French Open - Match des Tages:Überstunden für die Schleicherin

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Unbeständiges Wetter in Paris - und ebensolche Aussetzer der Spielerinnen. Die kleine Italienerin Sara Errani spielt nicht immer gut, ihre favorisierte Gegnerin Samantha Stosur steht ihr in Unbeständigkeit jedoch in nichts nach. Doch am Ende erscheint der Finaleinzug wie das Leichteste der Welt.

Milan Pavlovic, Paris

Sara Errani (Italien/21) - Samantha Stosur (Australien/6) 3:6, 6:2, 6:4

Die Italienerin Sara Errani hat sich mit dem Finaleinzug im Einzel ein paar schöne Überstunden in Paris eingebrockt. Am Freitag bestreitet sie auch das Doppelfinale an der Seite von Roberta Vinci. (Foto: AP)

Wenn Außenseiter nervös sind, muss man Übles erwarten. Das Halbfinale von Sara Errani, die in einem großen Turnier noch nie so weit gekommen war, begann denkbar schlecht für die Italienerin. Zunächst musste sie mit ansehen, wie Samantha Stosur in ihrem ersten Aufschlagspiel drei Asse servierte. Und dann attackierte die favorisierte, muskulöse, angriffsfreudige Australierin sogleich den zweiten Aufschlag ihrer Gegnerin.

Das Viertelfinale hatte Errani auch deshalb überstanden, weil ihre deutsche Kontrahentin Angelique Kerber zu selten eine forsche Antwort auf den Kick-Service der Italienerin fand, der oft mit gerade einmal 100 km/h über das Netz schlich.

Die Australierin hingegen zertrümmerte anfangs jeden zweiten Aufschlag der gerade mal 1,64 Meter kleinen Kontrahentin: Fünf Chancen bekam sie beim Stand von 1:0, fünfmal machte sie den Punkt und führte so schnell 2:0, dass man schon das Schlimmste für Errani befürchten konnte.

Doch anschließend erwies sich die Partie als ebenso wechselhaft wie das Wetter. Wegen sintflutartiger Regengüsse hatte sich der Beginn des ersten Halbfinals um eineinhalb Stunden verzögert. Um 14.45 Uhr hatte es noch ausgesehen, als würde es nie mehr hell werden in Paris. Doch entgegen aller Vorhersagen verzog sich der Regen dann kurz nach 15 Uhr - und gegen 15.15 Uhr zeigte sich die Sonne.

Was blieb, waren Sturzbäche, die noch eine halbe Stunde nach dem Ende des Regens vom Tribünendach flossen, und diverse technische Pannen - so funktionierte die Video-Leinwand erst im dritten Satz.

Ähnliche Aussetzer hatten auch die Spielerinnen. Vor allem das Spiel der Australierin unterlag extremen Schwankungen. Sie produzierte zwar 46 Gewinnschläge (Errani 22), aber auch 48 leichte Fehler (Errani 21) - viele davon bei entscheidenden Punkten. Bei 5:5 im ersten Satz bescherte sie ihrer Gegnerin mit vier Fehlern das Break zum 6:5, mit zwei weiteren Patzern verhalf sie der Italienerin zum 7:5.

Es war ein verdienter Satzgewinn für die Außenseiterin, die früh begonnen hatte, beim Return ins Feld zu rücken, um Stosurs gefürchteten Kick-Aufschlägen entgegenzutreten. Dominika Cibulkova hatte nach ihrem verlorenen Viertelfinale gegen die Australierin fassungslos konstatiert, Stosur schlage auf und spiele Grundschläge "wie ein Mann". Errani ist nur vier Zentimeter größer als Cibulkova, aber sie meisterte Stosurs Aufschläge nicht nur, sondern verunsicherte die Favoriten, weil diese immer damit rechnen musste, dass der Ball ebenso schnell wieder vor ihren Füßen oder sogar im entfernten Eck landen könnte.

Auch der klar gewonnene zweite Satz, mit Breaks zum 2:0 und 4:0, konnte Stosur nicht beruhigen. Denn kaum hatte der entscheidende Durchgang begonnen, spiele Errani wieder sicherer - und Stosur produzierte unerklärliche Fehler: zwei mit der Rückhand, einen mit der Vorhand und zur Krönung einen Doppelfehler. Nachdem Errani die Chance verdaddelt hatte, auf 4:0 davonzuziehen, konnte Stosur zwar noch einmal zum 3:3 ausgleichen, aber bei 3:4 schaufelte sie sich ihr eigenes Grab. Beim ersten Punkt tropfte Erranis Vorhandreturn, der auf normaler Flugbahn deutlich ins Aus gesegelt wäre, von der Netzkante ins Feld der Gegnerin. Stosur hatte alle Zeit, ihn ordentlich zu verwerten, schlug den Ball aber weit hinter die Grundlinie.

Beim nächsten Punkt wählte die Australierin bei ihrem Netzangriff die falsche Seite, weshalb Errani einen diabolischen Lob ansetzen konnte, den Stosur nicht mehr sinnvoll verarbeiten konnte. Nach einem schönen Vorhandwinner stellte sich die US-Open-Siegerin von 2011 schlecht zur nächsten Vorhand, die wieder weit neben der Seitenlinie aufschlug. 15:40. Errani verspielte die erste Breakchance, die zweite wehrte Stosur mutig mit einer harten Rückhand die Linie entlang ab.

Doch danach machte sie nicht einen Punkt mehr: mit einem Doppelfehler und einer überhasteten Vorhand schenkte sie Errani das Break zum 5:3, und dann gewann die 25-jährige Italienerin ihr abschließendes Aufschlagspiel zu null, als wäre dies das Leichteste der Welt.

Die Italienerin hat sich damit ein paar schöne Überstunden in Paris eingebrockt. Am Freitag bestreitet sie das Doppelfinale an der Seite von Roberta Vinci. Und am Samstag spielt sie im Einzelfinale. Dort trifft sie auf Maria Scharapowa, die durch ein ungefährdetes 6:3, 6:3 gegen die Tschechin Petra Kvitova ebenfalls erstmals das Finale der French Open erreichte und sich dafür gleich belohnte: Die Russin wird am Montag, unabhängig vom Ausgang des Endspiels, wieder an der Spitze der Weltrangliste geführt, wo sie zuletzt 2008 stand.

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