Gladbach-Niederlage in Köln:Null Chance

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Nur bis zum Sechzehner: Die Borussia zeigt bei der 0:1-Niederlage in Köln abermals Offensivschwäche und bleibt auf dem letzten Tabellenplatz.

Fußball-Frage für Fortgeschrittene: Was haben Youssef Mokhtari, Hassan El Fakiri, Anthony Lurling und Milan Fukal gemein? Sie alle standen auf dem Rasen, als sich am 17. September 2005 ein seltenes Ereignis zutrug: Der 1. FC Köln gewann ein Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach. Lukas Podolski und Innenverteidiger Björn Schlicke (noch so ein Name für ein Günther-Jauch-Quiz) trafen damals beim 2:1. Seitdem versuchten sich die Kölner vergeblich gegen den ewigen rheinischen Rivalen, der seinerseits schon 22 Mal im Müngersdorfer Stadion triumphierte.

Selten schienen die Vorzeichen für das Ende der Negativserie so gut zu sein wie diesmal, Gladbach reiste mit fünf Pflichtspielniederlagen in Serie an. Trotzig bauten nicht wenige Borussen auf die Gesetze des Derbys. "Köln kommt gerade recht", behauptete Torwart Yann Sommer, aber sein Optimismus war unbegründet. Nach der 0:1-Niederlage ist Gladbach auch nach fünf Saisonspielen ohne Punkt - und damit bereits zehn Zähler hinter dem 1. FC Köln. "Momentan läuft bei uns nix zusammen", sagte Kapitän Tony Jantschke, "irgendwo fehlt immer etwas." Sein Trainer bemühte sich dagegen, das Positive zu sehen: "60 Prozent Ballbesitz ist nicht schlecht", sagte Lucien Favre. "Bis zum 16er haben wir gut gespielt", fand Mittelfeldspieler Granit Xhaka, "wir haben uns nur keine Torchance erspielt." Darauf konnte, ja musste man sich verständigen. Und damit hat Gladbach in den beiden vergangenen Liga-Spielen (inklusive des 0:3 gegen den HSV) rekordreife nullkommanull Chancen herausgespielt.

So wird man ein Derbyheld: Anthony Modeste (l.) köpft den 1. FC Köln zum Sieg gegen Borussia Mönchengladbach. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Das Schweigen der Fans findet Trainer Stöger "eigenartig"

Als Anthony Modeste in der fünften Minute von einem Fehlpass des Gladbachers Xhaka profitierte, Marcel Risse steil rechts schickte (dessen Schuss weit über das Tor flog), ließ sich das Derby vielversprechend an. Doch dann guckte der FC ziemlich passiv zu, wie Gladbach nach und nach etwas an Passsicherheit gewann. Und mit jeder Minute wurde es stiller in der Arena. Beide Fan-Zirkel demonstrierten gegen die restriktive Karten-Politik des DFB (als Folge der Ausschreitungen bei einem Derby in der Vorsaison). Die Gladbacher Ecke blieb weitgehend verwaist, es sah fast so aus, als wäre Hoffenheim oder Wolfsburg zu Gast. Und in der Kölner Südkurve hielt man sich zurück wie selten. FC-Trainer Peter Stöger nannte die Atmosphäre "eigenartig. Jeder ist selbst dafür verantwortlich, wie lustig er im Stadion ist".

Die Spieler trugen allerdings mit ihren Ungenauigkeiten ihren Teil an der merkwürdigen Stimmung bei. Wenn die Gastgeber das Spiel antrieben, deckte Gladbach einfach die Kreativen zu. So kam der staksige FC-Innenverteidiger Dominique Heintz zu vielen Ballkontakten; der 22-Jährige kann zwar feine harte Flachpässe nach außen weiterleiten, aber für die Spieleröffnung ist er nicht verpflichtet worden. Die Kölner Sechser Lehmann und Vogt blieben weitgehend wirkungslos, außer in der 18. Minute, als Lehmann den Kollegen Leonardo Bittencourt steil schickte, dem aber Gladbachs Yann Sommer rechtzeitig den Weg abschnitt. In der 34. Minute kam es zum typischen Kölner Offensivspielzug dieser jungen Saison: Abschlag Horn, Kopfballverlängerung Modeste, genau in den Lauf von Yuya Osako, für den der Winkel zum Torschuss freilich zu spitz wurde, weshalb Sommer kein Problem hatte zu parieren.

Modeste erzielt sein viertes Saisontor

Nach der Pause sah das Spiel der Gäste kurzzeitig zielstrebiger aus. "Da haben wir zwar keine Chance kreiert, aber das Spiel kreiert", sagte Lucien Favre in seinem klassischen Favre-Deutsch. Dennoch war auch da stets ein Haken oder ein Kölner Bein zu viel. Einfacher ist oft auch effektiver, das bewiesen die Kölner in der 64. Minute, als Bittencourt sich den Ball an der Seitenlinie ungehindert zurecht legen und vom linken Flügel mit rechts zum Tor hin flanken konnte. Am Fünfmeterraum fand er Anthony Modeste (Gladbachs Christensen war nah dran, aber nicht nah genug), der mit einer kleinen Kopfball-Verlängerung ins entfernte Eck traf. Es war bereits das vierte Saisontor des aus Hoffenheim gewechselten Franzosen, "der sich bei uns richtig wohl fühlt", wie Peter Stöger bemerkte. "Er bringt mit seinem Kopfballspiel eine andere Qualität bei uns ein."

Fast 30 Minuten waren danach noch zu spielen, aber das Ernüchternde aus Gladbacher Sicht war: Die Borussia brachte nichts Nennenswertes zustande. Einen langen Freistoß spitzelte Brouwers aus fünf Metern Richtung Kölner Tor. Aber erstens parierte Timo Horn; und zweitens war schon auf Abseits entschieden worden. Und wenn so eine Szene geschildert werden muss, weiß man, wie wenig Torgefahr von den Gästen ausging. Eine englische Woche mit Spielen gegen die ebenfalls tief unten stehenden Augsburger und Stuttgarter steht nun an, "da müssen wir irgendwie mit befreitem Kopf auftreten", forderte Xhaka. Wie das gehen soll? "Wir sind keine zwölf mehr, wir müssen selbst aus dem Loch herausfinden", sagte er mit einer Entschiedenheit, die auf dem Platz gefehlt hatte.

© SZ vom 20.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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