Gladbach - Ingolstadt:"Sie wollten nur Palaver"

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Gingen zu keiner Zeit pfleglich miteinander um: Der Gladbacher Granit Xhaka (links) stoppt unsanft den Ingolstädter Alfredo Morales, der seinen Gegner angeblich fortwährend mit Wortsalven attackierte. (Foto: imago/Eibner)

Aufsteiger Ingolstadt gelingt es beim 0:0, die zuvor sechsmal in Serie siegreiche Borussia aus Mönchengladbach mit lauteren und unlauteren Mitteln in den Wahnsinn zu treiben.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Der Fußballer Marvin Matip hat nichts dagegen, Spielverderber zu sein. Der Kapitän vom FC Ingolstadt sagt: "Es macht nicht immer Spaß gegen uns zu spielen - aber das muss es auch nicht." Vielen Bundesligisten hat der Aufsteiger schon die Laune verdorben. Zuletzt Borussia Mönchengladbach, dessen Spieler den Ingolstädtern Zerstörungswut mit unlauteren Mitteln vorwarfen. Matip blieb gelassen: "Ja, wir sind unangenehm, aber es ist nicht so, dass wir kloppen - wir machen einfach die Räume eng und stehen dicht beieinander." Wo es eng ist, bleiben Ball und Gegner halt häufiger hängen.

Der FC Ingolstadt ist die drittbeste Auswärtsmannschaft der Bundesliga. Sie hat in der Fremde nie mehr als ein Gegentor zugelassen, dreimal gewonnen, nur einmal verloren und zuletzt 1:1 bei Schalke und 0:0 in Mönchengladbach gespielt. Trotzdem müssen sich die Liga-Neulinge vorwerfen lassen, keinen Fußball spielen zu wollen, und destruktiv und provokant aufzutreten. "Das war kein Fußballspiel", sagte Gladbachs Manager Max Eberl. "Wir wollten Fußball spielen, aber sie wollten nur Palaver", sagte Verteidiger Alvaro Dominguez. "Die Ingolstädter haben am Rande des Erlaubten agiert", behauptete Stürmer Lars Stindl. Wie auch immer sie das geschafft haben: Die Ingolstädter haben die zuvor sechsmal nacheinander siegreichen Gladbacher in den Wahnsinn getrieben.

"Heute war es ein bisschen grenzwertig", gestand Mittelfeldspieler Brégerie

Wie immer standen die Ingolstädter hoch, ließen kaum Räume frei, verschoben leidenschaftlich und gewannen viele Zweikämpfe, weil sie häufiger den letzten Schritt gemacht haben vor den zögerlichen Gastgebern. Lehrbuchmäßig schalteten sie um, suchten nach Ballgewinnen den Abschluss und hatten die besseren Chancen. "So eine Leistung gegen einen Champions-League-Teilnehmer hätte ich meiner Mannschaft gar nicht zugetraut", sagte Trainer Ralph Hasenhüttl begeistert.

Doch Hasenhüttl schaute auch grantig, denn er sollte rechtfertigen, dass seine Fußballer mit verbalen Provokationen und leidvollem Theater das Spiel gestört haben sollen. "Man tut meinen Jungs unrecht, wenn man es so darlegt", sagte Hasenhüttl gereizt. "Ein bisschen Shit-Chat gehört dazu", fand allerdings grinsend Ingolstadts Verteidiger Tobias Levels. Trash-Talk heißt die zweifelhafte Kunst der Provokation im US-Sport. "Beim Fußball machst du alles, um zu gewinnen - und heute war es ein bisschen grenzwertig", gestand der Mittelfeldspieler Romain Brégerie.

Dessen Nebenmann Alfredo Morales hatte es von Beginn an darauf angelegt, den leicht reizbaren Gladbacher Granit Xhaka in Wallung zu bringen. Xhaka organisiert das Gladbacher Aufbauspiel, und wenn man ihn ablenkt, leidet das ganze Team. Xhaka ist binnen 19 Monaten nun schon viermal vorzeitig vom Spielfeld gegangen. Im April 2014 hat er in Bremen die gelb-rote Karte bekommen, im November 2014 gegen Frankfurt, im August wieder in Bremen und nun gegen Ingolstadt. Der neue Trainer Schubert hat Xhaka zum Anführer gemacht, weil der Schweizer emotional ist, extrovertiert und kommunikativ. Am Samstag im steten Duell mit Morales aber ist Xhaka die Leidenschaft zum Verhängnis geworden. Er hat sich auf verbale Scharmützel eingelassen und bei jeder Gelegenheit herumgemeckert - auch mit Schiedsrichter Marco Fritz. Nach einer gelben Karte wegen Meckerns (18.) und einer weiteren wegen eines Fouls (86.) musste er vom Platz. "Mir war früh klar, dass es darauf hinausläuft", sagte Schubert, "da muss er sich besser unter Kontrolle haben." Wenn die Saison in zwei Wochen weitergeht und die Ingolstädter im Aufsteiger- duell gegen Darmstadt endlich den zweiten Heimsieg landen wollen, muss Xhaka beim Gladbacher Heimspiel gegen Hannover zuschauen. Seine vier gelben Karten bleiben durch das jüngste Gelb-Rot bestehen, so dass die nächste Gelbe ihm wieder ein Spiel Sperre beschert, die dritte in der jungen Saison. Am Sonntagabend sagte Xhaka zudem sein Mitwirken bei den Länderspielen der Schweizer gegen die Slowakei (13.11.) und gegen Österreich (17.11.) "wegen diverser Blessuren" ab. Gladbachs Manager Eberl will in den nächsten Tagen derweil die Situation mit Interimstrainer Schubert klären. "Es wäre gut, wenn wir am Ende der Länderspiel- pause Klarheit hätten", sagt Eberl, und weil er auch betont, dass er mit keinem auswärtigen Trainer verhandelt, liegt die Lösung auf der Hand: Schubert wird vom Interims- zum Cheftrainer ernannt. Geklärt werden muss bloß, ob das bis zum Saisonende gilt oder darüber hinaus.

© SZ vom 09.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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