Frauenfußball:Fehlendes Fingerspitzengefühl

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Der DFB sieht die WM-Qualifikation in Gefahr und entlässt erstmals eine Bundestrainerin der Frauen. Als Nachfolgerin der erfolgreichen Silvia Neid ist Steffi Jones auch an ihrer Unerfahrenheit gescheitert.

Von Anna Dreher

Steffi Jones versuchte es mit einem Lächeln. Kurz gingen ihre Mundwinkel nach oben, als sie Corinne Diacre umarmte. Aber der Blick der Bundestrainerin verfinsterte sich schnell wieder. Auch die Worte ihrer französischen Kollegin änderten nichts daran. Jones nickte und schüttelte dann konsterniert den Kopf. Die deutsche Fußball-Auswahl der Frauen hatte gerade 0:3 gegen Frankreich verloren. Es war das letzte Spiel beim SheBelieves Cup in den USA - und, wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Dienstag bekannt gab, auch das letzte von Steffi Jones als Bundestrainerin. Der Verband hat die 45-Jährige von ihren Aufgaben entbunden.

"Ich bedaure diese Entscheidung des DFB sehr", erklärte Jones auf ihrer Homepage: "Wir befinden uns mit dem Frauenfußball in einer schwierigen Umbruchsituation, und ich hätte gerne diesen Umbruch weiter engagiert gestaltet." Horst Hrubesch wird das Frauenteam interimsmäßig für die WM-Qualifikationsspiele im April gegen Tschechien und in Slowenien übernehmen. "Steffi Jones ist die Aufgabe als Trainerin mit großem Engagement und Einsatz angegangen", sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel: "Sie ist und bleibt ein prägendes Gesicht des deutschen Frauenfußballs." Er würde sich freuen, wenn Jones dem DFB in anderer Funktion erhalten bliebe; in ihrer bisherigen sah der Verband nach den anhaltend schlechten Leistungen jedoch keine gemeinsame Zukunft mehr. Mit dieser Entscheidung sei das Präsidium der Empfehlung des für die Nationalmannschaften zuständigen Direktors Oliver Bierhoff und des Sportlichen Leiters Joti Chatzialexiou gefolgt. "Der Entscheidung ist eine intensive Analyse der vergangenen Monate vorausgegangen", sagte Bierhoff.

Sie wollte alles auf einmal und überforderte so nicht nur das Team, sondern auch sich selbst

Chatzialexiou war beim SheBelieves Cup, er sollte für den DFB die Frauen-Nationalmannschaft beobachten, die Arbeit von Steffi Jones bewerten. Was er gegen die USA (0:1), England (2:2) und Frankreich sah, konnte ihm nicht gefallen. Das Turnier war gedacht als Auftakt in das von Qualifikationsspielen zur Weltmeisterschaft geprägte Jahr - und als Neuanfang für die in der Kritik stehende Jones. Stattdessen zeigten sich im Spiel des Olympiasiegers, zweimaligen Welt- und achtmaligen Europameisters erneut Schwächen in allen Bereichen. Die Befürchtung nahm zu, Deutschland könne die direkte WM-Qualifikation verpassen. Ein für den DFB inakzeptables Szenario.

Ein bitterer Abgang: Steffi Jones war nur zwei Jahre lang Trainerin der DFB-Auswahl.

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(Foto: DPA)

Jones spielte als Innenverteidigerin für Deutschland, hier 2000 gegen Italien bei einem EM-Qualifikationsspiel. Als Spielerin wurde sie Weltmeisterin (2003) und Europameisterin (1997, 2001 und 2005).

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(Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Da Jones auf der Trainerbank noch keinerlei Erfahrung hatte, wurde sie 2015 Co-Trainerin der Frauennationalmannschaft unter Silvia Neid (rechts).

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(Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Als Trainerin blieben ihr weitere Erfolge verwehrt. 2017 schied die Frauen-Nationalmannschaft bei der EM bereits im Viertelfinale aus. Auch beim SheBelieves Cup 2018 enttäuschte die DFB-Elf.

Schon bei der missratenen Europameisterschaft in den Niederlanden deutete sich an, dass Jones' Anstellung nicht von Dauer sein würde. Als Nachfolgerin der erfolgreichen Silvia Neid war ihr Trainerdebüt von hohen Erwartungen begleitet, die Jones zusätzlich steigerte mit dem Anspruch, bei ihrem ersten großen Turnier trotz kurzen Vorlaufs und verjüngten Kaders den Titel zu gewinnen. Offensiveres System, ständige Spielerwechsel, lockerer Umgang - sie wollte alles auf einmal und überforderte damit nicht nur ihr Team, sondern auch sich selbst. Die Verunsicherung war in jedem Spiel zu erkennen, ehe bereits im Viertelfinale Schluss war.

Der DFB hielt dennoch an der 111-maligen Nationalspielerin fest und gab ihr im August mit der Vertragsverlängerung bis zur WM 2019 eine weitere Chance. Es war auch eine zweite Chance für den Verband, der mit der Auswahl der Bundestrainerin ins Risiko gegangen war. Jones war nach ihrer aktiven Zeit beim DFB Chefin des Organisationskomitees der Heim-WM 2011 und hatte die Fußballlehrer-Ausbildung abgeschlossen. Zunächst assistierte sie Silvia Neid. Als Quereinsteigerin, hatte Jones bei ihrem Start gesagt, sei es immer schwieriger. Aber es käme nicht darauf an, wie viele Jahre Erfahrung jemand habe, sondern wie jemand eine Mannschaft leiten könne. Diese Mannschaft, das zeigte sich auch nach der EM immer wieder, konnte Jones nicht mehr leiten, sie hat ihre Spielerinnen nicht mehr erreicht. Der vorläufige Tiefpunkt war mit der 2:3-Niederlage im Oktober gegen Island erreicht - der ersten in einer WM-Qualifikation seit 19 Jahren.

Dass das Selbstverständnis eines stets zu den Titelfavoriten zählenden Teams unter Jones verloren ging, konnte auch das 4:0 im Test gegen Frankreich im November nur kurz überdecken. Denn der SheBelieves Cup bestätigte, dass die Nationalmannschaft mit dieser Bundestrainerin keinen Weg aus dem Formtief fand. Die Spielerinnen hatten oft öffentlich betont, weiterhin mit Jones arbeiten zu wollen - inzwischen aber, heißt es, hat sich ein großer Teil gegen Jones ausgesprochen. In den 22 Spielen unter der Bundestrainerin hatte sich einfach zu viel Negatives angestaut. Sicherlich auch deshalb, weil Jones die selben Fehler immer wieder machte und als zunehmend beratungsresistent galt.

Wolfsburgs Lena Goeßling wurde in ihrem 100. Länderspiel erst in Minute 90 eingewechselt

Manchmal fehlte es ihr auch einfach an Fingerspitzengefühl. Zum Beispiel beim 100. Länderspiel von Lena Goeßling. Die Wolfsburgerin wurde für ihre Jubiläumspartie erst in 90. Minute eingewechselt - obwohl es sich beim SheBelieves Cup bloß um ein Testturnier handelte, und obwohl es bereits 3:0 für Frankreich stand.

Erstmals hat der DFB eine Bundestrainerin entlassen. Zugleich betont der Verband, die Strukturen im Frauenfußball professionalisieren zu wollen. Im Grunde ist dies genau das, was auch Steffi Jones immer wollte - aber nicht umsetzen konnte.

© SZ vom 14.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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