Fußball:Wie mir der Fußball den Weg aus der Unbeweglichkeit zeigte

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Ottobrunn, Juni '86: Die C-Jugend des SV Pullach vor ihrem Spiel um die Meisterschaft gegen den SV Taufkirchen. Der Autor hockt als Dritter von links in der vorderen Reihe. (Foto: privat)

Unser Autor war ein Pummelchen ohne Selbstvertrauen - dann kam der Jugendfußball. Über die eigentliche Bedeutung dieses Sports.

Von Thomas Hahn

Nächste Woche beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Millionen von Deutschen werden jeden Tag im grünen Schimmer des Bildschirms sitzen, sie werden bangen, sie werden jubeln, sie werden schimpfen. Fußball ist eine Kultur, eine Tradition, und auf den Bühnen der Europameisterschaft zeigen die besten Spieler Europas, welche Geschichten diese Kultur des Spiels hervorbringen kann.

Allerdings zeigt eine Europameisterschaft nicht die ganze Bedeutung des Spiels. Von seiner wahren Größe lenkt sie vielleicht sogar ab. Der Profifußball ist nicht mehr arglos. Er ist ein Geschäft, ein Zirkus mit Milliarden-Umsätzen und einer doppelbödigen Moral. Wenn man die eigentliche Bedeutung des Fußballs kennen lernen will, muss man von diesem höchsten Niveau viele Ligen hinabsteigen. Tief hinunter in den Amateurfußball, zu den Plätzen, die kaum einer kennt: in die Jugendabteilungen der Vereine. Dort, wo ehrenamtliche Übungsleiter ihre Freizeit opfern, um mäßig begabten Kindern das Spiel näher zu bringen, dort entfaltet der Fußball seine besondere Kraft. Dort wird er zu einer Erfahrung, die auf freundliche Art Lektionen fürs Leben erteilt. Dort treibt er frechen Kerlen die Flausen aus und prägt sie für immer.

Ich war ein Pummelchen ohne Selbstvertrauen, ehe der Fußball kam und mir den Weg aus der Unbeweglichkeit zeigte. Wenn die anderen in der Klasse kickten, lief der Ball immer an mir vorbei. Es kam mir vor, als fehlte mir der Schlüssel zu einer Welt, zu der die anderen Jungs wie selbstverständlich Zugang hatten. Eines Tages nahm mich der Trainer zur Seite. Er sagte etwas zu mir, das noch nie jemand außerhalb der Familie zu mir gesagt hatte. Er sagte, dass ich gebraucht würde. Und auf einmal ging es nicht nur ums Mitspielen. Es ergab Sinn, sich anzustrengen.

Ich bin dann keine besonders helle Leuchte geworden im Fußball, kein Profi, nicht einmal ein neuntklassiger Amateur. Aber immerhin war ich Linksverteidiger zweier Meister-Jugendmannschaften beim SV Pullach, Stammspieler beim Trainer Pittmann und ein Junge mit Auftrag, der verstand, dass man mit Einsatz die eine oder andere Schwäche wettmachen kann. Eine Heldengeschichte ist das nicht. Eher das kleine Beispiel, das davon erzählt, welch nachhaltige Erziehungsarbeit die ehrenamtlichen Übungsleiter in den vielen kleinen Vereinen des Landes leisten. Und das klar macht, wie wertvoll dieses Spiel wirklich ist, das die ganze Zeit im Fernsehen kommt.

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