Fußball:Sanfter Funktionärs-Koloss Johansson wird 85

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Berlin (dpa) - Gestützt auf seinen Gehstock stand Lennart Johansson in der Lobby eines Nobelhotels von Sao Paulo und machte seinem Unmut Luft. "Ich glaube, es ist Zeit dafür", forderte der Schwede im Juni kurz vor dem FIFA-Kongress den Rückzug von Joseph Blatter als Chef des Fußball-Weltverbandes.

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Berlin (dpa) - Gestützt auf seinen Gehstock stand Lennart Johansson in der Lobby eines Nobelhotels von Sao Paulo und machte seinem Unmut Luft. „Ich glaube, es ist Zeit dafür“, forderte der Schwede im Juni kurz vor dem FIFA-Kongress den Rückzug von Joseph Blatter als Chef des Fußball-Weltverbandes.

Als UEFA-Ehrenpräsident war Johansson bei einer Sitzung der europäischen Nationalverbände kurz vor dem WM-Anpfiff in der brasilianischen Metropole zugegen. Die Anzahl der ihn umringenden Journalisten aus aller Welt machte deutlich: Das Wort des sanften Kolosses hat mehr als sieben Jahre nach seinem unfreiwilligen Ende als aktiver Führungsspieler der Funktionärswelt noch Gewicht.

Am Mittwoch wird Johansson 85 Jahre alt und auch die Glückwünsche aus der DFB-Zentrale verraten viel über den Charakter des Hobby-Anglers aus Solna. „Lennart Johansson ist ein großartiger Mensch und Gentleman, gradlinig, ehrlich, ein echter Freund“, sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Der Dank aus Deutschland hängt eng mit dem Einsatz des Schweden für das Sommermärchen zusammen. „Ohne ihn hätte es keine WM 2006 in Deutschland gegeben“, sagte DFB-Ex-Chef Theo Zwanziger.

Johanssons Juni-Aufforderung an Blatter, war eine Mischung aus Kalkül und innerer Überzeugung - ein energischer Ratschlag, im sicheren Bewusstsein, dass ihn der Adressat ohnehin ignoriert. Mit dem Schweizer hat er aber seinen persönlichen Frieden geschlossen. Obwohl ihm dieser eine von zwei bitteren Niederlagen zufügte. 1998 setzte sich Blatter in einer skandalumwitterten Wahl zum FIFA-Boss gegen Johansson durch. Dass Stimmen gekauft wurden, behaupten mittlerweile sogar trotz anhaltenden Widerspruchs aus Zürich ehemalige Blatter-Gefolgsleute.

Die zweite Schlappe setzte es für Johansson im Januar 2007, als er als erster amtierender UEFA-Präsident eine Kampfabstimmung um den kontinentalen Führungsposten gegen Michel Platini verlor. Der Franzose - 1998 ein Strippenzieher für Blatter - hatte mehr Machtinstinkt und holte sich viele kleine Verbände ins Boot. Johanssons Hilfe durch die großen Verbände wie dem DFB, war ohne Wert - zumal sich damals auch beim deutschen Verband der Eindruck festsetzte, dass Johanssons Zeit vorbei war.

Über die Wahlniederlagen werden Johanssons Verdienste oft vergessen. In seiner Regentschaft von 1990 bis 2007 entwickelte sich die UEFA zum reichsten Kontinentalverband - die Champions League wurde als Geldmaschine mit sportlich hoher Attraktivität etabliert. Und doch verkörperte der 1,92 große Skandinavier einen ungewöhnlichen Typus. „Ich habe mich immer fair verhalten, habe nie jemanden angelogen und enttäuscht. Das ist meine persönliche Note“, beschrieb Johansson rund um den emotionalen Kongress in Düsseldorf 2007 seinen für die Fußball-Welt untypischen Führungsstil.

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