Frauentennis in Berlin:Plopp-plopp mit Fangesängen

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Liebling des Publikums: Die Tunesierin Ons Jabeur, Siegerin von Berlin. (Foto: Boris Streubel/Getty)

Das Berliner Tennisturnier der Frauen ist erfolgreich wiederbelebt. Im drittem Anlauf steigen nach der Pandemie bei der Traditionsveranstaltung Publikumszuspruch und Akzeptanz - den Titel gewinnt die Tunesierin Ons Jabeur.

Von Barbara Klimke, Berlin

Noch eine halbe Stunde nach der Siegerehrung hallten Sprechchöre durch die parkähnliche Tennisanlage im Grunewald. Tunesische Fahnen flatterten schon während des Finals von den Balustraden. Ons Jabeur, die am Sonntag den Titel des Rasenturniers am Hundekehlesee gewann, ihre Schweizer Gegnerin Belinda Bencic musste wegen einer Verletzung beim Stand von 6:3, 2:1 aufgeben, hatte Scharen von Fans auf die Anlage des LTTC Rot-Weiß Berlin gelockt. "Das sind Leute, die mir folgen und hinterherreisen", hatte sie schon am Vortag, sichtlich stolz auf ihre treue Anhängerschaft, erklärt. Manche nähmen den Weg aus der Tschechischen Republik oder aus Polen auf sich, nur um sie zu sehen: "Wenn sie um ein Foto bitten, haben sie drei Stunden Zugfahrt hinter sich."

Abrupt ruhig wurde es im Endspiel tatsächlich nur, als Belinda Bencic, Olympiasiegerin und Finalistin schon im Vorjahr, im ersten Satz beim Stand von 3:5 und 40:40 ausrutschte und längere Zeit am linken Knöchel behandelt wurde. Sie kehrte nur noch für drei Spiele, stark am Fuß bandagiert, auf den Platz zurück, dann wurde Jabeur, 27, zur Siegerin erklärt. Falls es noch eines weiteren Zeichens für die Revitalisierung des angejahrten Steffi-Graf-Stadions bedurft hätte, so waren es die Fangesänge zum Plopp-plopp der Bälle im grauen Stadiongemäuer.

Eine Stimmung wie beim Fußball, wenn auch zugegebenermaßen mit geringerer Dezibelzahl, empfindet nicht nur die brennende Fußball-Freundin Ons Jabeur, 28, als belebend. Auch den Organisatoren des mit 757 000 US-Dollar dotierten Turniers zeigte dies, dass sie mit ihren Investitionen auf dem richtigen Weg sind.

Jäh gestoppt: Finalistin Belinda Bencic verletzt sich am Knöchel und wird von einer Turnierärztin versorgt. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Tatsächlich offenbarte das Endspiel ein hoch erfreulichen Nebeneffekt: "Ganz Tunesien und Afrika ist im Finale dabei", erklärte Edwin Weindorfer, Chef des Veranstalters, der Emotion Group. Weindorfer arbeitet mit der südafrikanischen Fernsehgruppe SuperSport Channel zusammen, und dank der Popularität Jabeurs, die den Menschen in ihrem Land und im arabischen Raum mit ihrem Tennisspiel eine Inspiration sein will, ist in dieser Region das Interesse an dem Bett1Open genannten WTA-Wettbewerb am baumbeschatteten Hundekehlesee in den vergangenen Tagen sprunghaft gestiegen. "Ich möchte besonders den Frauen - den Männern natürlich auch - Hoffnung geben, dass es möglich ist, große Turniere zu gewinnen oder sich in die Top-Ten zu spielen", hat Jabeur, nächste Woche Nummer drei der Weltrangliste, auch in Berlin wiederholt. Die Veranstalter sehen es durchaus als Verdienst an, "dass es gelungen ist, einen Kontinent, der sonst nicht immer im Mittelpunkt des Tennis ist, hier medial zu integrieren", wie Weindorfer sagt.

Ziel sei es, "das Turnier jetzt auch gesellschaftlich zu etablieren", sagt Klubpräsident Dietrich Wolter

Aber nicht nur im großen, weiten arabischen Raum, auch auf den begrenzten 892 Quadratkilometern der Stadt Berlin muss sich das Turnier etablieren - trotz seiner ruhmreichen Geschichte auf dem Gelände des Lawn Tennis und Turnier Clubs "Rot-Weiß", der dieser Tage 125 Jahre Gründungsjubiläum feiert und auf dem der US-Amerikaner Bill Tilden 1929 Daviscup spielte und Steffi Graf (1986 bis 1996) neun Mal bei den German Open siegte. Nach 2008 wurden das internationale Frauenturnier und die Zusatztribünen des Center Courts gewissermaßen eingemottet; im schnelllebigen Berlin geriet die Tennistradition ein wenig in Vergessenheit.

Erst 2020 setzten die Wiederbelebungsmaßnahmen ein, nun mittels Grassamen: Aus dem Sandplatz- wurde ein Rasenturnier, mit tatkräftigen Unterstützung des All England Clubs in London, der die Berliner-Veranstaltung in seine Gesamtstrategie der Schaffung einer Serie mit dem Höhepunkt der Wimbledon-Wochen einband. Nach zwei Jahren der Corona-Pandemie sind nun endlich auch wieder Zuschauer auf der Anlage willkommen. Ziel sei es, "das Turnier jetzt auch gesellschaftlich zu etablieren", erklärt Dietrich Wolter, als Klubpräsident des LTTC Rot-Weiß der Gastgeber: Die Voraussetzungen seien geschaffen. Damit die Berliner in Scharen in den Grunewald rausfahren, brauche es aber womöglich noch ein bis zwei Jahre. Eine erste Idee, mehr Aufmerksamkeit für das Frauenturnier zu schaffen, wurde bereits umgesetzt: Ein Diskussionsforum flankierte den Schlagabtausch auf Rasen, International Women Leadership Conference genannt, auf dem unter anderem die Forderung nach gleicher Bezahlung für Frauen und Männer im Sport im Mittelpunkt stand.

Zum Tennis kamen insgesamt über die Woche verteilt knapp 30 000 Zuschauer. "Wir stehen endlich dort, wo wir vor drei Jahren sein wollten", bilanzierte Veranstalter Weindorfer. Und spätestens nach den ersten fast durchweg hochklassigen Matches hatte sich auch der erste Ärger über eine Reihe von kurzfristigen Absagen prominenter Spielerinnen gelegt. Unter anderem waren French-Open-Siegerin Iga Swiatek, die Japanerin Naomi Osaka und die Spanierin Paula Badosa nicht erschienen, allesamt ursprünglich Werbefiguren des Turniers. Weindorfer hatte in der SZ kürzlich Konsequenzen angeregt, ohne auf Details einzugehen. In dieser Debatte hat Turnierdirektorin Barbara Ritter nun mehr Eigenverantwortung von Tennisprofis angemahnt. Spielerinnen und Management müssten "größeres Bewusstsein" dafür entwickeln, mit welchen Anstrengungen eine Turnierorganisation verbunden sei. Besonders nach zwei Jahren Stillstand und Pandemie.

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