Fußball-WM 2018 und 2022:Fifa geht in die Offensive

Lesezeit: 3 min

  • Fifa-Chef Joseph Blatter und der Kammer-Vorsitzende der Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes, der Münchner Richter Hans-Joachim Eckert, gehen in die Offensive.
  • Der Weltverband reicht in der Schweiz Strafanzeige ein.
  • Es soll im Zuge der WM-Vergaben nach Russland und Katar zu "internationalen Verschiebungen von Vermögenswerten" gekommen sein.

"Mögliches Fehlverhalten von Einzelpersonen"

Der Skandal um die WM-Vergabe an Russland und Katar zieht weitere Kreise: Der Fußball-Weltverband Fifa geht nun in die Offensive und hat Strafanzeige bei einem Gericht in Bern gestellt. "Gegenstand der Anzeige bildet mögliches Fehlverhalten von Einzelpersonen", wie es in einer Mitteilung des Verbands heißt. Es "scheint insbesondere der Verdacht zu bestehen, dass in einzelnen Fällen internationale Verschiebungen von Vermögenswerten mit Berührungspunkten zur Schweiz stattgefunden haben, die einer Abklärung durch die Strafverfolgungsbehörden bedürfen".

Der Strafantrag wurde von der Fifa auf Empfehlung von Hans-Joachim Eckert gestellt, dem zuletzt international harsch kritisierten Vorsitzenden der Rechtssprechenden Kammer der Fifa-Ethikkommission. Gegen wen sich der Antrag konkret richtet, ist allerdings unklar.

"Im Rahmen meiner Analyse des Berichts des Vorsitzenden und Vizevorsitzenden der Untersuchungskammer der Fifa-Ethikkommission bin ich auf Anhaltspunkte gestoßen, die möglicherweise Verdachtsmomente für strafbares Verhalten mit Bezug zur Schweiz darstellen könnten", erklärt Eckert in einem Interview auf Fifa.com. Er wehrt sich darin gegen den Vorwurf, die unter starkem Korruptionsverdacht stehenden Vergaben der beiden Weltmeisterschaften "reingewaschen" zu haben.

Vergabe "als Ganzes" steht nicht zur Debatte

Eckert war zuletzt erheblich in Bedrängnis geraten, nachdem er in seiner 42-seitigen Zusammenfassung des Ermittlungsberichts zu dem Schluss gekommen war, der Vergabeprozess der Fifa sei nicht generell zu beanstanden gewesen. Die Fifa und die Ausrichterländer nahmen das als Zeichen, dass sie von allen Vorwürfen freigesprochen seien und nun die Vorbereitungen fortführen könnten. Kurz darauf protestierte der US-Ermittler Michael Garcia allerdings scharf gegen Eckerts Interpretation und kündigte Berufung an.

Nun erklärt Eckert, seiner Ansicht nach habe es auf Basis des Garcia-Berichts "keine hinreichend sicheren Beweise für rechts- oder regelwidrige Vorgänge, die geeignet waren, die Integrität des Vergabeprozesses als Ganzes in Frage zu stellen", gegeben. Er stellt also weiterhin die Vergabe an Russland und Katar nicht grundsätzlich infrage. Er berichtet dafür, dass es Anhaltspunkte für Fehlverhalten einzelner Personen gebe. Auf das zielt nun die Strafanzeige der Fifa. Es gebe "in einzelnen Zusammenhängen Hinweise auf potenziell regel- oder rechtswidrige Vorgänge", führte Eckert aus.

Besonders die Rolle der 22 wahlberechtigten Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees bei der Abstimmung im Dezember 2010 könnte auf dem Prüfstand stehen. Wieso der Umstand, dass es offenbar Fehlverhalten einzelner Beteiligter gebe, nicht auch die Wahl an sich infrage stellt, bleibt unklar.

Eckert trifft Garcia

Fifa-Chef Joseph Blatter erklärte in einem Interview auf der Homepage des Weltverbandes: "Wenn wir etwas zu verbergen hätten, würden wir uns hüten, ausgerechnet die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Die Fifa-internen Gremien haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten getan, was sie konnten, und arbeiten weiter daran."

In die Affäre war schon vor der brisanten Mitteilung aus Zürich Bewegung gekommen. Am Donnerstag wird sich Eckert mit Michael Garcia zu einem geheimen Spitzengespräch treffen. Die Zusammenkunft des deutschen Richters mit dem Top-Ermittler aus den USA wurde am Dienstag vom Fußball-Weltverband bestätigt. Ort und Zeit des Treffens wurden nicht bekannt.

Unterdessen hat sich in Uefa-Präsident Michel Platini ein weiterer Top-Funktionär für eine Veröffentlichung des sogenannten Garcia-Berichts ausgesprochen, auf dessen Grundlage Eckert sein Urteil fällte. "Präsident Michel Platini hat erneut seine Unterstützung für die vollständige Veröffentlichung des Garcia-Berichts bestätigt, wenn Vertraulichkeitsregeln nicht verletzt werden", twitterte Uefa-Medienchef Pedro Pinto.

Blatter: keine Veröffentlichung des Garcia-Berichts

Diesem Begehr erteilte Blatter eine Absage. "Veröffentlicht die Fifa diesen Bericht, verletzt sie ihr eigenes Verbandsrecht und auch staatliches Recht", sagte der Schweizer. "Dies können wir natürlich nicht tun."

Besonders kritisch wurde in den Medien die Belobigung von Chef Blatter durch Eckert kommentiert. Auch die Darstellung, die offensichtlich korrupten Aktivitäten des Katarers Mohamed bin Hammam hätten nichts mit der WM-Kandidatur des Emirats zu tun, stießen auf Unverständnis. Zudem hatten sich zwei frühere Mitarbeiterinnen der Bewerbungskomitees aus Katar und Australien zu Wort gemeldet, die sich als Kronzeuginnen Garcias durch den Eckert-Bericht diskreditiert fühlen.

In den USA ermittelt das FBI verstärkt in der Fifa-Causa. Auch in England werden mögliche Untersuchungen durch Parlamentarier vorangetrieben. Als wichtigste staatliche Instanz wird nun die Schweizerische Bundesanwaltschaft in Bern die Affäre beleuchten. Der frühere Chef des englischen Fußball-Verbandes David Bernstein hatte zum WM-Boykott durch die europäischen Teams aufgerufen, sollte sich die Fifa nicht reformieren. Ligaverbandspräsident und DFB-Vizechef Reinhard Rauball hatte sogar einen Austritt der Uefa aus der Fifa zu einer Option erklärt.

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