösel-Cup: Beim Ryder Cup zählen nicht die Egoismen, sondern das Wir-Gefühl.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Golf ist eine Sportart, die oft Klischees bedient. Manche sind längst überholt. So gibt es inzwischen unzählige Möglichkeiten, günstig und ohne große Hürden in Clubs und in offen zugänglichen Anlagen einfach mal den Schläger zu schwingen. Golf ist auch nicht immer und überall ein Schnöselsport. Auf stadtnahen Plätzen etwa ist es nicht erforderlich, akkurat wie ein Masters-Champion gekleidet zu sein. Andererseits: Mitunter ist Golf doch ein Schnöselsport, etwa, wenn in Clubs die Greenfees, die Gastgebühren für eine Runde, exorbitant hoch sind. Wenn Besucher nur widerwillig geduldet werden. Wenn ältere Herren sich gegenüber der Jugend als Platzhirsche aufführen. Wenn Altherrenwitze gepflegt werden.

Klar ist: Mit Golf ist das nicht so einfach, und schon gar nicht in Deutschland, das keines der traditionellen Golfländer ist wie die USA, England oder Australien. Selbst in Schweden wirkt vieles leichter, unbeschwerter. Und genau deshalb war auch der Deutsche Golf-Verband zweimal so erpicht darauf, etwas zu tun, um das eigene Image seines Sports, ob begründet oder nicht, zu verbessern. Den Ryder Cup wollte der DGV 2018 und 2022 ausrichten, beide Male verlor er krachend. In vier Jahren wird die Stadt Rom der Ausrichter sein dürfen, und seit Freitag bis Sonntag führt gerade die Anlage Le Golf National im Westen von Paris vor, was dem deutschen Golf entgangen ist: eine emotionale Sportveranstaltung, die in der Summe wenig mit der sonstigen Golfwelt zu tun hat. Es ist herrlich und aufregend.

Zwölf Europäer und zwölf Amerikaner stehen sich im Ryder Cup gegenüber, was insofern schon eine Besonderheit ist, weil sonst im Golf der Einzelne stets für sich allein spielt und von Veranstaltung zu Veranstaltung reist. Auf einmal aber geht es um Teamgeist, um Zusammenhalt, um Verantwortung für andere. Für die Mannschaft, für die Nation, für den Kontinent. Das sind große Dimensionen, welche die Spieler wiederum kleiner machen. Sie werden zu einem Teil eines übergeordneten Ziels, und so hat sich ein Gefühl entwickelt, das gerade in diesen Zeiten, in der Gesellschaft, in der Politik, immer mehr gefährdet ist: das Wir-Gefühl.

Der Ryder Cup ist so gesehen ein Anti-Schnösel-Cup. Die beiden Kontinental-Auswahlen bekämpfen sich erbittert, die Zuschauer und Fans können manchmal rüde werden, aber bislang haben sich alle immer wieder auf das verbindende Element dieses Wettkampfs zurückbesonnen. Selbst nach fast kriegerischen Duellen wie der "Schlacht von Brookline" im Jahre 1999, bei der einiges ausartete. Der Ryder Cup ist dank seines Modus und seines straffen Programms wie ein permanent stattfindendes Elfmeterschießen: Entscheidung auf Entscheidung folgt.

Das Turnier wurde, obwohl ein Millionengeschäft, bis heute nicht weiter ausgedehnt, es dauert schlanke drei Tage. Aber die haben es in sich. Jedes der 28 Matches wirkt für sich wie ein Rockkonzert, viele Anhänger verkleiden sich, Betuchte stehen neben Betrunkenen, und die Promi-Dichte ist so hoch wie beim Tennis in Wimbledon oder beim Formel-1-Rennen in Monte Carlo: globale A-Liga. In Paris lief wie selbstverständlich Samuel L. Jackson umher, auch die Basketball-Legende Michael Jordan ließ sich einfliegen im Jet. Die ehemalige US-amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice pilgerte im Tross von Tiger Woods mit und legte sich wie selbstverständlich flach ins Gras, wenn der mit ihr befreundete Profi die Bälle schlug, um die Sicht für die hinter ihr stehenden Fans nicht zu behindern.

Dass es hitzig werden kann bei diesem Wettkampf, der am Sonntag mit einem Sieg der Europäer zu Ende ging, gehört zum Modus. Der Ryder Cup wird eben auch wie ein Boxkampf geführt, es geht ja um viel Ehre. Schlag auf Schlag wird gehofft, den Knock-out zu setzen. Nur um sich dann doch wieder zu umarmen. Der Ryder Cup ist Golf, aber mit anderen Mitteln. Er ist die Seele seines Sports. Und von dieser Seele bräuchte diese Disziplin mehr. Auch in Deutschland. Irgendwann sollte es eine Bewerbung für die Ausrichtung wieder geben. Aber die sollte dann sitzen. Eine größere Chance, um sich von Klischees zu lösen, gibt es nicht.

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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