FSV Mainz 05:Die Rhetorik der Grasfresser

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Mainz beendet mit dem 2:0 in Frankfurt seine Sieglos-Serie und kann nun gegen die Abstiegskonkurrenz nachlegen.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Anfang Februar schien sich Pierre Kunde Malong durchaus als Personifizierung der Mainzer Malaise zu eignen. Es war der Tag, an dem die 05er gegen den FC Bayern antreten mussten. Völlig überfordert und weit weg von einem adäquaten Abstiegskampf-Verhalten wirkten sie bei diesem 1:3 - und der Mittelfeldspieler Kunde ragte besonders heraus. Erst gehörte er zu jenem Mainzer Trio, das den Münchner Thiago bei dessen sehenswertem Dribbling-Tor ehrfürchtig passieren ließ. Dann wurde er bereits nach einer halben Stunde ausgewechselt - und schließlich verweigerte er seinem Trainer Achim Beierlorzer noch den Handschlag.

Nun ist es nicht so, dass Kunde danach eine absolute Kehrtwende hingelegt hätte. Der Kameruner, 24 Jahre alt und im Sommer 2018 gegen eine geschätzte Gebühr von 7,5 Millionen Euro aus der Reserve-Mannschaft von Atletico Madrid verpflichtet, absolviert eine sehr wechselhafte Saison. Doch seit sich nach der Beendigung der Corona-Pause der Kampf um den Klassenerhalt zugespitzt hat, war er schon in zwei sehr wichtigen Momenten als Torschütze zur Stelle. Mitte Mai in Köln rettete er den Mainzern mit einer Einzelleistung das 2:2. Und am Samstag beim Derby in Frankfurt sicherte er kurz nach seiner Einwechslung den Sieg: In der 77. Minute kam ein guter Steilpass, Kunde sprintete durch und traf zum 2:0 (1:0)-Endstand.

Der Mainzer Pierre Kunde Malong auf dem Weg zum Torjubel. Er kniete danach nieder, um nach den Vorfällen in den USA gegen Rassismus zu protestieren. „Auf die Knie zu fallen, um die Bewegung für schwarze Menschenleben zu unterstützen, wird nicht aufhören, bis es weltweit größere Veränderungen gibt“, schrieb er später. (Foto: Alexander Hassenstein/dpa)

"Es war intensiv. Wir haben sehr gut dagegengehalten und gekämpft", sagte der Siegtor-Schütze: "Wir sind immer noch in einer gefährlichen Lage, aber wir müssen weiter kämpfen und die Köpfe oben behalten." Es war nach zuvor fünf Spielen und 98 Tagen ohne Sieg ein extrem wichtiger Mainzer Erfolg im Kampf um den Klassenerhalt gewesen. Den Abstand auf den Relegationsplatz haben die 05er fürs Erste wieder auf drei Punkte ausgebaut - und nächsten Sonntag haben sie im direkten Duell mit dem FC Augsburg die große Chance, noch einmal nachzulegen.

Der Sieg am Samstag war auch verdient, weil Mainz zwar spielerisch nicht sonderlich auffiel, aber deutlich lauffreudiger, bissiger und energischer agierte. Mindestens so viel Leidenschaft wie zuvor in Sprints und Zweikämpfen schienen sie nach dem Spiel in eine entsprechende Rhetorik zu legen. "Wenn Gras fressen, laufen bis zum Ende und in die Zweikämpfe werfen das Rezept für den Klassenerhalt sind", sagte Defensivspieler Daniel Brosinski, "dann spielen wir das bis zum Ende weiter."

Trainer Beierlorzer wiederum wollte vor allem zwei Dinge betonen: den absoluten Siegeswillen, den er bei seiner Mannschaft wahrgenommen hatte - und "das zu Null". In der Defensive der Mainzer hat es ja oft geknirscht im Laufe dieser Saison. Mit Bremen und Paderborn zählt man zu den abwehrschwächsten Klubs. Auch in der Liste mit den wenigsten Spielen ohne Gegentreffer liegt die Mannschaft ganz vorne - das 2:0 in Frankfurt war erst das vierte in dieser Saison.

Dass das diesmal funktionierte, lag auch an der Rückkehr von Innenverteidiger Jeremiah St. Juste und diversen Umstellungen von Beierlorzer. Aber es wurde Mainz in diesem Derby auch nicht allzu schwer gemacht. Die Frankfurter leisteten eine Art Nachbarschaftshilfe und agierten deutlich schwächer als zuletzt gegen Bremen oder Wolfsburg. In der ersten Hälfte war allein Filip Kostic torgefährlich (eine Flanke auf Almamy Touré, zwei Linksschüsse knapp neben das Tor); nach dem Seitenwechsel war ein Schuss von Mijat Gacinovic in der 88. Minute die erste Eintracht-Chance. Mainz hingegen kam neben den Toren von Innenverteidiger Moussa Niakhaté (Kopfball, 43.) und Kunde (77.) noch zu weiteren guten Gelegenheiten sowie zu zwei Abseits-Treffern.

Coach Beierlorzer wollte dennoch nicht zu euphorisch klingen: "Der Sieg gibt eine kleine Zufriedenheit, die nun ein paar Stunden Einzug halten darf", sagte er. Diese Zurückhaltung ist durchaus angebracht ob der schwankenden Auftritte seiner Elf in diesem Jahr. Das Restprogramm der Mainzer teilt sich in zwei Heimpartien gegen direkte Konkurrenten (Augsburg, Bremen) sowie zwei Auswärtsspiele bei Champions-League-Anwärtern (Dortmund, Leverkusen). Zur Frage, wie viele Punkte (aktuell 31) es denn aus diesen vier Spielen sein müssen, damit es zum Klassenerhalt reicht, wollte Beierlorzer nichts sagen: "Ich möchte in überhaupt keine Rechenspiele einsteigen."

© SZ vom 08.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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