Fortuna Düsseldorf:Angst  in Überzahl

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Platzverweis als Wachmacher: Erst nach der roten Karte gegen Marin Pongracic (Mitte) konnte sich Wolfsburg in Unterzahl steigern. (Foto: Oliver Hardt/Getty Images)

Gute Fortunen geben auch in Wolfsburg eine Führung her. Aber auch der VfL hat Grund zur Klage: "Pomadig und langsam im Kopf" sei man gewesen, sagt Trainer Oliver Glasner.

Von Jörg Marwedel, Wolfsburg

Der Trainer Uwe Rösler, neuerdings Chef bei Fortuna Düsseldorf, ist in England und Skandinavien sozialisiert worden, und womöglich macht er nun einen weiteren englischen Begriff in der deutschen Fußballsprache hoffähig. Wie schon nach dem 1:1 gegen Frankfurt eine Woche zuvor erklärte Rösler auch das 1:1 in Wolfsburg unter anderem mit "game management" - dies beherrsche seine neue Mannschaft noch nicht so richtig. Ein perfektes "game management" beinhaltet nach Röslers Version, ein Spiel je nach Bedarf schneller oder langsamer zu machen, zur Not auch mal mit einem Foul den Gegner aus dem Rhythmus zu bringen oder auch einfach weiterzuspielen, obwohl ein Kontrahent am Boden liegt. Mit dieser Art Cleverness, glaubt Rösler, könne man Spiele zu seinen Gunsten entscheiden.

Wenn die Düsseldorfer Fortuna diesen Aspekt verinnerliche, so hofft Rösler, bestehe eine sehr gute Chance, den Abstiegskampf erfolgreich zu meistern. Alles gehe "in die richtige Richtung", betonte Rösler am Samstag. Tatsächlich haben seine Spieler überraschend schnell das offensivere Konzept ihres neuen Trainers angenommen, das in einem ziemlichen Gegensatz steht zum Ansatz von Röslers Vorgänger Friedhelm Funkel. Mit frühem Pressing bestimmte Düsseldorf in der ersten Halbzeit in Wolfsburg die Partie auf eine Art und Weise, dass beim neuen Coach, wie er später erzählte, "das Herz gelacht hat". Die Fortuna ging nach einem sehenswerten Angriff durch Matthias Zimmermann früh in Führung (13.) und spielte dabei - ganz nach Röslers game-management-Motto - einfach weiter, obwohl ein Wolfsburger in dieser Szene länger auf dem Rasen lag.

Das brachte den Wolfsburger Admir Mehmedi so auf, dass er Rösler heftig beschimpfte. Er habe gehört, wie der Fortuna-Coach seine Spieler aufgefordert habe, trotzdem weiterzuspielen, ereiferte sich Mehmedi: "Das hat mit Fairness nichts zu tun." Weniger geschicktes Management der Gäste folgt dann allerdings ab der 48. Minute, als die Wolfsburger plötzlich mit einem Mann weniger auskommen mussten. Der Videoassistent hatte gesehen, was Schiedsrichter Tobias Stieler entgangen war: Der neue VfL-Verteidiger Marin Pongracic hatte dem Fortunen Alfredo Morales einen Ellenbogen ins Gesicht geschlagen. Nach dem Videostudium zeigte Stieler dem Österreicher die rote Karte.

Doch in Überzahl merkte Rösler sehr schnell, dass sein neues Team plötzlich etwas zu verlieren hatte und dass es in der Rückrunde bisher noch keinen Sieg gab. Man habe regelrecht "Angst gehabt zu gewinnen", stellte der Düsseldorfer Trainer fest. Und Manager Lutz Pfannenstiel monierte: "Wir haben mit der roten Karte nichts anfangen können." Stattdessen erspielten sich die Wolfsburger in Unterzahl plötzlich Vorteile. Nur zwei Minuten nach dem Feldverweis war Renato Steffen bei einer Flanke von Mehmedi per Kopf zur Stelle und erzielte das 1:1 (50.), weil Gegenspieler Markus Suttner ausgerutscht war. Auch Düsseldorfs frisch hinzugestoßene Mittelfeldspieler Kevin Stöger (fehlte in der Hinrunde wegen eines Kreuzbandrisses) und Valon Berisha (geliehen von Lazio Rom) schafften es nicht mehr, das Spiel zu ordnen und nach vorne zu treiben. Am Ende habe man, wie bereits gegen Frankfurt, "zwei Punkte verschenkt", haderte Stöger.

Die Wolfsburger wiederum spielen derzeit eher wie ein Abstiegskandidat als ein K.o.-Runden-Teilnehmer der Europa League: "pomadig, lethargisch, langsam im Kopf und in den Beinen" sagte VfL-Trainer Oliver Glasner zur Leistung in der ersten Halbzeit. Sein Vorgänger, der Arbeiter Bruno Labbadia, hat die Wolfsburger emotional womöglich besser erreicht als der eher verkopfte Glasner. Der Österreicher gab am Samstag zu, bei seiner Arbeit noch in einem "Lernprozess" zu stecken.

Glasners taktische Pläne gehen noch oft ins Leere. Ließ er in der Hinrunde mit drei Spitzen spielen, beharrt er nun auf einem System mit nur einem echten Stürmer. Daniel Ginczek bekam nicht etwa den zuletzt leicht verletzten Torjäger Wout Weghorst zur Seite gestellt, sondern musste in der Pause für Weghorst trotz des Rückstands Platz machen. Zur unglücklichen Gesamtsituation passte, dass sich der VfL-Verteidiger William bei einem Foul an Erik Thommy selbst wehtat - und zwar so heftig, dass er mit einem dicken Verband ums linke Knie ausgewechselt werden musste.

Die wachsende Unzufriedenheit brachte Mehmedi auf den Punkt: "Wir haben schlecht Fußball gespielt und müssen uns schnell unterhalten." Alles müsse schleunigst besser werden.

© SZ vom 10.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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