Fußball: AC Mailand:"Nur Barcelona könnte stärker sein als wir"

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Die meisten Spieler sind deutlich älter als 30 Jahre, das einzige Talent des Vereins ist mit Präsidenten-Tochter Barbara Berlusconi verbandelt - dennoch sprechen alle vom Gewinn der Champions League. Der angegraute AC Milan will sich beim Turnier in München auf ein letztes großes Jahr vorbereiten.

Birgit Schönau, Rom

Silvio Berlusconis Parteigänger sollten sich am AC Mailand ein Beispiel nehmen: Die Mannschaft hinter Kapitän Massimo Ambrosini, 34, wirkt zwar genauso glanzlos und irgendwie von gestern wie Berlusconis Wahlverein "Volk der Freiheit". Aber erstens hat es Milan immerhin geschafft, Meister zu werden - wenn auch in einer Serie A, die im Vergleich mit der europäischen Konkurrenz immer provinzieller erscheint.

Einer von ungefähr zehn Führungsspielern: Mark van Bommel spricht mit Zugang Taye Taiwo. (Foto: AP)

Und zweitens blasen die Milan-Spieler immer noch entwaffnend vollmundige Versprechen in die Welt, wie sie sich in der Politik wohl noch nicht einmal mehr der Meister selbst erlauben würden. "Wir sind das Team, das die anderen schlagen müssen", verkündet markig der Holländer Mark van Bommel und meint damit tatsächlich die Champions League - und nicht den Audi-Cup, bei dem die Mailänder am Dienstag in der Münchner Arena auf den FC Bayern treffen (20.45 Uhr); im ersten Spiel begegnen sich der FC Barcelona und der brasilianische Topklub International Porto Alegre (18.15 Uhr).

Erst im vergangenen Winter ist Mark van Bommel vom FC Bayern nach Mailand gekommen, im Mai wurde sein Vertrag um ein Jahr verlängert, weil er sich in kürzester Zeit eingewöhnt hatte. Tatsächlich redet er schon jetzt wie die alten Milan-Hasen Ambrosini ("Nur Barcelona könnte stärker sein als wir") und Clarence Seedorf ("Natürlich können wir die Champions League gewinnen").

Clarence Seedorf, 35 inzwischen, spielt seit neun Jahren bei Milan. Der Mittelfeldspieler hat als einziger mit drei Mannschaften den wichtigsten Europapokal gewonnen - mit Ajax Amsterdam, Real Madrid und zweimal mit Milan, zuletzt 2007. Schon damals wurde das Team aus Mailand als Altherrenmannschaft verspottet, die Routiniers störte das wenig.

Sie setzten sich durch und blieben auch in der nächsten Runde. Und in der übernächsten. Und in der danach. Heute ist Seedorf neben dem bald 38-jährigen Filippo Inzaghi der agilste Spätdreißiger im Team des 44-Jährigen Trainers Massimiliano Allegri.

Es sieht so aus, als wäre auch diese Saison noch nicht die letzte Runde auf dem Karussell. In der Verteidigung findet man immer noch den dauerverletzten Alessandro Nesta, 35, den früheren Dauerläufer Gianluca Zambrotta, 34, und den Schlussmann Christian Abbiati, 34, mit seiner stramm rechten Weltanschauung.

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Im Mittelfeld verharrt immer noch Gennaro Gattuso, 33, der allerdings schon mal vorsorglich im Nebenberuf eine Fischhandlung betreibt, während der Feinzirkler Andrea Pirlo zu Juventus Turin geflüchtet ist. Und im Sturm soll es Zlatan Ibrahimovic, 30, mit seinen Riesenfüßen richten.

In diese angegraute Truppe, die wacker einen Ruf verteidigt, den sie schon längst nicht mehr hat, passt der Franzose Philippe Mexès, 29. Mexès ist vom AS Rom zum AC Mailand gewechselt, nachdem er in der Hauptstadt eine beeindruckende Sammlung von Platzverweisen vervollständigt hatte.

Die Klubleitung um den Berlusconi-Vikar Adriano Galliani bemühte sich bislang vergebens, noch ein bisschen Glanz in die Veranstaltung zu bringen. Marek Hamsik vom SSC Neapel wurde umworben, vergebens. Nun ist, wie alle Jahre wieder, Bastian Schweinsteiger im Gespräch, angeblich hat Milan eine Ablösesumme von 25 Millionen Euro geboten.

Listig spricht Galliani vom "Mister X", der die Reihen bald verstärken könnte. Mister X, so was traut sich noch nicht mal Berlusconi, dessen letztes Wahlkampfgeschenk Ronaldinho (von 2008) allerdings auch schon weitergezogen ist.

Es gibt aber auch Talent in der Mannschaft, das Talent trägt den Namen Alexandre Pato, ist noch nicht 22 Jahre alt und spielt nebenbei auch die Hauptrolle in jener Milan-Seifenoper, die seit Monaten die Berlusconi-Gazetten betört. Pato ist der Freund von Barbara Berlusconi, der 26-Jährigen dritten Berlusconi-Tochter, die so gerne etwas in Papas Verlagen geworden wäre, dann aber mit dem Posten der Vizepräsidentin beim AC Mailand getröstet wurde.

Pato und Barbara ließen sich von den Hofpostillen beim gemeinsamen Strandurlaub fotografieren, die Romanze finden viele interessanter als die Sommereinsätze der dazugehörigen Altherren-Mannschaft.

Natürlich redet auch Barbara Berlusconi von der Champions League, vor allem aber beteuert sie gebetsmühlenhaft, die Familie Berlusconi werde sich keineswegs aus dem Fußball zurückziehen. Die junge Frau verkennt, dass sich immer mehr Fußballfreunde diesen Rückzug wünschen würden. Wie unter einer Glasglocke scheint der AC Mailand im letzten, unendlich zähen Akt der Ära Berlusconi zu spielen. Und wie unter einer Glasglocke erstarrt ja auch das ganze Land.

© SZ vom 25.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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