Fußball-Bundesliga:Prophezeite Freistoßkunst

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Vier direkt erzielte Freistoßtore und fünf Vorlagen, zwei davon ebenfalls durch Freistöße, eine per Eckball, zwei bei Flanken: Markus Suttner. (Foto: Michaela Rehle/Reuters)

Der erstaunliche Höhenflug des FC Ingolstadt hat viel mit dem linken Fuß von Markus Suttner zu tun - auch durch seine Stärke bei Standards steht nun sogar die direkte Versetzung in Aussicht.

Von Maik Rosner

Über Markus Suttner gibt es eine höhnische und erfundene Geschichte, die vor allem deshalb erwähnenswert ist, weil sie sich gerade ins Gegenteil verkehrt. Anfang Oktober 2016 war diese krude Geschichte aufgeschrieben worden. Sie erzählt von Angstzuständen, die den Waliser Gareth Bale vor dem WM-Qualifikationsspiel in Österreich wegen des Linksverteidigers des FC Ingolstadt plagten. Von Bales Mutter, die stolz Familienfotos von Weihnachten 2015 zeigt, auf denen ihr Sohn an einem Eierlikör nippt, eingehüllt in Markus-Suttner-Bettwäsche. Und von Bales Lebensgefährtin Emma Rhys-Jones, die sauer auf den Österreicher ist, weil ihr Gareth "unsere erste Tochter Markus nennen wollte". Abbringen davon konnte sie ihn nur mit dem Versprechen, dass die Flitterwochen in Ingolstadt verbracht werden und die Frank-Stronach-Akademie von Austria Wien aufgesucht wird.

Jener Ort also, an dem Suttners Karriere wahrheitsgemäß ihren Anfang nahm und wo er 14 Jahre kickte, ehe er 2015 für gerade einmal 700 000 Euro Ablöse zum FCI überlief und sich bis Juni 2018 band.

"Wenn sich Sutti den Ball hinlegt, habe ich schon den Glauben, dass es gleich einschlägt", sagt Matip

Die Geschichte des österreichischen Satireportals Der Sportprophet stimmt seit dem 3:2 des FC Ingolstadt gegen Darmstadt vom vergangenen Sonntag nun doch, jedenfalls ein bisschen. Zwar nicht in Zusammenhang mit Bale, dafür aber für die Abstiegskonkurrenten des FCI in der Bundesliga. Mit seinem direkt verwandelten Freistoß in der 72. Minute hatte Suttner den dritten Sieg der Ingolstädter in Serie herbeigeführt, wodurch aus zehn Punkten Rückstand binnen einer Woche nur noch einer auf Augsburg und Mainz geworden ist. Am kommenden Samstag könnten die Ingolstädter mit einem weiteren Sieg beim ebenfalls abstiegsbedrohten VfL Wolfsburg bestenfalls sogar an allen drei Konkurrenten vorbeiziehen. Statt Platz 17 und einer eigentlich schon hoffnungslosen Lage wie in den Vorwochen steht plötzlich sogar die direkte Versetzung in Aussicht.

Zu tun hat das tatsächlich viel mit Markus Suttner. Mit seinem vierten direkt erzielten Freistoßtor hat er sich in dieser Disziplin zum erfolgreichsten Schützen dieser Bundesligasaison aufgeschwungen. Hinzu kommen fünf Vorlagen, zwei davon ebenfalls durch Freistöße, eine per Eckball und zwei mittels Flanken. Insgesamt 17 der 31 Tore des FC Ingolstadt fielen nach Standards, mehr als die Hälfte, der Höchstwert in der Liga. Sieben Mal war Suttner direkt beteiligt. "Wenn sich Sutti nur den Ball hinlegt, habe ich schon den Glauben, dass es gleich einschlägt", sagt Kapitän Marvin Matip über den Kollegen, zumal dieser vorm Darmstadt-Spiel "im Training von 25 Versuchen bestimmt 19 genau so im Tor versenkt" habe. Und Trainer Maik Walpurgis lobt: "Er hat mit dem linken Fuß einen unglaublich guten Schlag, weiß genau, wie er den Ball zu treffen hat und dabei genau das richtige Timing. Deshalb gehört Markus für mich auf jeden Fall zu den besten Freistoßschützen der Liga."

Dass Suttner diese Qualität überhaupt regelmäßig nachweisen kann, darf auch Walpurgis zugeschrieben werden. Am Bundesliga-Aufstieg 2015 hatte Pascal Groß mit sieben Toren und 23 Vorlagen, vor allem nach Standards, maßgeblichen Anteil. Und auch danach blieb Groß erster Kandidat für ruhende Bälle. Erst, nachdem Walpurgis die Mannschaft im November übernahm, konnte sich Suttner zum hauptamtlichen Standardschützen entwickeln. Drei Wochen später traf er bei Werder Bremen erstmals in der deutschen Bundesliga mit einem direkt verwandelten Freistoß.

Wenn es nun in den verbleibenden sechs Spielen so weitergehen sollte wie zuletzt, könnte es vielleicht tatsächlich so kommen, dass am Saisonende auf seinen linken Fuß mit Eierlikör angestoßen wird und der FCI Markus-Suttner-Bettwäsche im Fanshop anbietet. Ein Starschnitt-Poster von dem 29-Jährigen gab es vor dem Spiel gegen Darmstadt schon im Vereinsheft, was im Nachhinein ähnlich prophetisch wirkt wie die Bale-Satire. Äußerst erstaunlich ist diese Entwicklung dennoch. Denn Suttner hat das Toreschießen in der deutschen Bundesliga überhaupt erst in dieser Saison für sich entdeckt. Nach, noch so eine kleine Geschichte, seiner zweiten Fraktur des Mittelfußes, die er sich in der Vorsaison gegen Darmstadt zugezogen hatte. Beide Male war immerhin nur sein schwächerer rechter Fuß betroffen.

Suttner hat seinen erstaunlichen Höhenflug und den des FC Ingolstadt vor allem mit Genugtuung aufgenommen. "Vor einer Woche haben uns alle abgeschrieben. Das hat uns noch mehr motiviert, das ist das Schönste", sagte er und ergänzte, wenngleich noch nichts erreicht sei: "Ich fühle mich nicht als Absteiger."

Schon bald nach seinem Wechsel zum FCI hat Suttner zudem einmal erzählt, wie wohl er sich auf seiner zweiten Profistation fühle, wenngleich "ein paar Ösi-Witze halt immer mit dabei sind". Aber das kommt ja sogar in seinem Heimatland vor. Lachen kann er derzeit besser als die Abstiegskonkurrenten.

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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