Golf:Anstiftung zum Petzen

Lesezeit: 2 min

Die Golferin Lexi Thompson. (Foto: USA Today Sports)

Ein TV-Zuschauer meldet während eines Golf-Turniers einen Regelverstoß, die Spielerin wird bestraft. Was zunächst gerecht klingt, stiftet nur Ungleichheit.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Man stelle sich vor, Philipp Lahm würde in der 40. Minute des Champions-League-Spiels gegen Real Madrid in einer x-beliebigen Szene im Strafraum ein Handspiel begehen, und niemand würde es merken. Dann meldet sich in der zweiten Halbzeit ein TV-Zuschauer per E-Mail bei der Uefa und berichtet von Lahms Regelverstoß in Halbzeit eins. Der Schiedsrichter prüft - und entscheidet rückwirkend in der 80. Minute auf Elfmeter. Absurd? Natürlich. Im Profigolf ist so ein Vorgang nicht nur vorstellbar - er kommt vor.

Die Amerikanerin Lexi Thompson, 22, führte in der vierten Runde des ersten Majors des Jahres in Rancho Mirage mit zwei Schlägen. Da eröffnete ihr eine Turnier-Offizielle: Es gebe den Hinweis eines Fernseh-Zuschauers, Thompson habe am Vortag, in der dritten Runde, auf dem Grün der 17. Bahn, den Ball aufgehoben, ihn aber nicht an die selbe Stelle zurückgelegt, sondern ein, zwei Zentimeter daneben. Die LPGA, die US-Frauen-Tour, urteilte laut Reglement: zwei Strafschläge fürs Spielen des Balles von falscher Position. Plus zwei Strafschläge fürs Unterschreiben einer falschen Scorekarte. Beim Golf bürgen die Spieler für das richtige Ergebnis. Lexi Thompson wurde während der letzten Bahnen um vier Schläge zurückgestuft.

Neue Regeln
:Golf soll schneller werden

Um die Traditionssportart zu beschleunigen, soll das Regelwerk von 1744 vereinfacht werden. Überlebenswichtig, sagen die Befürworter - doch es regt sich Widerstand.

Von Frieder Pfeiffer

Fast hätte sie das Happy End geschafft, sie rettete sich ins Stechen - doch die Koreanerin So Yeon Ryu gewann. Thompson blieben Platz zwei, Tränen - und Beileid wie Wut vieler Kollegen. Tiger Woods twitterte: "Zuschauer daheim sollten keine Offizielle mit Streifen sein." Lydia Ko, die Weltranglisten-Erste, forderte: "Man muss etwas dagegen tun, dass Leute sich melden." Manche Kommentare von Hobbygolfern waren nicht jugendfrei.

Videobeweis für jeden einzelnen Schlag?

Nun haben jüngst die maßgeblichen Vereinigungen, die R&A in Schottland und die USGA in den USA, Regeln geändert, um das Spiel zu vereinfachen - das Petzen auf Profitouren blieb unbenommen; es kam im Übrigen schon häufig vor. Weil es den Verfechtern nicht ums Petzen, sondern um die Einhaltung der Regeln geht. Selbst Woods kassierte so mal zwei Strafschläge. "Ich hätte nicht ins Bett gehen können, wenn ich weggeschaut hätte", sagte nun Sue Witters, die Regel-Offizielle, die Thompson die Botschaft überbracht hatte.

Korrektheit ist grundsätzlich gut, im Speziellen aber ist das Dilemma komplexer und nicht allein durch Tradition zu rechtfertigen: Wenn die stets Vorrang hätte, dürften in Augusta, wo am Donnerstag das Masters beginnt, noch heute keine Frauen Mitglied werden. Nun sind die Urteile von Zuschauern aber völlig beliebig: TV-Kameras halten nicht alle Profis im Bild fest, als Fan auf dem Platz lässt sich schwerlich jeder Schlag begutachten. Wenn die Einhaltung der Regeln neben der Sportsmanship auch zum Ziel hat, dass im Golf die Athleten alle unter den selben Voraussetzungen den Sport ausüben sollen, stiftet die Erlaubnis des Denunzierens von Dritten nur Ungleichheit. Streng genommen müsste jeder Schlag jedes Spielers nochmals einem Videobeweis unterzogen werden.

Nein, der Sport selbst muss den Rahmen des Wettkampfes abstecken und sollte sich nicht hinter der angestaubten, doch eindimensionalen Haltung "Regel ist Regel" verstecken. Längst geht es nicht mehr so lustig zu, wie Bubba Watson das Thema einst betrachtete: "Ich hab' keine Ahnung, wo die Leute eine Nummer zum Anrufen herkriegen", sagte der Profi mal, "und ich spiele das Turnier!"

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Golf
:Olympia-Golfklub in Tokio lässt Frauen nach peinlicher Debatte zu

Der Verein, der 2020 die olympischen Golfwettbewerbe ausrichtet, streicht einen uralten Passus in seinen Statuten.

Von Gerald Kleffmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: