Fußball:"Geh nicht, Lio"

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Die Argentinier entdecken ihre Liebe zum von der Copa América frustrierten Lionel Messi. Doch kommt die Wendung zu spät?

Von Peter Burghardt, Buenos Aires/München

No te vayas Lio. Geh nicht, Lio. Die Bitte leuchtete in Buenos Aires auf elektronischen Verkehrsschildern und am Eingang zur Metro. Der Hashtag mischt das Netz auf. Nur notorisch quengelnde Argentinier wollen, dass Lionel Messi tatsächlich ihre Nationalelf verlässt. Das hatte er am Sonntag im Frust nach der Finalniederlage bei der Copa América gegen Chile verkündet, zwei Tage nach seinem 29. Geburtstag. Seitdem versuchen Millionen Landsleute, ihren weltbesten Fußballspieler umzustimmen. Argentinien überschüttet den möglicherweise endgültig verlorenen Sohn plötzlich mit einer Liebe, wie er sie so oft vermisst hatte.

Es meldete sich der hölzerne Staatschef Mauricio Macri, vormals Präsident des Klubs Boca Juniors. Das Wort erhob sogar der Mann, dessen Erbe für Messi tonnenschwer wiegt: Diego Maradona. Zuletzt soll das unberechenbare Idol gestänkert haben, Messi sei ein guter Typ, aber ihm fehle Persönlichkeit, um auf dem Platz der Anführer zu sein. Jetzt flötet derselbe Maradona, Messi müsse in der Auswahl bleiben - "er ist noch lange nicht am Ende, weil er in der Form nach Russland kommen kann, um Weltmeister zu werden."

Zum zweiten Mal Weltmeister war Argentinien zuletzt mit Maradona geworden, vor 30 Jahren in Mexiko. Seinem kongenialen Nachfolger dagegen entgingen die großen Trophäen im Auftrag des Vaterlandes bisher, wenn man von einem Titel mit der argentinischen U 20 und einem Olympiasieg absieht. Dabei trägt Messi längst wie einst Maradona die Nummer 10 und am Arm die Kapitänsbinde. Das 0:1 im WM-Endspiel 2014 in Rio gegen die Deutschen war eine weitere Enttäuschung gewesen, nun folgte der nächste Flop. Einer zu viel?

Kritiker werfen es La Pulga, dem Floh, immer wieder vor, dass er mit dem FC Barcelona Pokale sammelt und mit Argentinien an der Erwartungen hängen bleibt. Nach seinem mutmaßlichen Rücktritt dagegen ahnen selbst viele Miesmacher, dass es ohne den Rekordschützen 2018 in Moskau erst recht nichts werden dürfte. Noch dazu erhob der vermeintlich so stille Messi kürzlich seine Stimme gegen die chaotisch-korrupte Verbandsführung. Ohne seine nationalen Dienste wäre die argentinische Dreifaltigkeit aus Papst Franziskus, dem göttlichen Maradona und Messias Messi jedenfalls unvollständig. "Messi, wenn du im Himmel spielst, werde ich sterben, um dich zu sehen", stand auf einem Plakat. Oder: "Messi, wir verdienen dich nicht, aber bleib ", das war der beste Spruch. Lionel Messi sollte sich die Sache doch noch mal überlegen.

© SZ vom 29.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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