Fußball-WM-Qualifikation:Der Weg nach Westen

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Die Früchte einer starken EM: Immer mehr russische Nationalspieler wechseln zu europäischen Spitzenklubs - und müssen dabei gegen ein großes Vorurteil ankämpfen.

Johannes Aumüller

Vor kurzem wurde Igor Akinfejew mal wieder mit einem europäischen Spitzenklub in Verbindung gebracht. Der FC Arsenal soll Interesse an dem russischen Nationaltorwart von ZSKA Moskau haben und bereit sein, rund 15 Millionen Euro für den 23-Jährigen zu zahlen. Auf der Liste der angeblich um Akinfejew werbenden Klubs sind die Londoner damit in bester Gesellschaft, auch Manchester United, Manchester City oder der AC Mailand stehen drauf. Ob das neueste Arsenal-Gerücht nun stimmt oder nicht: Es gilt als sicher, dass der oft als würdiger Nachfolger von Lew Jaschin und Rinat Dassajew bezeichnete Schlussmann trotz eines bis Dezember 2011 gültigen Vertrages im kommenden Jahr nach Westeuropa wechselt.

Andrej Arschawin zählt bei seinem neuen Klub Arsenal zu den Leistungsträgern. (Foto: Foto: AFP)

Damit läge Akinfejew voll im Trend. Immer mehr russische Auswahlspieler verlassen die Premjer-Liga, um im Ausland ihre Karriere fortzusetzen. Noch bei der überzeugenden Europameisterschaft 2008 bestand die Sbornaja zu einem Großteil aus Spielern, die bei Klubs in Moskau, St. Petersburg oder Kasan unter Vertrag standen, der damalige Nürnberger Ivan Sajenko, der mittlerweile für Spartak Moskau spielt, war der einzige Legionär.

Inzwischen aber kann sich Nationaltrainer Guus Hiddink auch Spiele anderer europäischer Ligen ansehen, um seine Auswahlspieler zu beobachten: Roman Pawljutschenko wechselte unmittelbar nach der Europameisterschaft zu den Tottenham Hotspurs, Andrej Arschawin ging Anfang des Jahres zu Arsenal London, und im Sommer verließen Pawel Pogrebnjak (VfB Stuttgart), Jurij Schirkow (FC Chelsea) und Dinijar Biljaletdinow (FC Everton) die russische Liga. Am Mittwoch im Qualifikationsspiel gegen Wales (20.45 Uhr), bei dem Russland an Tabellenführer Deutschland dranbleiben will, könnte dieses Quintett geschlossen zum Einsatz kommen.

Nationaltrainer Hiddink freut sich über die Entwicklung: "In Russland müssen die Spieler nicht regelmäßig auf höchsten Niveau agieren, das ist in England anders", sagt der Niederländer. Er weiß aber auch, dass mehr Spieler im Ausland nicht gleichbedeutend mit mehr Erfolgen sind. Vor rund einem Jahrzehnt gab es bereits eine Phase, in der vor allem Legionäre den Kader der Sbornaja bildeten.

Im Aufgebot der Weltmeisterschaft 1994 standen zwölf Spieler, die ihr Geld im Ausland verdienten, darunter die vier damaligen Bundesliga-Profis Stanislaw Tschertschessow, Sergej Gorlukowitsch, Alexander Borodjuk und Wladimir Bestschastnych. Bei der EM-Endrunde 1996 waren es neun, unter anderem der Karlsruher Angreifer Sergej Kirjakow, ebenso viele bei der WM 2002. Große Erfolge aber blieben aus, stattdessen gab es bei fast jedem großen Turnier rund um die russische Elf Skandale.

Nach der WM 2002 sank die Zahl der im Ausland unter Vertrag stehenden russischen Nationalspieler nicht von ungefähr. Zu dieser Zeit begann sich die heimische Liga zu professionalisieren, mehr Geld in die Hand zu nehmen und international konkurrenzfähiger zu werden. Entsprechend blieben die stärksten Spieler auch in Russland. Alsbald galten viele als zu bequem, um den Sprung nach Westeuropa zu wagen und sich dort gegen stärkere Konkurrenz durchzubeißen. Zumal sich in der heimischen Premjer-Liga gut Geld verdienen lässt. Doch die jüngsten Transfers zeigen, dass ein gewisses Umdenken eingesetzt hat. "Russische Klubs zahlen immer noch sehr hohe Gehälter", sagt ein Spielerberater, der mehrere der ins Ausland gewechselten Akteure betreut. "Aber viele Spieler wollen nun neue Ziele erreichen."

Wenn die Sbornaja-Kicker nun für Arsenal, Chelsea oder Stuttgart auflaufen, um diese neuen Ziele zu erfüllen, müssen sie zugleich gegen ein großes Vorurteil ankämpfen: Es gibt viele Beobachter, die russischen Spielern aufgrund ihres Charakters nicht zutrauen, in der Fremde zu reüssieren - was unter anderem der bei Arsenal überzeugend auftretende Andrej Arschawin widerlegt.

Doch die These kommt nicht von ungefähr, wie das Beispiel von Alexander Kerschakow zeigt. 2007 wechselte der Angreifer von Zenit St. Petersburg zum FC Sevilla, und in der Zeit in Spanien verspielte er seinen Stammplatz in der Nationalmannschaft. Selbst ein Transfer zu Dynamo Moskau Anfang 2008 rettete ihm die Teilnahme an der EM nicht mehr. Mittlerweile ist er nach konstanten Leistungen im Trikot des früheren Geheimdienstklubs aber wieder eine feste Größe bei Hiddink.

Bei Roman Pawljutschenko lassen sich schon Parallelen zu diesem Fall erkennen. Seit seinem Wechsel zu Tottenham vor einem Jahr konnte er sich noch nicht durchsetzen. Lediglich 17 Spiele absolvierte er seitdem für die Spurs, erzielte gerade mal drei Treffer. Eine Rückkehr zu Spartak auf Leihbasis ist schon wieder im Gespräch. Der Weg nach Westen kann manchmal sehr schwierig sein. Vielleicht sollte sich Torwarttalent Akinfejew das mit dem Wechsel in eine europäische Spitzenliga noch einmal überlegen.

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