Fußball:Sorgen und Nöte der Amateure

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Guter Vorschlag: Vereine, die nicht spielen wollen, rücken lediglich um eine Liga nach unten – das hat BFV-Präsident Rainer Koch durchgesetzt. (Foto: Andreas Gora/dpa)

Rund 800 Vereine aus Bayern haben nach der Freigabe des Spielbetriebs zu verstehen gegeben, dass sie lieber doch nicht auf den Platz zurückkehren wollen. Zu groß ist die Skepsis angesichts der Corona-Entwicklung.

Von Christian Bernhard

Im bayerischen Amateurfußball hat die Entscheidung der Staatsregierung, vom 19. September an wieder Ligaspiele mit bis zu 400 Zuschauern zuzulassen, vielerorts für Freude und Erleichterung gesorgt. Rund 80 Prozent der teilnehmenden Vereine hatten sich zuvor in einer Umfrage des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) für eine zeitnahe Spielbetriebs-Wiederaufnahme ausgesprochen. Eine klare Mehrheit. Rund 800 Vereine gaben bei der Umfrage aber auch zu verstehen, dass sie dieses Jahr lieber nicht mehr spielen wollen. Um diese Vereine "müssen wir uns jetzt intensiv kümmern", sagt BFV-Präsident Rainer Koch. Er will ihre "Sorgen und Nöte ernst nehmen".

Der TSV Tutzing hat solche. Sie sind so groß, dass sich der Verein seit Tagen Gedanken darüber macht, ob er seine in der A-Klasse spielende Herren-Mannschaft vom Spielbetrieb zurückzuziehen soll. Fußball-Abteilungsleiter Philipp Simon, der die Wiederaufnahme ob der aktuellen Corona-Entwicklungen kritisch beäugt, will mit den anderen Verantwortlichen, inklusive Jugendleitung, dieser Tage eine Entscheidung fällen. Im Moment sieht er zwei Möglichkeiten für den TSV: Den Rückzug oder das Zusammenstellen einer Mannschaft für die noch fehlenden Spiele im Herbst, um sich "irgendwie in die Winterpause zu retten".

Sollten sich die Tutzinger für einen Rückzug entscheiden, würden sie nicht wie eigentlich üblich in die unterste Spielklasse versetzt, sondern nur eine Liga tiefer wieder eingegliedert werden. Diese Abweichung der bisherigen Regelung bestätigte Koch. "Das ist aus unserer Sicht für diese Problematik ein sehr gutes Konsensangebot", sagte er, mehr sei aber nicht möglich. Den "selbstgewählten Abstieg" müssten die Vereine in Kauf nehmen. Fußballer von sich vom Wettbewerb abmeldenden Vereinen, die woanders weiter spielen wollen, müssten wohl bis zur Winterpause warten, wenn das Winterwechselfenster öffnet. Das Sommerfenster ist mittlerweile schon geschlossen und laut BFV wird es für solche Fälle auch keine Ausnahme geben.

Der TSV Bogen hatte bereits Stellung bezogen, bevor das Ergebnis der BFV-Umfrage präsentiert wurde. Der niederbayerische Landesligist teilte am vergangenen Sonntag mit, dass er den Spiel- und Trainingsbetrieb bis auf Weiteres einstellen werde, er hätte gerne erst im Frühjahr 2021 wieder gespielt. "Wir sehen die Wiederaufnahme des Spielbetriebs sehr kritisch. Jeden Tag kommen neue Hiobsbotschaften zu Corona und wir sind ja beim Fußball in keiner Blase. Anders als die Formel 1 ist es eine Kontaktsportart", sagt Präsident Franz Hilmer nun. Zuvor hatte das Bogener Präsidium das "Salami-Taktik"-Hinhalten der bayerischen Politik kritisiert. Ein "Schnellschuss" in Sachen Neustart würde dem Fußball eher schaden. Es schien, als ob der TSV einen Rückzug anstreben würde. Doch zu diesem kam es nicht. "Wir müssen spielen", sagt Hilmer, "sonst steigen wir ab." Der BFV habe so lange Druck auf die Politik gemacht, bis die nicht mehr Stand gehalten habe: "Man muss sich fragen, ob es das alles wert ist, wenn in zwei Wochen alles im Chaos endet." Bogen droht als Tabellen-15. der sportliche Abstieg. In Niederbayern waren die Bedenken gegen einen zeitnahe Wiederaufnahme des Wettkampfbetriebes am größten. Im BFV-Kreis Niederbayern Ost sprachen sich 33 Prozent der Klubs, sprich jeder dritte Verein, dagegen aus.

Der SV Neukirchen beim Heiligen Blut, so wie Bogen in der Landesliga Bayern Mitte angesiedelt, musste jüngst den kompletten Trainings- und Spielbetrieb im ganzen Verein wegen mehrerer Corona-Fälle in der Mannschaft einstellen. Liga-Konkurrent TSV Seebach entschied sich, auf Testspiele auf der heimischen Anlage zu verzichten, weil die Umsetzung der Hygiene-Richtlinien problematisch ist. Der 1. FC Bad Kötzting absolvierte vorübergehend keine Testspiele, um die Gesundheit der Spieler und Trainer zu schützen. Am anstehenden Wochenende wird der Klub aus der Landesliga Bayern Mitte aber doch eines bestreiten, um sich auf den Neustart am 19. September vorzubereiten. "Was bleibt einem auch übrig", sagt der Sportlicher Leiter Uwe Wölke, "die Entscheidung ist gefallen". Der Verein hätte die Herren-Mannschaft zurückgezogen, wenn von Spielerseite darauf gepocht worden wäre. Das war nicht der Fall.

Die Bedenken aber sind geblieben. Natürlich habe er Bauchschmerzen mit der Wiederaufnahme, sagt Wölke. Ihm gefällt nicht, dass das vorherrschende Thema der Diskussion die Zulassung der Zuschauer ist, und nicht die Gefahr für Spieler, sich auf dem Platz womöglich mit dem Virus zu infizieren. Eine solche Situation wäre mit Blick auf den Berufsalltag der Fußballer und potenzielle Quarantäne-Folgen "nicht mehr lustig". BFV-Präsident Koch baut jedenfalls schon einmal vor. "Wir werden damit leben müssen", sagte er, "dass einzelne Spiele nicht stattfinden können oder gar ausfallen"

© SZ vom 11.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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