Formel-1-Rennen in Monaco:Wo die Sternchen gern flanieren

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Von Boris Becker bis Fürst Albert: Nirgendwo in der Formel 1 ist der Glamour so erwünscht wie auf dem spektakulären Stadtkurs von Monte Carlo, nirgendwo sind die Fans näher an den Fahrern dran. Das Rennen in Monaco zeigt auch an diesem Wochenende, wie sehr es im Rennzirkus um Marketing geht - ob die Beteiligten wollen oder nicht.

Michael Neudecker, Monaco

Plötzlich war da Feuer, eine Stichflamme stieg auf, einen Meter, vielleicht eineinhalb: Das war lustig. Jenson Button stand da, neben ihm Romain Grosjean, beide trugen eine schwarze Kochmütze und das T-Shirt ihres Formel-1-Teams, die Kochmütze hing seitlich am Kopf herunter, sonderbar sah das aus. Jenson Button, McLaren, machte einen lässigen Spruch, er ist schon lange im Geschäft, er war mal Weltmeister; Romain Grosjean, Lotus, kicherte, er ist ein Neuling, er hat bei solchen Terminen immer rote Aufregungsbäckchen.

Nirgendwo sind die Fans so nahe an den Fahrern dran wie in Monaco. Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel schreibt Autogramme. (Foto: Getty Images)

Vor ihnen drängten sich die Fotografen und Kamerateams, die hektisch knipsten und filmten. So war das am Mittwochabend, als der Reifenfabrikant Pirelli ein Kochbuch vorstellte.

Die Formel 1 ist also wieder in Monaco angekommen, im Zentrum der Hyperventilation. Monaco, sagt Norbert Haug, der Mercedes-Motorsportchef, als er frühstückend im Motorhome seines Teams sitzt, "das ist der Hollywood-Grand-Prix". Er meint das nicht kritisch, eher bewundernd, "wenn du jemandem zeigen willst: Das ist die Formel 1", sagt Haug, "dann kommst du hierher".

Man liebt Monaco oder man hasst es, nirgendwo sind die Fans so nahe dran wie hier, nirgendwo können sie eine Stunde nach den Trainings und dem Rennen über die Strecke spazieren, der Gummi der Reifen klebt ihnen dann an den Füßen. Aber nirgendwo ist die Aufregung größer, sind die Autogrammjäger nervöser, die Nebengeräusche lauter. So oder so betrachtet ist Monaco etwas Besonderes, das bekommt man hier jeden Tag zu hören, jedes Jahr. Die Formel 1 ist ein gigantischer Marketingbetrieb, und in Monaco ist alles noch ein bisschen gigantischer, in diesem Jahr zumal, da das Rennen hier sein Siebzigjähriges feiert.

Es gibt Stehempfänge auf Yachten, ("Dresscode: smart casual"), Markenvorstellungen wie jene Uhrenpräsentation mit Mark Webber auf der Dachterrasse des Motorhomes von Red Bull, ("Ich mochte diese Uhr schon immer und werde sie während dieser Saison immer tragen"); es gibt Canapés bei Ferrari, und es gibt wie jedes Jahr die Fashion Show in der Amber Lounge, einem Sternchenclub am Hafen.

Sie haben dort eine große Bühne am Wasser aufgebaut, drumherum mehrere Stuhlreihen für all die Berühmtheiten, Models und Millionäre, aufgeteilt in die Blöcke A bis F. In Block A sitzen Fürst Albert und seine Gattin, in Block B sitzt Boris Becker, in Block F sitzt niemand mehr, den man kennt.

Natürlich müssen immer auch ein paar Fahrer dabei sein, weil sich Glamour mit Stars am besten verkauft. In der Amber Lounge schreiten manche von ihnen als Models über den Laufsteg: Manche gehen eher, andere, wie der nicht so modelhafte Felipe Massa im vergangenen Jahr, schlendern unbeholfen. Felipe Massa ist dieses Jahr nicht dabei, dafür Bruno Senna, sonst aber keiner, dessen Name in diesem Zirkus eine Rolle spielt. In der Formel 1 ist es zwar üblich, dass die Fahrer in ihren Verträgen eine festgelegte Anzahl an Sponsoren- und PR-Terminen stehen haben, aber in Sachen Amber Lounge gab es offenbar kleinere Debatten im Fahrerlager. Manches ist den Fahrern doch zu albern.

Formel 1 in Monaco
:Rundendrehen im Fürstentum

Das Formel-1-Rennen auf dem Stadtparcours in Monte Carlo gehört allein schon wegen seiner malerischen Rennstrecke zu einem der spektakulärsten Events der Saison. Beim ersten freien Training lassen es viele Fahrer noch ruhig angehen - oder nehmen sich Zeit für ihre Fans.

"Das ist Teil des Spiels", sagt Norbert Haug, auch er aber findet, dass man nicht alles mitmachen müsse. Sebastian Vettel hat im vergangenen Jahr gesagt: "Es ist gewünscht, dass wir möglichst viel machen, es heißt, geh' hierhin, geh' dorthin. Das macht es nicht leichter." Monaco ist auch so eines der anstrengendsten Rennen der Saison, wegen der Häuserschluchten, der ständigen Tempowechsel und Lenkbewegungen, der engen Stellen.

Deshalb, sagt Nico Rosberg, versuche er, "dieses Wochenende so entspannt wie möglich zu gestalten". Rosberg ist der einzige Fahrer im Feld, der in Monaco aufgewachsen ist, er wohnt immer noch hier, und am Freitag, wenn die Fahrer nicht ins Rennauto steigen, sondern Autogrammstunden geben und Sponsorenhände schütteln, "dann bin ich zwischendurch auch mal zu Hause", sagt Rosberg, "und sitze im Pool."

Der Pool gehört hier zum Leben wie die Yacht im Hafen: Monaco ist ein Staat gewordenes Klischee. Und Monaco gibt gerne an mit seinen Klischees, besonders an diesem Wochenende.

Die Bewohner der Häuser direkt an der Rennstrecke vermieten ihre Wohnungen für dieses Wochenende, manche bezahlen damit ihre Jahresmiete, Unternehmen wie Mercedes nutzen die Wohnungen, um Sponsoren und Gäste zu beglücken. Auf den Terrassen und Balkonen sitzen dann smart casual gekleidete Menschen, die meisten haben ein Glas in der Hand, und blicken auf die unbeschreiblich lauten Autos, die direkt vor ihnen vorbeischießen, auf das von Kimi Räikkönen zum Beispiel, der ja nun wieder zurück ist in der Formel 1. Kimi Räikkönen ist hier einmal im Rennen mit einem von mehreren Steinchen besetzten Helm gefahren, jeder rund 10 000 Euro teuer.

Dabei ist niemand so weit von teuren Steinchen entfernt wie Räikkönen, der gerne mit seiner Gleichgültigkeit kokettiert. Das Drumherum in der Formel 1 hat er einmal als "Bullshit" bezeichnet, und als er nun sein erstes Pressegespräch in Monaco gab, war sein häufigster Satz: "I don't care." Mir egal. Räikkönen mit Kochmütze? Undenkbar. Jenson Button dagegen, der freundliche Engländer, sagt, man habe ihn gefragt, und er habe eben eingewilligt. Er weiß, dass Kochmützen aufsetzen Teil seines Berufs ist, auch, wenn das manchmal sehr eigenartig sein kann.

Miles and Meals", so steht es im Pressetext zum von Button und Grosjean präsentierten Kochbuch, sei "eine spielerische Art, die Ähnlichkeiten zwischen Reifen und Risotto zu illustrieren", ganz im Ernst.

© SZ vom 25.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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