Freiburger Doping-Vergangenheit:Showdown im Ministerium

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Ein Team mit Dopingvergangenheit: Die Telekom-Fahrer Matthias Kessler, Sergej Gontschar, Patrik Sinkewitz, Andreas Klöden und Michael Rogers 2006. (Foto: dpa)
  • Ein ehemaliger Diskuswerfer erhebt neue Vorwürfe gegen Freiburger Sportmediziner - aus landespolitischer Sicht zu einer Unzeit.
  • Das Ministerium würde dem hartnäckigen Forschungsdrang der Aufarbeiter der Doping-Vergangenheit am liebsten ein Ende setzen. Am Dienstag kommt es zum Showdown.

Von Thomas Kistner, München

Wieder gibt es Vorwürfe gegen renommierteste Freiburger Sportmediziner aus der Vergangenheit, und wieder zeigt sich, wie brisant die politische Gemengelage rund um das Thema Doping-Betrug in Baden-Württemberg geworden ist. Der ehemalige deutsche Diskus-Meister Alwin Wagner hat im Interview mit dem Südwestrundfunk (SWR) schwere Dopingvorwürfe gegen Armin Klümper erhoben, der bis tief in die Neunzigerjahre hinein als sportmedizinischer Guru in der Branche galt und insbesondere bei Athleten einen starken Rückhalt fand. Wagner berichtet nun, wie er über acht Jahre hinweg in Freiburg verbotene Substanzen verschrieben bekommen oder Blanko-Rezepte erhalten habe. Über Nebenwirkungen und körperliche Folgeschäden, die aus solchen Pharmahämmern erwachsen können, hätten ihn weder Klümper noch Joseph Keul aufgeklärt; letzterer war damals Chef der Freiburger Uni-Sportmedizin.

Wagners Vorstoß kommt aus landespolitischer Sicht zum ungünstigsten Zeitpunkt. Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresa Bauer ist gerade erkennbar bemüht, dem allzu hartnäckigen Forschungsdrang der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung der Doping-Vergangenheit an der Breisgauer Exzellenz-Uni ein Ende zu setzen. Bei einem Treffen an diesem Dienstag im Stuttgarter Fachministerium mit Kommissionären und dem Rektor der Freiburg-Uni, Hans-Jochen Schiewer, über dessen Agenda die Kommissionschefin Letizia Paoli bis Sonntag nicht Bescheid wusste, soll offenbar verfügt werden, was Bauer bereits in öffentlichen Mitteilungen hat anklingen lassen: ein zeitnaher und verbindlicher Abschluss der Forschungsarbeiten. Anders ausgedrückt: Das flotte Ende detektivischer Bemühungen, die sich alleine schon wie ein Krimi darstellen.

Haarsträubende Behinderungen

In Hunderte Seiten umfassenden Dossiers hat die Kommissionschefin wiederholt haarsträubende Behinderungen ihrer Tätigkeit offengelegt. Dezidierte Antworten der Uni-Spitze auf diese Boykottvorwürfe stehen bis heute aus. Unter anderem auf den Sachverhalt, dass die Geschäftskorrespondenz des jahrzehntelangen Institutschefs Keul - neben Klümper die Zentralfigur der Untersuchungen - in Kisten verpackt über fünf Jahre von einer Uni-Mitarbeiterin in deren Privathaus weggesperrt worden war.

Dies und manche weitere Merkwürdigkeit wird vom Ministerium eher als Meinungsverschiedenheit behandelt, was von einer hohen Toleranzschwelle zeugt. Dabei ist die Frage, wie kooperativ die Uni sich über Jahre verhalten hat, ja entscheidend für die Beurteilung, ob die Kommission nur viel Zeit verbummelt und endlich zu liefern hat - oder ob ihre Arbeit tatsächlich jahrelang gezielt torpediert wurde. Wäre letzteres der Fall, würde dies auch die von der Uni geplante hausinterne Forschungsstelle zur Fortsetzung der Arbeit zur Farce machen.

Erkennbar hat sich Bauer, die als neutrale Vermittlerin zwischen Uni und Kommission agieren will, auf die Seite der Uni geschlagen. Das wundert Kommissionschefin Paoli, zumal die Ministerin "in keiner Weise für die Kommission zuständig" sei: Der Dopingforscher-Stab sei 2007 von der Universität eingesetzt worden, die wiederum unabhängig ist. Nun befürchten die Wissenschaftler, dass ihrer Arbeit "qua politischer Autorität" (Paoli) ein Ende gesetzt werden soll - just zu einem Zeitpunkt, da sie brisante neue Akten auf dem Tisch liegen haben. Deren Jahre währender Weg aus Justizarchiven gleichfalls merkwürdig verschlungen erscheint.

"Von dopinghistorisch einzigartiger Bedeutung"

Paoli hat jüngst erklärt, dass das neue Material von "dopinghistorisch einzigartiger Bedeutung" sei. Die Wortwahl weist auf eine westdeutsche Dopingsystematik hin, wie sie 2013 bereits von einer Historiker-Kommission der Berliner Humboldt-Uni skizziert wurde. Nur sollen diesmal "harte Beweise" vorliegen, wie die belgische Strafrechtsprofessorin betont. Offenbar stammen die Belege auch aus Akten einer Ermittlungsgruppe, die ab 1984 nach einer Razzia bei Promi-Sportarzt Klümper bis 1988 dessen Praktiken nachgespürt hatte.

Dazu passt eine frühere Mitteilung Paolis, dass es Informationen zur "Rolle damaliger CDU-Landesregierungen, CDU-Minister, Angehöriger der Freiburger Staatsanwaltschaft sowie der Uni- und Klinikumleitung in den jahrelangen Ermittlungen gegen Klümper" gäbe. Vor dem Hintergrund lehnt Paoli einen verbindlichen Abschlusstermin für die Arbeit ab, stellt aber den Liefertermin Herbst 2015 in Aussicht, sofern ihre Tätigkeit nicht mehr behindert, sondern unterstützt werde.

Verschärft werden die steten Behinderungsvorwürfe an die Adresse von Uni und Ministerium durch Aussagen wie der des Doping-Zeugen Wagner. Auch berichtete der SWR aus einem unveröffentlichten Buchmanuskript Klümpers: Den hatten seinerzeit zahlreiche Spitzensportler nicht nur öffentlich, sondern auch finanziell unterstützt.

© SZ vom 23.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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