Fußball:WM-Urteile: Kritik an FIFA-Disziplinarkommission

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Rio de Janeiro (dpa) - WM-Ausschluss für Luis Suárez - Freispruch ohne jede Ermittlung für Mamadou Sakho und Olivier Giroud. Die Urteile der FIFA-Disziplinarkommission provozieren bei der Fußball-WM Kritik und Unverständnis.

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Rio de Janeiro (dpa) - WM-Ausschluss für Luis Suárez - Freispruch ohne jede Ermittlung für Mamadou Sakho und Olivier Giroud. Die Urteile der FIFA-Disziplinarkommission provozieren bei der Fußball-WM Kritik und Unverständnis.

Antworten auf die Fragen der Weltpresse bleibt der Fußball-Weltverband vorerst schuldig. Denn Kommentare zu der Arbeit des Gremiums unter der Leitung des Schweizer Ex-Profis Claudio Sulser macht die FIFA unter Berufung auf die Unabhängigkeit der Kommission nicht. Verkündet werden nur die Entscheidungen oder die angewendeten Paragrafen - ohne Begründung oder Einschätzung.

So bleibt in Brasilien vieles im Vagen. Am gleichen Tag, als Uruguays Luis Suárez für seine Bissattacke gegen den Italiener Giorgio Chiellini für neun Pflichtländerspiele gesperrt und für vier Monate von allen Fußball-Aktivitäten ausgeschlossen wurde, lehnten die FIFA-Richter ein Verfahren gegen Sakho trotz dessen offensichtlichen Ellenbogenschlags gegen Oswaldo Minto aus Ecuador ab.

Auch Sakhos Teamkollege Olivier Giroud wurde trotz einiger rüder Attacken bislang nicht nachträglich belangt. Die Vergehen waren alle von den Schiedsrichtern nicht bemerkt worden, könnten von der Disziplinarkommission also laut Artikel 77.a des Disziplinarcodes nachträglich sanktioniert werden. Und selbst wenn die Referees Tritte oder Schläge bemerkten und nicht sanktionierten, könnten die Fußball-Richter unter Berufung auf Artikel 77.b einschreiten.

Am vergangenen Montag hatte FIFA-Chefarzt Jiri Dvorak bei dem FIFA-Briefing zu medizinischen Fachfragen erläutert, dass Ellenbogenattacken das schlimmste Vergehen auf dem Fußballplatz seien und seit der obligatorischen Bestrafung mit einer Roten Karte stark zurückgegangen seien. Der Professor - nach eigener Aussage Leibarzt von FIFA-Boss Joseph Blatter und für dessen gute Fitness im Alter von 78 Jahren verantwortlich - findet beim Weltverband intern aber offenbar wenig Gehör.

Ohne Konsequenz blieben bei der WM bislang auch diverse Fan-Vergehen rassistischer oder sexistischer Art, die die FIFA laut ihres Präsidenten Blatter mit einer Null-Toleranz-Politik bestrafen will. Der mexikanische Verband wurde von der Disziplinarkommission freigesprochen, nachdem Fans im Spiel gegen Kamerun den gegnerischen Torwart bei jedem Abschlag als „Puto“ (Stricher) verunglimpft hatten. Die Rufe waren dann auch in weiteren Spielen der Mexikaner zu hören.

Gegen die Verbände aus Russland und Kroatien wurden erst gar keine Verfahren eröffnet, obwohl die Fanorganisation FARE den Weltverband auf rassistische Fahnen der Fans beider Länder - die schon bei der EM von der UEFA sanktioniert worden waren - hingewiesen hatte.

Der Verweis auf die Unabhängigkeit der Disziplinarkommission wirkt wie ein Feigenblatt, denn selbstverständlich sind die insgesamt 21 Mitglieder indirekt in die FIFA-Funktionärsriege integriert und auch von ihr abhängig, werden sie doch vom FIFA-Kongress ernannt. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter - derzeit Kia Tong Lim aus Singapur - sind die einzigen Mitglieder, die laut Artikel 61.3. der FIFA-Statuten juristische Expertise haben müssen.

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