Fußballerinnen des VfL Wolfsburg:Raus aus der Klubvitrine

Lesezeit: 3 min

Keine Gnade: Der VfL Wolfsburg (hier mit Stürmerin Yuki Ogimi beim Champions- League-Aus gegen Paris) erfährt von der Konkurrenz heftige Gegenwehr. (Foto: Franck Fife/AFP)
  • In der Champions League sind sie rausgeflogen, mit der Meisterschaft wird es eng: Die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg könnten in kürzerster Zeit alle Titel verspielen.
  • Beim Pokalfinale gegen Potsdam stehen sie gehörig unter Druck.

Von Kathrin Steinbichler, Köln/München

Martina Müller hat sich die Sache lange überlegt, monatelang. Am Ende ist sie zum Ergebnis gekommen, "dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist", um die Karriere zu beenden. Als die Welt- und Europameisterin dies vor zwei Wochen kundtat, stand ihr Team, der VfL Wolfsburg, als Meister und Champions-League-Sieger noch aussichtsreich in allen drei Klubwettbewerben. "Ein Titel zum Abschluss wäre schön", meinte die 35-Jährige, die 2005 als Nationalspielerin zum damaligen Zweitligisten wechselte und mithalf, dass die VfL-Frauen inzwischen hochdekoriert sind und als einer der weltweit besten Klubs im Frauenfußball gelten. Doch die Aussichten haben sich geändert: Das DFB-Pokalfinale der Frauen am Freitag (17.15 Uhr/ARD) ist plötzlich nicht der Auftakt zweier Jubelwochen mit Pokalfinale, Bundesliga-Schlusstag und Champions-League-Endspiel, sondern womöglich die letzte Gelegenheit für Wolfsburg, eine Trophäe in die Luft zu stemmen. "Wir haben es selbst in der Hand", sagt VfL-Trainer Ralf Kellermann, "uns in dieser Saison noch zu belohnen." Doch das mit dem Belohnen, das hat in letzter Zeit nicht mehr gut geklappt beim VfL.

Am Sonntag im Stade Charléty in Paris standen vielen VfL-Spielerinnen nach dem Schlusspfiff Tränen in den Augen. Trotz eines furiosen 2:1-Siegs im Rückspiel bei Paris St. Germain verpasste Wolfsburg den Einzug ins Champions-League-Finale. Die verdiente 0:2-Niederlage aus dem Halbfinal-Hinspiel war gegen die kompakte, taktisch clever eingestimmte Mannschaft aus Paris eine zu große Hypothek.

Ausgerechnet Martina Müller, die Älteste, war es dann, die nach ihrer Einwechslung in Paris die Aufholjagd startete und Wolfsburg neuen Auftrieb gab. Müller traf, Müller legte vor, und am Ende war sie es auch, die die Richtung für die letzten zwei Saisonwochen vorgab. "Wir können uns jetzt nicht lange aufregen", meinte Müller, es gehe ja schließlich gleich weiter. Weiter mit dem Bemühen, die über Jahre aufgebaute Dominanz wenigstens national zu bewahren.

Diesen Dienstag schließlich musste Nadine Keßler, die seit Langem am Knie verletzte VfL-Kapitänin, in Berlin den Champions-League-Pokal aus der Hand geben, der die beiden Jahre zuvor die Wolfsburger Klubvitrine schmückte. Noch nie hat ein Verein es geschafft, nach zwei Champions-League-Titeln auch noch ein drittes Mal in Europa zu gewinnen, nun musste auch der VfL trotz seiner sehr stimmig und sehr bedacht zusammengestellten Mannschaft diesen Traum begraben - zu viele Ausfälle beuteln das Team.

Am 14. Mai sind es jetzt das stark aufgerüstete Paris und der routiniert aufspielende 1. FFC Frankfurt, die in Berlin um die höchste Klubtrophäe antreten. Wenige Tage zuvor, am 10. Mai, droht Wolfsburg am letzten Bundesliga-Spieltag dann allerdings auch noch seinen letzten Titel und im schlimmsten Fall sogar alle Saisonziele aus den Augen zu verlieren: Nur jeweils ein Punkt trennt Spitzenreiter Wolfsburg, Verfolger FC Bayern und den Tabellendritten aus Frankfurt, und nur die zwei ersten in der Tabelle qualifizieren sich für den einzigen internationalen Klubwettbewerb der Frauen, die finanziell lukrative Champions League.

Der Spielplan will es so, dass Wolfsburg am letzten Spieltag beim 1. FFC Frankfurt im direkten Duell um Meisterschaft und Europa-Wettbewerb kämpft. Nur der Sieger kann sich sicher sein, auch nächste Saison international anzutreten. Sollte Wolfsburg verlieren, würde Frankfurt vorbeiziehen. Und sollte Wolfsburg unentschieden spielen, würde der FC Bayern mit einem Heimsieg gegen Essen als Meister feststehen - und Wolfsburg in dieser Saison gänzlich leer ausgehen.

Für die nächste Saison holt der VfL zwei Routiniers aus Lyon

Angesichts dieser Situation blicken sie in Wolfsburg recht zwiegespalten auf das Pokalfinale gegen Potsdam. Für das Renommée wäre der Pokaltitel wichtig. Noch wichtiger wäre, dass die von Verletzungen geschwächte VfL-Mannschaft wieder zu ihrem dynamischen Offensivspiel findet, mit dem sie in den Vorjahren die Gegner dominierte, und für das der Mannschaft derzeit die Sicherheit im Mittelfeld fehlt. Angesichts der auf unbestimmte Zeit verletzten Keßler und der zuletzt öfter verletzten Lena Goeßling hat der VfL sich nach Alternativen umgesehen. Von Olympique Lyon kommen im Sommer die erfahrenen Nationalspielerinnen Lara Dickenmann (Schweiz) und Élise Bussaglia (Frankreich) zum VfL. Kurzfristig aber muss Wolfsburg noch mit alten Kräften sein Revier verteidigen.

Finalgegner Potsdam will auf die Wolfsburger Nöte verständlicherweise keine Rücksicht nehmen, er will sich selbst einen schönen Abschied bereiten. Trainer Bernd Schröder, mit 70 ein Urgestein seiner Zunft, hat angekündigt, im nächsten Jahr von allen Aufgaben zurückzutreten. Mit der Meisterschaft hat Potsdam in dieser Saison nichts mehr zu tun, ein Pokalerfolg gegen Wolfsburg ist auch für Turbine die vorerst letzte Titelchance. "Wir sind mal wieder an der Reihe", glaubt Kapitänin Jennifer Zietz. Der Respekt vor Wolfsburg ist geschwunden.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: