Brooks Koepka:Golfer im Körper eines Gladiators

Lesezeit: 3 min

Gut in Form: Golfer Brooks Koepka. (Foto: AFP)
  • Lange Abschläge, ein Körper wie ein Gladiator: Brooks Koepka gelingt der vierte Major-Triumph seit 2017
  • Trotzdem muss sich der 29-Jährige gegen Vorwürfe wehren, er sei langweilig.
  • Dabei ist er ein lauter Kritiker des langsamen Spiels im Golf.

Von Gerald Kleffmann, Farmingdale/München

Er hat eine Formel entworfen. Die Formel des Erfolgs. Am Dienstag, zwei Tage vor der 101. PGA Championhip auf dem Bethpage Black Course auf Long Island, hatte er erklärt, wie das aus seiner Sicht geht: ein Major zu gewinnen, eines der vier großen Golfturniere. Brooks Koepka bricht sich die Chancen runter. Zunächst gebe es ein Feld von 156 Spielern. 70 schafften den Cut, qualifizieren sich für die Runden drei und vier. "Ab da kann man annehmen: Die Hälfte von diesen spielt nicht gut", sagte Koepka. Von den 35 Übriggebliebenen hielten dann viele dem Druck nicht stand. Am Ende müsse man nur ein paar Rivalen bezwingen. Das sei alles. Seine Taktik daher: "Einfach dranbleiben", sagte Koepka, "eine der wichtigen Erfahrungen, die ich gemacht habe, ist: Du musst nicht versuchen, das Turnier zu gewinnen. Bleib dran. Wenn du dran bleibst, werden gute Sachen passieren."

Es ist erstaunlich, wie wenig die Branche diesem Brooks Koepka bislang zugehört hat. Auch am Sonntag war es ja wieder ein Thema, warum er einer der am wenigsten wahrgenommenen Topspieler sei, für das Online-Portak Deadspin gar die Nummer drei der langweiligsten Profis. "Golfendes Chloroform" sei dieser bullige Kerl aus West Palm Beach in Florida. Angesichts dieser Schwingungen im Hintergrund war es nur verständlich, dass Koepka seinen Triumph, den er nach einer furios hohen Führung mit zwei Schlägen Vorsprung ins Ziel rettete, als den "definitiv befriedigendsten" einstufte. Zumal er noch das New Yorker Publikum, das auf Etiketten pfeift, gegen sich hatte. "Vier aus acht", konstatierte Koepka trocken, "ich mag, wie sich das anhört." Von den vergangenen acht Majors hat er tatsächlich die Hälfte gewonnen. Bedenkt man, dass er 2018 wegen einer Handverletzung nicht beim Masters antrat, ist seine Serie noch erfolgreicher als die von Tiger Woods 2005/2006. Die Überfigur, der jüngst beim Masters einen Renaissance-Sieg gelang, hatte viermal in acht Major-Events nacheinander gewonnen.

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Auch auf der Halbinsel östlich der Weltmetropole war Koepka trotz seiner Dominanz von Runde eins an (63er Runde) eher ein Komparse in einem anderen Film. "Ich glaube, da waren 40 000 draußen", schilderte der nordirische Profi Graeme McDowell die einseitige Aufmerksamkeitsverteilung auf dem von Bunkern und stickigem Rough geprägten Kurs, "35 000 folgten Tiger, 4000 waren im Souvenir-Zelt, 1000 liefen umher und versuchten, Tiger zu finden." Koepka indes pflügte sich lange fast fehlerfrei über den Platz, stabil war sein langer Abschlag, unkompliziert seine Herangehensweise. Er spielte das, was er mit seinem Gladiatorkörper kann. Schnörkelloses Powergolf, das vielen offenbar nicht reicht für eine Würdigung. An Bahn 14 am Sonntag bekam das Koepka wieder mal persönlich zu spüren.

Die Dramaturgie des Turniers war diesmal keine Schlacht unter mehreren wie in Augusta im April. Es war ein Solo-Mind-Game, ein Kopfspiel eines Solisten. Koepka musste permanent seine hohe Führung verteidigen, das sei "sehr schwer" gewesen. Weil ja schon ein Bogey (eins über Standard) ein Signal der Schwäche sein konnte. Am Sonntag dann: Koepka spielte vier Bogeys in Serie. Bei seinem letzten, dem Par 3 an Bahn 14, sangen bierselige Fans: "DJ! DJ!" Gemeint war Dustin Johnson. Der bis zu diesem Wochenende Weltranglisten-Erste war bis auf einen Schlag herangekommen und hatte die Sympathien auf seiner Seite, während Koepka die Erfahrung machte: Dominanz wird nur Tiger Woods erlaubt. Davon war der 43-Jährige diesmal aber weit entfernt, er verpasste um einen Schlag den Cut (+4), wie Martin Kaymer.

Im Rückblick bezeichnete Koepka dieses Grölen als jenen Moment, der ihm "half, mich wieder zu fokussieren". Und: "Das war wahrscheinlich das Beste, was passieren konnte." Koepkas Trotz wurde reanimiert. Er sei nicht hart genug, das war ihm ja oft vorgeworfen worden, diese Unterstellung "pisst mich wirklich an", so drastisch offenbarte er sich am Sonntag. Koepka, auch das gehört zu seiner Geschichte, hat sich seit 2018 vorgenommen, zu seiner eigenen Meinung zu stehen. So ist er etwa auch ein lauter Kritiker des langsamen Spiels im Golf geworden. Das Publikum - da bewies er wiederum Souveränität - verspottete er jedoch nicht. "Das ist New York", sagte er lässig, "was erwartest du, wenn du halbwegs versagst? Ich hatte es ja auch irgendwie verdient." Versagen? Wegen vier Bogeys auf dem Weg zum Sieg?

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Sein Ziel sei nun eine zweistellige Erfolgszahl an Major-Triumphen, verriet er, spätestens jetzt muss ihn jeder Chronist ernstnehmen. Woods war mit seiner Yacht angereist. Die Rekordfußnoten, die Koepkas Sieg beinhalten, waren indes imposanter. Er ist der Erste, der US Open und PGA Championship parallel nacheinander gewann, die Titel also wiederholte. Nur wenige Spieler unter 30 Jahren schafften vier oder mehr Major-Siege: zum Beispiel Bobby Jones, Jack Nicklaus, Woods - und nun Koepka, der sich mit sieben Schlägen den größten Vorsprung nach 36 und 54 Bahnen herausgespielt hatte, den es bei der PGA Championships gab. Die Nummer eins der Welt ist er auch wieder. Weil er nun mal dran bleibt.

Auch im größeren Kontext. Einst scheiterte Koepka in der Qualifying School der PGA Tour. Er nahm den Umweg über Übersee-Turniere, in Finnland, Kasachstan, Indien, unbeachtet. Die großen Namen, die er jetzt bezwang, waren da längst etabliert in den USA. Vielleicht wirkt er deshalb immer noch wie ein Partycrasher. "Es gibt keinen Grund", twitterte Nicklaus jedenfalls, "warum wir nicht mehr von Brooks sehen werden." Die Erfolgsformel hat Koepka allemal entdeckt.

© SZ vom 21.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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