Formel 1:Weltmeister nach zehn Jahren Anlauf

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Nico Rosberg: Am Ziel angekommen (Foto: Getty Images)

Lewis Hamilton versucht vergeblich, seinen Team-Kollegen in die Fänge der Verfolger zu treiben: Nico Rosberg wird im entscheidenden Rennen Zweiter und holt mit 31 Jahren erstmals den WM-Titel.

Von René Hofmann, Abu Dhabi

Lewis Hamilton tat alles, um den Kampf um den Formel-1-Titel spannend zu gestalten. Erst fuhr er, so schnell er konnte, dann trödelte er, so gut er konnte, und am Ende ignorierte er sogar mehrere ganz eindeutige Anweisungen seines Mercedes-Teams. Aber es half alles nichts. Der Titelverteidiger konnte den Triumph seines Teamkollegen Nico Rosberg im letzten Rennen der Saison nicht mehr verhindern. 1. Lewis Hamilton, 0,4 Sekunden zurück Nico Rosberg, 0,4 Sekunden zurück Sebastian Vettel im Ferrari, 0,8 Sekunden danach Max Verstappen im Red Bull: In dieser Reihenfolge kamen die ersten vier des Großen Preises von Abu Dhabi um 18.45 Uhr Ortszeit am Sonntagabend ins Ziel.

Dort zündete ein Feuerwerk, und Rosberg tanzte vor Glück. Der 31-Jährige ist nach Michael Schumacher und Sebastian Vettel der dritte Fahrer mit deutscher Lizenz, der zum Formel-1-Champion gekrönt wird. Der Endstand der WM-Wertung: 1. Rosberg/385 Punkte, 2. Hamilton/380 Punkte, 3. Daniel Ricciardo (Australien/Red Bull) 256, 4. Vettel/212.

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:"Die letzten Runden waren richtig ekelhaft"

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"Das war definitiv nicht das Rennen, das ich am meisten genossen habe", sagte Rosberg im Ziel, das er vor allem erleichtert erreichte: "Ich bin sehr, sehr froh, dass es vorbei ist", so Rosberg, "das war immer mein Kindheitstraum." Sein Vater Keke hatte 1982 den Titel errungen - mit lediglich einem Saisonsieg. "Ich bin sehr stolz, dass ich jetzt das Gleiche erreicht habe", sagte Rosberg, der in diesem Jahr neun Rennen gewonnen hat. Hamilton kommt auf zehn Triumphe 2016. Sein Glückwunsch an den Nachfolger fiel knapp aus. "Glückwunsch an Nico, tolle Fahrt!"

Verstappen sorgt für Durcheinander

Zum Handschlag mussten die beiden vom einstigen Rennfahrer David Coulthard, der auf dem Siegerpodium den Conférencier gab, ein wenig gedrängt werden, was nach dem Verlauf des Rennens aber auch kein Wunder war. Der Grand Prix war noch einmal eine Vorführung, wie intensiv die Rivalität zwischen den beiden ist. Und wie weit vor allem Hamilton dabei geht.

Der Start bot an der Spitze noch wenig Drama. Hamilton zog von der Pole-Position, die er in diesem Jahr zum zwölften Mal erobert hatte, als Erster in die erste Kurve. Dahinter reihte sich Ferrari-Fahrer Kimi Räikkönen ein, der es auf den ersten Metern an Daniel Ricciardo (Red Bull) vorbeigeschafft hatte. Für Durcheinander sorgte - wieder einmal - nur Max Verstappen. Der Niederländer rutschte in der ersten Kurve gegen den Force India von Nico Hülkenberg; der folgende Dreher ließ ihn erst einmal weit zurückfallen. Der Niederländer aber sollte sich zurückkämpfen und noch eine wichtige Rolle spielen.

Ein Grund dafür war, dass Rosberg bei seinem ersten Boxenstopp von seiner Crew kurz aufgehalten wurde - um Sebastian Vettel, der sich auf dem Weg zum Reifenwechsel befand, passieren zu lassen. Die 1,2 Sekunden, die das Rosberg kostete, ließen diesen auf den dritten Platz zurückfallen, hinter Verstappen. Einmal versuchte Rosberg, sich an Verstappen vorbeizuzwängen, um Hamilton nicht aus den Augen zu verlieren. Als der Versuch aber scheiterte, gab er sich zunächst geduldig.

Je länger Verstappen auf dem Reifensatz blieb, mit dem er das Rennen begonnen hatte, desto klarer wurde aber, was sein Team mit ihm vorhatte: den Grand Prix mit nur einem Boxenstopp zu bestreiten. Nachdem 20 der zu absolvierenden 55 Runden abgespult waren, erging deshalb ein eindeutiger Funkspruch an Rosberg: "Es ist entscheidend, dass wir jetzt an Verstappen vorbeikommen." Wobei das "Wir" ein schöner Euphemismus war. Rosberg verstand die Aufforderung. Entschlossen attackierte er Verstappen bei nächster Gelegenheit. Der 19-Jährige wehrte sich kurz, setzte dem Titelfavoriten dann aber doch nicht wirklich alles entgegen. Als nächstes Ziel bekam Rosberg das Heck seines Teamkollegen genannt. Der war ihm in dem Moment aber um fast fünf Sekunden voraus.

Wohl auch, um von der Größe der Gelegenheit nicht überwältigt zu werden, hatte Rosberg sich für das Wochenende fest vorgenommen: "Ich will das Rennen gewinnen." Hamilton aber kam er nie wirklich nahe. In jedem der drei Trainingssitzungen war Rosberg hinter seinem Teamkollegen geblieben, in der Qualifikation war der Brite in jedem Durchgang schneller. Und auch im Rennen blieb er für Rosberg die meiste Zeit über unerreichbar.

In Runde 29 bog Hamilton zum zweiten Mal in die Box, in der Runde darauf Rosberg. Beide Male verlief der kleine Service reibungslos. Dass Rosberg anschließend Hamiltons Heck tatsächlich aus der Nähe sah, hatte damit zu tun, dass der Titelverteidiger taktierte und trödelte. Er wollte die Verfolger aufschließen lassen, um Rosbergs Titelfahrt zu gefährden. Dem Kommandostand gefiel das gar nicht. In Runde 48 erging an Hamilton per Funk "ein Befehl": Um den Sieg nicht zu gefährden, sei eine Rundenzeit von 1:45,1 Minuten nötig. Hamilton ignorierte die Anweisung nicht nur. Er gab auch noch zurück: "Hey Jungs, lasst uns einfach fahren!"

Hamilton macht sich unbeliebt bei Mercedes

Je näher die Zielflagge rückte, desto mehr geriet Rosberg unter Druck von Vettel und Verstappen. Rosberg jammerte am Funk ("Ich könnte so viel schneller"), er schlug dem Team einen Handel vor ("Irgendwann müssen wir vielleicht die Reihenfolge tauschen"), eines aber tat er nicht: einen Angriff auf Hamilton zu wagen. Statt wie angekündigt auf Sieg zu fahren, fuhr er auf Platz. Statt sich den Titel zu erobern, wartete er, dass dieser ihm zufiel. Er bewies, was er seit seinem ersten Formel-1-Start 2006 oft bewiesen hatte: Geduld. Zu Kritik an Hamiltons Versuch, ihn zu zermürben, ließ er sich anschließend nicht hinreißen. Die mahnenden Worte sprachen andere. Mercedes-Teamchef Toto Wolff ließ keinen Zweifel daran, was er von Hamiltons Verhalten hielt: "Es geht um weit mehr als um die Gefährdung unseres Erfolges. Er untergräbt die gesamte Strategie des Teams und setzt einen Präzedenzfall", sagte Wolff, der das Hamilton nicht durchgehen lassen will: "Dann hat er die Anarchie und die Macht, alles zu tun, was er will", mahnte Wolff.

Die Saison 2017, in der Hamilton und Rosberg es wieder miteinander versuchen sollen, dürfte spannend werden.

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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