Fußball-EM:Fanzone in Paris - für 90 Minuten ein fröhlicher Ort

Lesezeit: 3 min

Französische Fans auf dem Champs de Mars. (Foto: Alain Jocard/AFP)

Wer auf die Fanparty am Champs de Mars möchte, muss einen gewaltigen Sicherheitsriegel überwinden. Dahinter findet tatsächlich eine Fußballparty statt - mit sehr teurem Bier.

Reportage von Thomas Hummel, Paris

Dass hinter der größten Fanzone Frankreichs bei dieser Europameisterschaft die ehrwürdige École militaire steht, kann kein Zufall sein. Wenn es sein muss, dann kommt eben die Kavallerie herausgeritten, um das Böse dieser Welt Richtung Orbit zu schicken. Bis dahin allerdings müssen die französische Polizei und private Sicherheitsleute die Dinge alleine regeln.

Doch was heißt schon alleine. 90 Minuten vor Beginn des Eröffnungsspiels zwischen den Gastgebern und Rumänien geht eine junge Frau die Avenue de la Bourdonnais entlang, an deren Ende steht sie plötzlich vor zehn Polizisten. Beamte in Schusswesten, mit Knüppel, Pfefferspraydosen und Pistolen ausgerüstet, überwachen einen kleinen Nebeneingang, der hinter fünf Kastenwagen der Gendarmerie kaum zu erkennen ist. Die Frau bleibt stehen, lacht unsicher, "ich würde gerne zur U-Bahn". Fünf Arme zeigen nach links, da entlang. Dahinter kommt ein Mann, er sucht die Fanzone: "Da müssen Sie hier durch, Tasche auf, Arme auseinander."

Unter den Fans sind Schweden, Kroaten, Deutsche, Albaner, Briten

Das war der Anfang. Es müssen hunderte Polizisten sein, die rund um die 30 Fußballfelder große Fanzone am Champs de Mars vor dem Eiffelturm die Menschen kontrollieren. Es folgt die eigentliche Einlasskontrolle. Mitarbeiter der privaten Securité haben rote, gelbe und weinrote Hemden an. Es dürften Sicherheitsleute verschiedener Firmen sein, denn die Veranstalter taten sich einigermaßen schwer, überhaupt jemanden zu finden, der hier aufpassen will. Zu unsicher, zu gefährlich. Bei den Anschlägen am 13. November wurden einige Kollegen am Stade de France von den Bomben der Selbstmörder schwer verletzt.

Eröffnung der Fußball-EM
:Es geht um Sport, echt jetzt!

Bunte Cancantänzer, der König des Kirmestechno und die glänzendste Glatze der Welt: Bei der Eröffnungsfeier der EM feiert Frankreich sich selbst - nur um Fußball geht es kaum.

Von Jonas Beckenkamp

Dabei kann eine Fanzone eine feine Sache sein. Die Menschen kommen zusammen, sie nutzen die kollektiven Gefühlswallungen zur gemeinsamen Feier und lernen sich in einem auseinanderfallenden Kontinent neu kennen. Zum Auftakt der EM scheint halb Europa auf die Wiesen vor dem Eiffelturm zu pilgern. Unter den 41 bis 45 000 (so die Schätzung der französischen Polizei), die sich auf insgesamt acht Leinwänden den Sieg der Franzosen ansehen, sind Schweden, Deutsche, Kroaten, Albaner, Briten. Einer trägt die Aufschrift "Amsterdam" auf dem T-Shirt. Eine Abordnung Rumänen feuert ihre Mannschaft an, am Ende wird sie traurig am Rande des allgemeinen Jubelgeschreis stehen.

Während der 90 Spielminuten ist die Fanzone tatsächlich ein fröhlicher Ort. Damit hat ja schon keiner mehr gerechnet, denn für viele war sie bislang vor allem ein Ort des Ärgers. Zum Beispiel für die Anwohner. Sie erhielten von der Stadt viel zu spät Informationen darüber, welche Straßen nun gesperrt sind, wo man noch parken darf und mit welcher Lärmbelästigung zu rechnen ist. Fast das gesamte 7. Arrondissement ist betroffen und hier wohnen nur wenige, die sich für Fußball interessieren.

Auch die Politik stritt über die Fanzonen. Die Konservativen sprachen von einer "Art von Einladung für IS-Angriffe", die Polizei riet dazu, die Sache abzublasen. Zuletzt machte das Video einer Ernstfall-Übung aus Lyon die Runde in den Medien, als ein Terroranschlag imitiert wurde. Von Giftgas-Anschlägen war die Rede und allerhand Schauergeschichten mehr. Die Gegner der Fanzonen kannten allerdings nicht die Verträge mit dem Europäischen Fußball-Verband, die solche Zonen für jede Gastgeberstadt vorschreiben. Denn es geht ja hier nicht nur ums friedliche Fußballschauen, sondern vor allem um die Präsentation der exklusiven Uefa-Sponsoren. Im Grunde ist es eine riesige PR- und Konsumveranstaltung.

Hinter dem Absperrgitter mit den Dutzenden Sicherheitsleuten öffnet sich eine eigene Welt. Werbung dröhnt aus den Lautsprechern, ein halber Liter dänisches Bier kostet 6,50 Euro, zu bezahlen mit einer aufladbaren Karte. Im Official Superstore gibt es EM-Souvenirs und Trikots, original und sündteuer versteht sich. Auf dem Preisschild eines von Zinédine Zidane signierten und eingerahmten Trikots stehen 770 Euro. Daneben hängt eines von Cristiano Ronaldo, tatsächlich 130 Euro billiger. Ob CR7 das weiß?

Am Ausgang des Superstores steht ein Sicherheitsmann - "Tasche öffnen!" Nicht nur Terroristen, auch Diebe sollen dingfest gemacht werden.

Pressestimmen zum EM-Auftaktspiel
:"Les Bleus waren enttäuschend"

Frankreichs Zeitungen kritisieren die Leistung ihrer Équipe zum EM-Auftakt - nur einen Spieler loben sie hymnisch. Die Pressestimmen.

Dann trifft Payet in den Winkel - und 70 000 schreien

Die ganze Geschäftemacherei hält die Menschen am Freitag immerhin nicht von der guten Laune ab. Es gibt ja auch nette Einlagen wie ein Tischfußball-Zelt und ein Haus, in dem die Leute von sich selbst ein Panini-Bild anfertigen können. Vielleicht erinnern sie sich auch an die bunten Schilder an den Laternen vor der École militaire, auf denen steht in Großbuchstaben: "Yesss!", "OK!", "NO!", "YEA!" und "OUH!" Das mit dem "GOAAAAAL!" können sie erst nach der Pause beherzigen.

Dann trifft Dimitri Payet in den Winkel, der Schrei vom Champs de Mars ist bis zum Mars zu hören, kurz darauf der Schlusspfiff. Nun müssen Sicherheitsleute und Polizei dafür sorgen, dass die 45 000 das Feld wieder unversehrt verlassen. Sie erwarten die Gäste an der Avenue de la Bourdonnais. "Avancer, avancer" - Weitergehen, weitergehen - rufen sie und blicken dabei grimmig, als wollten sie sagen: Hinunter mit euch in die U-Bahn und weg. Irgendwann in dieser Nacht haben es dann alle überstanden. Die erste Nacht der EM 2016 in Frankreich.

© SZ.de/hum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

EM-Spiele im Video
:Die Highlights des Spiels Schweiz gegen Albanien

Die besten Szenen des knappen 1:0-Sieges der Schweiz gegen Albanien. Wir präsentieren Ihnen die Höhepunkte, verlinkt aus der ZDF-Mediathek.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: