American Football in Deutschland:Ungewissheit im Schatten des Super Bowl

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Deutscher Meister im American Football: die Potsdam Royals mit dem Pokal. (Foto: Florian Wolf/Eibner/Imago)

Die etablierte German Football League ächzt unter neuer Konkurrenz - denn auch in der European League of Football spielen vor allem deutsche Klubs. Kann das lange gutgehen? Die Hoffnung liegt jetzt auch auf der neuen Führung des Verbands. 

Von Philip Kearney

Man stelle sich vor, der Super Bowl müsste kurzfristig umbenannt werden - und das Finale der National Football League (NFL) hieße plötzlich NFL-Bowl. Was in der US-Profiliga undenkbar erscheint, ist in der German Football League (GFL) tatsächlich passiert. Grund ist ein Rechtsstreit zwischen der aktuellen und der ehemaligen Führung des deutschen American-Football-Verbands AFVD.

Das ehemalige Präsidium hatte die Austragungsrechte am Finale um die deutsche Meisterschaft an das Unternehmen German Football Service übertragen, dem der damalige AFVD-Präsident Robert Huber bis heute als Geschäftsführer vorsteht. Laut der neuen AFVD-Führung war seinerzeit zunächst vereinbart worden, dass Hubers Unternehmen pro Finale 50 000 Euro an den AFVD ausschüttet. Doch vor dem Rücktritt des Präsidiums um Huber im November 2022 sei der Vertrag so geändert worden, dass der AFVD auf diese Garantiesumme verzichtet.

Die neue AFVD-Führung kündigte daraufhin die Verträge mit Hubers Unternehmen - diese seien unrechtmäßig geschlossen worden und würden den Verband weit in die Zukunft belasten. Huber wiederum klagte gegen diese Kündigung, er hält die Verträge für branchenüblich. Ein baldiges Ende des Rechtsstreits ist laut dem neuen AFVD-Präsidenten Fuad Merdanovic nicht in Sicht: "Vor Ende des Jahres wird es keinen neuen Gerichtstermin geben."

Die Schwäbisch Hall Unicorns und die Potsdam Royals standen sich nicht im German Bowl, sondern im GFL-Bowl gegenüber

Daher standen sich am vergangenen Samstag die Schwäbisch Hall Unicorns und die Potsdam Royals im Meisterschaftsendspiel nicht im German Bowl, sondern im GFL-Bowl gegenüber. Ob das Endspiel 2024 wieder seinen Originalnamen bekommt, weiß auch AFVD-Präsident Merdanovic nicht. Das sei abhängig vom Prozessverlauf: "Wir wollen die Marke zurückhaben und werden um sie kämpfen." Finanziell sei das von großer Bedeutung, sagt Merdanovic. "Solange wir als Verband keinen Zugriff auf die Einnahmen durch den German Bowl haben, sind wir gelähmt."

Wegen des Rechtsstreits wurde das Finale auch nicht, wie einst vom Präsidium um Huber vereinbart, im Fußballstadion der Frankfurter Eintracht ausgetragen, sondern im Essener Stadion an der Hafenstraße . Der Favorit aus Potsdam setzte sich gegen Schwäbisch Hall vor 9500 Zuschauen mit 34:7 durch.

Zum Vergleich: Zum Finale der European League of Football (ELF) im benachbarten Duisburg Ende September waren 31 500 Zuschauer gekommen. Die ELF ist eine semiprofessionelle europäische Football-Liga, die erst Ende 2020 gegründet wurde. Die GFL, früher Football-Bundesliga, gibt es hingegen schon seit 1979.

Die ELF umfasst derzeit 17 Mannschaften aus neun europäischen Ländern. Deutschland stellt mit sieben Teams die meisten aller Nationen. Die ELF ist in drei Divisionen unterteilt: West-, Mittel- und Osteuropa. Die bisherigen Meister heißen Frankfurt Galaxy, Vienna Vikings und Rhein Fire. Die GFL beheimatet aktuell 15 Teams. Diese verteilen sich auf zwei Gruppen: den Norden und den Süden Deutschlands. Rekordmeister sind mit 15 Titeln die New Yorker Lions Braunschweig. Den Süden dominieren seit Jahren die Schwäbisch Hall Unicorns.

Derzeit gibt es zwei Städte in Deutschland, in denen der Konkurrenzkampf zwischen GFL und ELF besonders groß ist: München und Berlin. Beide Städte haben sowohl ein GFL- als auch ein ELF-Team. In der GFL vertreten die Munich Cowboys die bayerische Landeshauptstadt, in der ELF die Munich Ravens. Die beiden Mannschaften nehmen sich gegenseitig nicht nur die Spieler aus München und der Region weg, sondern auch die Fans.

Zu dem Heimspielen der Munich Ravens kamen im Schnitt mehr als 5000 Fans

In der regulären Saison kamen 2023 im Schnitt etwa 4000 Zuschauer zu den ELF-Spielen, bei GFL-Spielen waren es rund 1500. Damit hat die ELF der GFL bereits nach drei Spielzeiten den Rang abgelaufen. Und das, obwohl auch die GFL ihren Zuschauerschnitt im Vergleich zum Vorjahr um rund fünfzehn Prozent steigern konnte.

Dass die ELF mehr Fans ins Stadion lockt als die GFL, hat für deren Vorstandsmitglied Axel Streich mit der NFL Europe zu tun, einem ehemaligen europäischen Ableger der NFL: "Die ELF hat in den Städten viele Zuschauer, die früher NFL-Europe-Standorte waren und wo von damals noch eine Fanbase existiert." Es gibt in der ELF aber auch Teams ohne NFL-Europe-Vergangenheit, die dennoch den Zuschauerschnitt anheben. Etwa die Munich Ravens, zu deren Heimspielen im Sportpark Unterhaching im Schnitt mehr als 5000 Fans kamen.

Mit Blick auf die niedrigeren Zuschauerzahlen der GFL verweist Streich zudem auf den geringeren Werbeetat: "Als Amateurliga können wir nicht den gleichen Medien- und Werbeaufwand betreiben wie eine Profiliga mit Investoren wie die ELF."

Konkurrenz in der Stadt: Der ELF-Klub Munich Ravens, hier in einem Ligaspiel gegen die Barcelona Dragons, nimmt dem GFL-Klub Munich Cowboys die Zuschauer weg. (Foto: Heike Feiner/Eibner/Imago)

Vor der abgelaufenen Saison sind erneut viele Spieler von der GFL in die ELF gewechselt - dort sind die Aufwandsentschädigungen höher. Ein besonders krasses Beispiel: der ELF-Verein Stuttgart Surge. Das Team war 2022 ohne Sieg geblieben und verpflichtete deshalb für die Saison 2023 den Trainerstab des damaligen GFL-Meisters aus Schwäbisch Hall. Daraufhin schloss sich eine zweistellige Zahl an Unicorns-Spielern im nahen Stuttgart den Surge an. Prompt schafften diese es bis ins ELF-Finale (das sie gegen Rhein Fire aus Düsseldorf verloren).

"Es gab auch schon den Fall, wo ein Spieler nicht zum Training aufgetaucht ist und am nächsten Tag in der ELF aufgelaufen ist", sagt Holger Fricke, Teammanager der New Yorker Lions Braunschweig aus der GFL. Da die ELF keinem Verband angehört, ist sie an keinerlei Wechselfristen gebunden. Damit ein solcher Aderlass nicht weiterhin sogar während der Spielzeiten möglich ist, gibt es Gespräche zwischen dem Verband und der ELF. "Es ist noch nichts beschlossen, aber ich denke, die Verhandlungen werden in Kürze zum Abschluss kommen", hofft Fuad Merdanovic.

Kompensationszahlungen an die Ausbildungsklubs? Dazu ist die ELF derzeit nicht bereit

Bei einem anderen Streitthema, nämlich möglichen Kompensationszahlungen, ist dagegen keine Einigung in Sicht. Derzeit erhalten die GFL-Vereine keine Gegenleistung, wenn ein Spieler, den sie ausgebildet haben, zu einem ELF-Team wechselt. "Im Moment ist die Bereitschaft bei der ELF nicht erkennbar, Kompensationszahlungen zu tätigen", sagt Axel Streich. Dabei sind es nur die GFL-Vereine, die sich in der Nachwuchsarbeit engagieren.

Dass die neue AFVD-Führung mit den Verantwortlichen der ELF spricht, hält Streich für richtig. Das alte Präsidium hatte diesen Dialog noch abgelehnt. Dass bei der GFL trotz aller Probleme so etwas wie Aufbruchstimmung herrscht, liegt vor allem am neuen Präsidium des Verbands.

Eine Zusammenarbeit zwischen GFL und ELF ist dennoch aktuell kein Thema. "Die Grundvoraussetzung dafür wäre, dass sich für unsere Vereine ein Vorteil ergibt", sagt GFL-Mann Streich: "Im Moment hat die Existenz der ELF nur Nachteile für uns." Merdanovic wiederum warnt davor, sich zu viel mit der ELF zu beschäftigen. Man habe im deutschen Football "genug zu tun, wir sollten uns nicht an der ELF abarbeiten", findet der AFVD-Präsident.

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