Fußball:Europas Leiden in Südamerika - 1:5 zur Halbzeit

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Rio de Janeiro (dpa) - Joachim Löw hat es vorher gewusst und mehrfach eindringlich gewarnt, zumindest seine eigene Brasilien-Reisegruppe. "Wer sich den Bedingungen in Brasilien nicht anpasst, hat schon verloren", sagte der Bundestrainer lange vor der WM im Land des Rekordchampions.

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Rio de Janeiro (dpa) - Joachim Löw hat es vorher gewusst und mehrfach eindringlich gewarnt, zumindest seine eigene Brasilien-Reisegruppe. „Wer sich den Bedingungen in Brasilien nicht anpasst, hat schon verloren“, sagte der Bundestrainer lange vor der WM im Land des Rekordchampions.

Ähnlich klare Worte von Englands Krisen-Coach Roy Hodgson oder dem gestürzten Weltmeister-Trainer Spaniens, Vicente del Bosque, sind hierzulande nicht überliefert. Doch nun ist es ohnehin zu spät. Die stolzen Fußball-Nationen hadern und grübeln, wie es zu ihrem WM-Desaster am Zuckerhut kommen konnte.

Der Südamerika-Fluch hat ausgerechnet die europäischen Nationalteams hart getroffen, die für sich reklamieren, mit der Premier League und der Primera Division die besten Ligen der Welt zu repräsentieren. Und Italien muss vor dem letzten Duell gegen Uruguay nach der Blamage gegen Costa Rica (0:1) auch noch mächtig zittern. Neun der letzten zehn Champions-League-Titel gingen nach England, Spanien oder Italien.

Die Kader der WM-Versager aus Spanien und England sind gespickt mit Akteuren aus den heimischen Top-Ligen - einzige Ausnahmen sind Spaniens Münchner Javier Martinez und Englands Ersatztorwart Fraser Forster von Celtic Glasgow. „Eil-Meldung: Die Premier League startet in 57 Tagen“, twitterte die englische Zeitung „The Sun“, in einer Mischung aus Trost und Zynismus am Tag des K.o. der Three Lions in Brasilien. Die Sehnsucht nach dem Ligenbetrieb scheint nach den traurigen Tagen südlich des Äquators groß zu sein.

Der Kolumnist des „Guardian“, Daniel Taylor, kommentierte voller Sarkasmus: „England war die Mannschaft, die wie Spanien spielen wollte, letztlich haben sie es geschafft.“ Ob der stete Niedergang Englands und der steile Absturz Spaniens letztlich durch die für Europäer historisch immer schwierigen WM-Bedingungen in Südamerika beschleunigt wurden, ist nicht schlussendlich zu belegen.

Fakt ist, dass die Teams vom ökonomisch mit Abstand erfolgreichsten Fußball-Kontinent bei einer WM in Südamerika wieder einmal Probleme haben - zumindest im direkten Vergleich mit den Teams der Gastgeber-Konföderation. 1:5 lautet die direkte Bilanz nach gut der Hälfte der Gruppenphase. Nur die Schweiz schaffte ein Last-Minute-2:1 gegen Ecuador. Das Aus von Spanien und England wurde durch Niederlagen gegen Chile (0:2) und Uruguay (1:2) besiegelt.

Nicht nur gegen Mannschaften aus Südamerika läuft nicht alles rund. Nur fünf von 13 Partien gegen Teams anderer Konföderationen konnten die Europäer insgesamt gewinnen. Dabei geht auch nicht alles schief für Europas Top-Teams. Die rauschenden Siege wurden aber allesamt in inner-kontinentalen Duellen erzielt. Deutschlands 4:0 gegen Portugal passt in das Muster von Frankreichs 5:2 gegen die Schweiz oder dem 5:1 der Niederlande, das Spaniens Desaster dramatisch einläutete. Nicht auszuschließen, dass eine dieser Mannschaften als erste aus Europa in Südamerika den WM-Titel holen kann.

Die WM in Brasilien ist aber auch ein Indiz, wie sehr die Fußball-Welt zusammengerückt ist. Plötzlich trumpfen die No-Names aus Costa Rica, Chile oder Kolumbien auf, in denen fast nur Randfiguren der europäischen Glamourligen spielen. Costa Ricas Siegtorschütze gegen Italien, Bryan Ruiz, wurde beim FC Fulham einst aussortiert und zum PSV Eindhoven transferiert - mit seinem Tor schickte er England endgültig nach Hause.

Im Mutterland des Fußballs wird nun wieder über die Ursachen diskutiert. Zu viele Ausländer in der Premier League werden reflexartig als Grund genannt. „Es gibt nicht mehr so viele englische Spieler in der Premier League oder sogar in der 2. Liga wie früher. Die Auswahl ist gering, aber das ist, womit wir zurechtkommen müssen und ich glaube nicht, dass das der Grund für das ist, was hier passiert ist“ sagte Englands Verbandschef Greg Dyke.

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