Fußball-Bundesliga:Liverpool ist längst weit weg

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Der Abstiegskampf als bayerisches Kontrastprogramm: Während Ingolstadt aus einer plötzlichen Siegesserie Energie zieht, fahndet Augsburg nach verlorener Zweikampf-Stärke.

Von Sebastian Fischer

Der FC Augsburg sollte im Frühjahr 2017 strahlen. Stolz hatte der Klub im Herbst den Bau einer neuen Stadionfassade verkündet, eine, die in den Vereinsfarben leuchtet. Doch weil es im Winter zu kalt war, verzögerte sich die Arbeit, gerade wird erst der Beton gestrichen. In Augsburg leuchtet also nichts. Es würde auch nicht passen zu einem Bundesligisten auf Rang 16, dem der Abstieg droht.

Der Augsburger Manuel Baum, 37, ist einer der jüngsten Trainer der Bundesliga, doch in Berlin sah er am Sonntagabend nicht gerade jugendlich frisch aus, als er das 0:2 gegen Hertha BSC zu erklären versuchte, Augsburgs 13. Saisonniederlage und die bereits sechste in der Rückrunde. Während des Spiels hatte er wild fuchtelnd versucht, seine Spieler anzutreiben. Doch gegen Ende saß er still auf der Bank; es sah so aus, als würde er auf den Fingernägeln kauen. Seine Spieler wollten keine Zweikämpfe bestreiten, was im Fußball nun mal elementar wichtig ist. Sie verloren verdient und gaben das auch zu. "Du musst den Willen haben, das besser zu machen", sagte Mittelfeldspieler Daniel Baier, "den haben wir nicht". Normalerweise geben sich Fußballer mehr Mühe, nicht resignativ zu klingen. Doch die Mängel sind offensichtlich, es ist müßig, sie zu verschleiern.

Am Montag wurde in Augsburg nicht trainiert, sondern nur hinter verschlossenen Türen gesprochen. Alles wie immer, hieß es dazu aus dem Verein, doch natürlich sind sie sich beim FCA inzwischen der Situation bewusst. Manager Stefan Reuter sagte am Sonntag, er gehe davon aus, dass Baum auch am Samstag gegen Köln Augsburgs Trainer sei. Er werde klare Forderungen an die Spieler formulieren, erklärte er.

Wer verstehen will, was in Augsburg gerade schiefläuft, findet Antworten dort, wo zurzeit überraschend viel funktioniert. Während die Augsburger die vergangenen drei Spiele verloren, gewann der FC Ingolstadt dreimal. Die Oberbayern, im Kampf um den Klassenverbleib bereits abgeschrieben gewesen, sind bis auf einen Punkt an den FCA herangerückt. Ihr Trainer, der Westfale Maik Walpurgis, hat kürzlich jede Partie zum Endspiel erklärt und seine Spieler derart motiviert, dass sie wieder rennen wie in der erfolgreichen Vorsaison. Dazu lässt er simplen Fußball spielen, viele Tore fallen nach Standards, beim 3:2 gegen Darmstadt am Sonntag traf Verteidiger Markus Suttner bereits zum vierten Mal mit einem direkten Freistoß.

Folgt das Team den Ideen von Trainer Baum? Manager Reuter sagt: "Er macht die Spieler heiß."

Was Baums Plan ist, das war an der Umsetzung in Berlin indes nicht zu erkennen.

Der Realschullehrer ist ein versierter Fußballfachmann, der das schöne Spiel verehrt und mit modernen Interpretationen kokettiert. In Unterhaching, wo seine Trainerkarriere begann, erklärte er Spielzüge gerne während der Partie mit einem Tablet und hielt Power-Point-Vorträge über Spielkonzepte. Er wurde Chef des Nachwuchsleistungszentrums in Augsburg und arbeitete als Taktik-Experte für Sky. Als Reuter im Dezember Dirk Schuster entließ, fiel seine Wahl auch deshalb auf Baum, weil sich der Manager einen radikalen Gegenentwurf zu Schusters hauruckartigem Defensivfußball wünschte.

Die Ergebniskrise sei keine Frage der Taktik, hat Baum am Sonntag gesagt, nachdem er die mit 26 Gegentoren schwächste Abwehr der Rückrunde von einer Dreier- zur Viererkette ummodelliert hatte. Er verwies auf Verletzungspech, den kurzfristigen Ausfall von Raúl Bobadilla zum Beispiel, sicher eine Erklärung für die harmlose Offensive. Vor allem sagte Baum sichtlich verärgert, er werde an elementaren Dingen arbeiten, am Zweikampfverhalten. Doch er gab zu, dass er dies bereits in den vergangenen Tagen angesprochen hatte. Augenscheinlich ergebnislos.

Es gehört auch zum Lebenslauf des Trainers Baum, dass ihn in Unterhaching Spieler nicht verstanden und er gehen musste, bevor der Klub in die vierte Liga abstieg. Reuter musste deshalb beantworten, ob Baum das Team motivieren könne. Er sagte: "Der Trainer macht die Spieler heiß."

Am Sonntag hat sich auch der Mann zur Situation geäußert, der von seinem Arbeitsplatz aus die beste Sicht auf Augsburgs Probleme hat, der Torhüter Marwin Hitz. "Alles, was wir versucht haben, hat nicht annähernd Früchte getragen", sagte er und sprach von einem "kompletten Neustart", der nun nötig sei, was er auf Nachfrage nicht auf den Trainer bezogen wissen wollte. "Es zählt nicht mehr, wer 200 Bundesligaspiele für Augsburg hat", sagte Hitz. Und fügte noch etwas Interessantes hinzu: "Es kommt jetzt alles zurück, was wir in den letzten Jahren verschlendert haben."

Sie waren beim FC Augsburg in den vergangen Jahren sehr, sehr zufrieden mit sich. Zu Recht: Die Qualifikation für den Europapokal 2015 war der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Doch seitdem ist der Kader nicht besser geworden, Erfolgstrainer Markus Weinzierl ging, die Rolle verdienter Spieler wurde kaum hinterfragt, neue haben es selten geschafft, sich unverzichtbar zu machen. Eine Ausnahme ist der isländische Stürmer Alfred Finnbogason, der aber gerade seine Form sucht.

Rettung in Sicht: Der FC Ingolstadt galt schon als abgestiegen, jetzt fehlt nur noch ein Punkt zum Relegationsplatz - auch dank der Tore von Almog Cohen. (Foto: Stefan Bösl/imago)

Es ist nicht viel mehr als ein Jahr her, dass sich die Fans des FC Augsburg in Europa bekannt machten, weil sie zu Tausenden in Liverpool feierten, wo ihr Team aus der Europa League ausschied. Dort hatte der FCA teils begeisternd gespielt, er wurde von Belgrad bis Bilbao gelobt. Inzwischen flüchten sich die Fans in Sarkasmus, der auch Trainer Baum trifft. Auf Twitter kursiert eine von FCA-Fans bearbeitete Version des Covers einer Fußball-Manager-Simulation. Die beworbenen Optionen: "Aufstellung zufällig" und "Leidenschaft deaktivieren".

Als im Herbst die neue grün und rot leuchtende Stadionfassade vorgestellt wurde, sagte der Präsident Klaus Hofmann, Augsburgs Stadion sei künftig schöner als das des FC Bayern. Es würde den Klub hart treffen, wenn er dort bald gegen Sandhausen oder Heidenheim spielen müsste.

© SZ vom 11.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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