Fußball: Afrika-Cup:Gijón liegt auch in Afrika

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Ein Skandalspiel zwischen Algerien und Angola erinnert frappierend an die WM-Partie zwischen Deutschland und Österreich aus dem Jahr 1982. Hat es eine Absprache, einen "Nichtangriffspakt" gegeben?

Daniel Theweleit

Karim Matmour war 1982 noch nicht geboren, Gijón, das kleine Städtchen im Norden Spaniens ist ihm trotzdem ein Begriff.

Duelle mit Sicherheitsabstand boten Angola (in der Mitte Gilberto, daneben Kontrahent Yebda) und Algerien, dem bisher enttäuschenden WM-Teilnehmer. (Foto: Foto: dpa)

"Natürlich habe ich davon gehört", sagt der algerische Stürmer von Borussia Mönchengladbach, doch scheinbar hat der Prozess des Vergessens in Nordafrika ganze Arbeit geleistet. "Man erzählt sich positive Dinge von damals" behauptet Matmour, "1982 und 1986, das war die schöne Zeit, unsere einzigen beiden WM-Teilnahmen", sagt der 24-Jährige, der derzeit mit seiner Nationalmannschaft beim Afrika-Cup weilt. Dass Deutschland und Österreich die Algerier 1982 im Skandalspiel von Gijón in freundlichem Einvernehmen aus dem Weltmeisterschaftsturnier beförderten, ist offenbar verziehen.

"Es gab keine Absprache"

Nach ihrem 0:0 im dritten Vorrundenspiel beim Afrika-Cup gegen Angola haben die Algerier ohnehin kaum mehr Argumente gegen den Nichtangriffspakt von Gijón. Denn die Rück- und Querpass-Stafetten am Montagnachmittag erinnerten frappierend an jenen finsteren Tag im Juni 1982. Gegen die Wertung des Spiels legte der unmittelbar betroffene Verband von Mali Protest ein und schlug vor, für das Spiel keine Punkte zu vergeben.

Nach dem Sieg von Mali gegen Malawi im anderen Spiel der Gruppe A reichte dieses Unentschieden sowohl den Angolanern als auch den Algeriern. "Aber es gab keine Absprache", versichert der algerische Trainer Rabah Saâdane, "wir haben diese Demütigung 1982 bei der WM erlitten und würden so etwas niemals machen."

Schön war die zweite Hälfte trotzdem nicht, "wir wollten eben beide weiterkommen, da hat niemand mehr etwas riskiert", sagt Karim Ziani vom VfL Wolfsburg. Wahrscheinlich hätte man ihnen vorgeworfen, unprofessionell zu agieren, wenn sie offensiv nach vorne gespielt und ein Tor kassiert hätten. Denn es ging um viel, und außerdem brachten diese Algerier auch in den Spielen, die sie wirklich gewinnen wollten, nichts zustande, was sich mit dem Begriff Offensivfußball beschreiben ließe.

Siegenthalers Urteil

Nun steht die enttäuschende Mannschaft mit nur einem erzielten Tor im Viertelfinale des Afrika-Cups. Nur Mali haben sie in einem schwachen Fußballspiel 1:0 besiegen können, in der ersten Partie waren sie noch von den Nobodys aus Malawi an die Wand gespielt worden (0:3). DFB-Scout Urs Siegenthaler, der das Turnier für Bundestrainer Joachim Löw beobachtet, wirkt regelrecht schockiert angesichts des Niveaus.

"Es gibt Kenner des afrikanischen Fußballs, die haben vor dem Turnier gesagt, Algerien sei derzeit die beste Mannschaft des Kontinents", sagt der Schweizer, der das Team besonders genau studiert als möglichen WM-Gegner. Nun hat er den Eindruck, die Algerier seien ausgebrannt.

"Jetzt sind wir Brüder"

Dabei müssten sie eigentlich beflügelt sein von den jüngsten Erfolgen. "Vor der WM-Qualifikation waren wir Freunde, jetzt sind wir Brüder", sagt Matmour über sein Team. Doch vielleicht sind die Algerier einfach ein Opfer des Terminplans, der für afrikanische Mannschaften besondere Probleme schafft.

Bis spät in den Herbst hinein mussten sie um die WM-Teilnahme kämpfen, die beiden dramatischen Spiele zum Abschluss der Qualifikation mit den Steinwürfen auf den Mannschaftsbus in Kairo waren das aufregendste Ereignis der vergangenen 20 Fußballjahre für Algerien.

Im Sommer ist das Weltturnier, und dazwischen, mitten in der Klubsaison, müssen sie irgendwie durch den Afrika-Cup kommen. "Meine Mannschaft ist sehr erschöpft, dieses Turnier kommt zur völlig falschen Zeit", hat Trainer Saâdane schon vor der ersten Partie erklärt.

Gabun und Malawi verbessert

Deshalb wertet er den Viertelfinaleinzug schon als Erfolg, zumal die anderen WM-Teilnehmer sich auch nicht gerade in guter Verfassung präsentieren. Siegenthaler sieht darin einen Trend: "Es gibt vielleicht satte Spieler, es gibt vielleicht satte Teams, es gibt überspielte Spieler und überspielte Teams." Verbessert präsentieren sich lediglich die kleinen Nationen wie Gabun oder Malawi.

Nach Jahren der Europäisierung werde nun "wieder afrikanischer" gespielt, "mit viel Wucht, mit enorm großer Verbissenheit, mit beeindruckender Hingabe und Dynamik", sagt Siegenthaler. "Nur bei wenigen Teams, zum Beispiel der Elfenbeinküste, ist zu sehen, dass sie versuchen, das Spiel taktisch zu dominieren und zu kontrollieren."

Auch deshalb müssen fast alle Trainer der WM-Teilnehmer noch um ihren Job fürchten. Die einzige Ausnahme: Saâdane. Der 63-Jährige trug schon 1982 und 1986 die Verantwortung für das Nationalteam; keinem anderen algerischen Trainer ist je die Qualifikation für einen WM gelungen.

© SZ vom 20.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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