Es überrascht, dass Anton Gavel auf den Fotos vom Trainingslager glücklich aussieht. Man sieht, wie der Basketballer im Schwimmbecken auf Mallorca mit Dirk Nowitzki planscht. Oder an der Küste im Mittelmeer vom Boot springt und die Unterwasserwelt erkundet. Gavel lächelt dabei viel und herzlich. Zumindest nach außenhin. Innerlich muss es jedoch ganz anders ausgesehen haben beim Basketballer des FC Bayern München.
Gavel hat in den vergangenen Wochen viel gelitten, gehadert, er war auch ein bisschen wütend. "Das Zugucken bei den bisherigen Spielen war hart für mich", gibt er zu. Drei Wochen lang schon hatte sich der Aufbauspieler mit der deutschen Nationalmannschaft auf die Europameisterschaft (5. bis 20. September) vorbereitet, keine Einheit verpasst, meistens hat er in der Halle am Abend sogar als Letzter das Licht ausgeknipst und morgens als Erster wieder angemacht. Nur mitspielen durfte er nicht.
Bis Donnerstagabend.
Denn nun steht fest, dass der Weltverband Fiba dem 30-Jährigen die Spielerlaubnis erteilt hat. Zwar besitzt Anton Gavel seit zwei Jahren einen deutschen Pass und hat hier sein Abitur gemacht. Aber der gebürtige Slowake hatte schon für sein Heimatland Länderspiele bestritten, die letzten noch vor zwei Jahren. Doch ein Passus in den Statuten hat nun den Nationenwechsel ermöglicht.
Exklusiv
Auf Dirk Nowitzki warten bei der Basketball-EM Überraschungen. Im SZ-Interview spricht er über seine neue Rolle im Team, Basketball mit 37 und die Lust auf Spiele in Deutschland.
Die Ausnahmeregelung kommt ein bisschen staatstragend daher: "Wenn es im Interesse des Basketballs in diesem Land ist", steht da geschrieben, darf ein Spieler für ein zweites Land spielen, sofern es die Fiba erlaubt. Das hat sie nun getan - und Gavel ist glücklich. "Ich freue mich sehr darauf, für das Land, das mir so viel gegeben hat, auf dem Feld zu stehen." Er ist also bei der EM dabei.
Gavel ist kein Hoffnungsträger, keine Identifikationsfigur wie Dirk Nowitzki, der an diesem Freitag (21 Uhr) in Zagreb gegen Kroatien erstmals nach 1433 Tagen das deutsche Nationaltrikot überstreifen wird. Aber Gavel ist trotzdem enorm wichtig für die Mannschaft, die in den Gruppenspielen in Berlin die Finalrunde im französischen Lille erreichen und sich im besten Fall für die Olympischen Sommerspiele in Rio qualifizieren möchte. Gavel ist der beste deutsche Abwehrspieler, ein Besessener, der niemals aufgibt. "Tonno bringt uns Stabilität und Siegermentalität", lobt der deutsche Bundestrainer Chris Fleming: "Er weiß, wie man spielt - und, wie man gewinnt. Niemand arbeitet härter als er, er ist ein Riesenvorbild."
Fleming und Gavel kennen sich schon lange, der Amerikaner hatte ihn einst nach Bamberg geholt, gemeinsam haben sie sieben Titel gewonnen, darunter vier deutsche Meisterschaften. Gavel soll dem gegnerischen Spielmacher als penetranter und lästiger Störenfried die Lust am Basketball nehmen. Nowitzkis Aufgabe ist es dagegen, bei seiner Rückkehr die Mannschaft auf eine höhere Qualität zu heben.
Der 37-jährige Nowitzki von den Dallas Mavericks erreicht im fortgeschrittenen Alter nicht mehr die Dominanz früherer Tage, als er die Texaner zum NBA-Titel führte und Spiele fast im Alleingang gewann. Doch wenn der Würzburger körperlich ausgeruht ist, kann er ein Spiel in Europa noch immer entscheiden. Es wird aber mehr als früher auf seine Mitspieler ankommen. Dabei sollen ihn vor allem Gavel und der NBA erprobte Spielmacher Dennis Schröder unterstützen.
In Schröder, dem flinken und schnellen Spieler der Atlanta Hawks, ist Nowitzki ein Mitspieler erwachsen, den er für sein Spiel braucht. Er kann schnell den Ball vortragen, Nowitzki mit klugen Pässen in eine günstige Wurfposition bringen und selber punkten, in dem er in Höchstgeschwindigkeit zum Korb zieht. "Wir haben eine Menge guter Talente im Kader, mit denen es Spaß macht zusammenzuspielen", findet Nowitzki.
Er strahlt Enthusiasmus und Leadership aus
Auch Fleming hat viel Gefallen an seinem Team gefunden, das Center Tibor Pleiß als künftiger NBA-Profi bei den Utah Jazz noch verstärkt. Fleming verfügt mit Nowitzki, Gavel, Schröder und Pleiß über vier herausragende Spieler in der Anfangsformation, die ihm gleichzeitig auch viel Flexibilität ermöglichen. Die Angriffe müssen nicht mehr allein über Nowitzki abgeschlossen werden. Die deutsche Mannschaft wird unberechenbar. Doch Nowitzki wird die zentrale Figur bleiben. "Dirk hat gut trainiert und sofort gezeigt, dass er den Unterschied ausmachen kann", lobt Fleming: "Er strahlt Enthusiasmus und Leadership aus."
Und Nowitzki versteht Spaß, selbst dann, wenn die Witze auf seine Kosten gehen. In einem vom deutschen Basketball-Verband veröffentlichten Video machen sich seine sehr viel jüngeren Mitspieler lustig über ihn. "Wir sollten nicht zu viel erwarten", sagte Pleiß in dem Clip, "immerhin ist er der schon ... wie alt? 40?" Aufbauspieler Heiko Schaffartzik fügt hinzu: "Ich finde es nur fair, wenn wir ihn jetzt in dem Alter auch mal mit durchziehen." Auch Anton Gavel hat mitgelacht.