Fußball:Sneijders neue Rolle: Laufen statt zaubern

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Rio de Janeiro (dpa) - Vom Edeltechniker zum Dauerläufer - Wesley Sneijder findet sich bei der WM in einer völlig neuen Rolle wieder. Stand der niederländische Spielmacher früher für exquisite Pässe und technische Raffinesse, besticht er nun durch eine ungewohnte Fähigkeit: Laufen, laufen, laufen.

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Rio de Janeiro (dpa) - Vom Edeltechniker zum Dauerläufer - Wesley Sneijder findet sich bei der WM in einer völlig neuen Rolle wieder. Stand der niederländische Spielmacher früher für exquisite Pässe und technische Raffinesse, besticht er nun durch eine ungewohnte Fähigkeit: Laufen, laufen, laufen.

Im zuvorderst auf Sicherung bedachten System von Bondscoach Louis van Gaal muss auch Sneijder vor allem Defensivaufgaben verrichten. Die beiden Stürmerstars Arjen Robben und Robin van Persie sieht der 30-Jährige oft nur aus der Ferne - so groß ist die Lücke zwischen dem Angriffsduo und dem Rest der Elftal.

„Anfangs musste ich mich erst ein wenig an die neue Aufgabe gewöhnen“, gestand Sneijder. „Aber inzwischen bin ich sehr zufrieden. Ich tue alles, was der Trainer von mit verlangt.“ Dabei war das Verhältnis zwischen van Gaal und Sneijder nicht immer frei von Spannungen. Weil der anspruchsvolle Coach mit der Einstellung und Fitness seines Spielmachers nicht zufrieden war, setzte er den nur 1,71 Meter großen Filigrantechniker als Kapitän ab. Selbst Sneijders WM-Teilnahme stand auf der Kippe, nachdem er zeitweise nicht einmal mehr für Länderspiele nominiert worden war.

Doch statt sich beleidigt zurückzuziehen, weckte van Gaals harter Kurs den Kampfgeist in Sneijder. „Wenn ich ehrlich bin, hat die Tatsache, dass ich nicht mehr berufen wurde, mich zum Nachdenken gebracht“, gestand der Mittelfeldspieler von Galatasaray Istanbul. „Daraus habe ich schon einige Lehren gezogen.“

Um wieder in Form zu kommen, wählte der Ex-Profi von Real Madrid und Inter Mailand eine ungewöhnliche Form des Trainings. Mit Kickboxen arbeitete Sneijder an seinem körperlichen Zustand. „Meine Augen wurden dadurch geöffnet“, sagte der Champions-League-Sieger von 2010. Mit dem türkisch-niederländischen Kickboxer Gökhan Saki schuftete Sneijder Stunde um Stunde für sein Comeback im Oranje-Team. „Das war echt super und hat auch noch Spaß gemacht“, sagte der Regisseur. „Für die Explosivität ist es fantastisch. Ich habe schon nach ein paar Einheiten gemerkt, dass es wirkt.“

Erster Lohn für die Schinderei: Mit Galatasaray gewann Sneijder den türkischen Pokal, erzielte im Finale sogar den Siegtreffer. An seiner WM-Nominierung gab es fortan keine Zweifel mehr. „Wesley ist in einem sehr guten Zustand“, lobte van Gaal den geborenen Utrechter. „Er ist sehr wichtig für diese Mannschaft“, ergänzte Robben.

Beim 5:1 gegen Spanien zum WM-Auftakt absolvierte Sneijder sein 100. Länderspiel im orangenen Trikot. Beim 2:1 im Achtelfinale gegen Mexiko wurde er mit seinem 15. Einsatz zum WM-Rekordspieler seines Landes. „Das sind schöne Meilensteine“, sagte Sneijder.

Meister in den Niederlanden, Spanien, Italien und der Türkei ist er bereits, 2010 führte er die Elftal in Südafrika bis ins Finale. Doch die Krönung auf der großen WM-Bühne blieb ihm verwehrt. „Das war der bitterste Moment meiner Laufbahn“, erinnerte sich Sneijder.

Mit der neuen Spielweise hat er seinen Anteil am bisher unerwartet starken Auftreten der Niederländer bei dieser WM. Zwar kommt Sneijder noch nicht ganz so zur Geltung wie in seinen besten Zeiten. Mit dem Ausgleichstreffer gegen Mexiko ebnete er seinem Team aber den Weg zum späteren Happy End. Nun wartet in Costa Rica eine weitere Herausforderung. „Wir müssen sehr fokussiert sein, das werden wir auch“, versprach der Türkei-Legionär. Luft für weitere Dauerläufe im Mittelfeld hat er jedenfalls: „Ich bin so fit wie nie.“

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