Frauen-WM 2011: Birgit Prinz:"Wieso sollte ich Birgit bringen?"

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Birgit Prinz wird endgültig zur tragischen Figur dieser WM. Die Stürmerin bat Bundestrainerin Silvia Neid offenbar, auf ihren Einsatz gegen Frankreich zu verzichten - was Neid auf der Pressekonferenz nach dem Spiel ausplauderte. Übermäßiges Taktgefühl bewies die Bundestrainerin jedenfalls nicht.

Carsten Eberts, Mönchengladbach

In der Halbzeitpause des dritten Vorrundenspiels gegen Frankreich lief sich Birgit Prinz nicht einmal mit dem Team warm. Sie schaute den Kolleginnen auf dem Platz zu, dribbelte erst gegen Ende der Pause noch ein wenig mit dem Ball herum. Zu diesem Zeitpunkt, die deutsche Elf führte mit 2:0, stand bereits fest: Birgit Prinz würde an diesem Abend nicht mehr eingewechselt werden.

90 Minuten lang auf der Ersatzbank: Birgit Prinz bei der Partie der deutschen Elf gegen Frankreich. (Foto: dapd)

Dass es um Birgit Prinz bei dieser WM nicht sonderlich gut bestellt ist, war bereits vor diesem Dienstagabend in Mönchengladbach klar. Prinz hatte in der Nationalmannschaft lange nicht mehr getroffen, zuletzt im Herbst 2010, wurde in den ersten beiden WM-Partien gegen Kanada und Nigeria jeweils frühzeitig ausgewechselt, was Prinz selbst deutlich sichtbar missfiel.

Nun muss eine torlose Stürmerin nicht unbedingt ein gigantisches Thema sein. Bei Birgit Prinz jedoch wurde es dies trotzdem. Es wird ihre letzte WM sein, so viel hat Prinz vor dem Turnier angekündigt. Und ausgerechnet jetzt, wo ihr ein würdiger Abschied zusteht, sollte die Stimmung gegen sie kippen? Gegen Frankreich führte zum ersten Mal seit 28 Monaten eine andere, nämlich Kerstin Garefrekes, die deutsche Mannschaft als Kapitänin aufs Feld.

Obwohl Prinz gar nicht spielte, war die Kapitänin allgegenwärtig. Birgit Prinz hier, Birgit Prinz da. Den Mitspielerinnen geht die Debatte mittlerweile gehörig auf die Nerven. Sie stellen sich in Interviews trotzig vor Prinz, betonen ihre nach wie vor wichtige Rolle im Team. Lira Bajramaj etwa, die sagt: "Birgit war sehr professionell. Sie hat mir vor dem Spiel gesagt, dass sie an mich glaubt. Birgit ist einfach ein Supertyp."

Doch die Debatte ist mittlerweile zu groß, um sie wieder kleinzureden. Den Vergleich mit der Demission von Michael Ballack aus der Männer-Nationalmannschaft, wie ihn etwa Günter Netzer in seiner Bild-Kolumne zieht, ist zwar aus diversen, vor allem sportlichen Gründen übertrieben. Die öffentliche Dimension ist jedoch eine ähnliche: Deutschland diskutiert, wie man mit verdienten Sportlern umgeht. Und wie man ihnen einen würdigen Abgang verschafft.

So auch bei der Pressekonferenz nach dem Spiel. Silvia Neid, die Bundestrainerin, thronte oben auf dem Podium, nach ein paar allgemeinen, eindeutig lobenden Worten zur Leistung ihrer Mannschaft kam sie auf ihre traurige Stürmerin zu sprechen.

Frauen-WM: Einzelkritik
:Weibliche Wüteriche

Kerstin Garefrekes tauscht beim 4:2 gegen Frankreich fehlerfrei Wimpel. Nadine Angerer ist wütend, noch wütender als Babett Peter. Bianca Schmidt glänzt im Crosslauf und Fatmire Bajramaj macht Werbekunden glücklich. Die deutsche Frauen-Nationalelf in der Einzelkritik.

Carsten Eberts, Mönchengladbach

Es hatte am Wochenende ein längeres Gespräch zwischen beiden gegeben, an dessen Ende war klar, dass Prinz eine Auszeit bekommen sollte und gegen Frankreich nicht in der Startelf stehen würde. Das ist im Grunde kein ungewöhnlicher Vorgang - eine schöpferische Pause, so passiert es Akteuren in der Bundesliga oder auch in Nationalmannschaften ständig.

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Carsten Eberts, Mönchengladbach

Doch auch Neid versuchte nicht, das Thema klein zu halten. Auf Nachfrage schilderte sie sogar offen Details aus dem Gespräch. "Ich habe sie gefragt, ob sie mental in der Lage sei, zu spielen", erklärte Neid: "Darauf sagte sie: 'Nein, nicht von Anfang an.' Und das zeigt, wie schlecht es der Birgit im Moment geht. Es hat ihr heute wesentlich besser getan, nicht zu spielen."

Auf weitere Nachfragen, weshalb sie Prinz nicht wenigstens in den Schlussminuten einwechselte, erklärte Neid gar: "Ich hatte überhaupt keinen Grund, Birgit zu bringen. Alex (Popp, d. Red.) musste auch mal wieder Spielpraxis bekommen. Wieso sollte ich Birgit bringen, wenn es wunderbar lief? Das hätte ihr doch heute gar nichts gebracht. So war es viel, viel besser."

Eine Stürmerin, der die vergangenen Tage mental so zugesetzt haben, dass sie nicht spielen möchte - so musste dies in der Öffentlichkeit zwangsläufig ankommen. Zumindest die Frage, ob die Bundestrainerin ihrer erfolgreichsten Angreiferin mit ihrer Schilderung nicht noch mehr geschadet hat, muss erlaubt sein. Übermäßiges Taktgefühl bewies Neid jedenfalls nicht.

Zu Prinz' misslicher Lage kommt die sportliche Situation. Gegen Frankreich konnte Neid erstmals bei der WM beobachten, wie ihre Offensive funktioniert: mit der wuseligen Inka Grings als Spitze, dahinter Célia Okoyino da Mbabi, über die Außenpositionen Kerstin Garefrekes und Lira Bajramaj. Ohne Birgit Prinz. "Wir standen als Team kompakt und haben den Ball flach und mit Köpfchen nach vorne gebracht", lobte Neid: "Das war alles klasse, Kompliment an mein Team."

Verbal nach Hause schicken wollte Neid ihre Stürmerin dann jedoch nicht. "Wir sind ein Team und Birgit hat sich genauso über die Tore gefreut wie alle anderen auch", sagte Neid. Was die Erkenntnisse des Tages für das Viertelfinale gegen Japan bedeuten, wollte sie nicht verraten: "Wir haben ja noch ein paar Trainingseinheiten. Ich habe es so empfunden, dass sie im Training sehr viel befreiter war und heute auch. Ich denke, dass wir von Birgit noch was sehen werden."

Die einzige, die das leidige Thema an diesem Tag wirklich klein zu halten versuchte, war Birgit Prinz selbst. Sie verließ die Mönchengladbacher Arena - ohne jedes öffentliche Wort.

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