Formel 1: Michael Schumacher:Ein bisschen Star muss sein

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Rivalen, Kartenverkäufer und TV-Sender sind entzückt: Der 41-jährige Michael Schumacher belebt das zuletzt müde Formel-1-Geschäft - und sein Arbeitgeber Mercedes freut sich.

René Hofmann

Als Michael Schumacher am 1. Februar zum ersten Mal mit einem Formel-1-Rennwagen von Mercedes fuhr, übertrug der Fernsehsender n-tv das Ereignis live. Die Zuschauer lernten dabei, dass es beim Motorsport mitunter zugeht wie im Kreißsaal. "Das ist wie bei einer Geburt", berichtete der Reporter vom Circuit Ricardo Tormo bei Valencia: "Man weiß nie, wann es losgeht."

Nun, an diesem Wochenende ist es definitiv so weit. An diesem Donnerstag um elf Uhr wird Michael Schumacher am Sakhir International Circuit in Bahrain für Fotos posieren. Um 13 Uhr wird er auf einer internationalen Pressekonferenz auftreten. Am Freitag wird er von 8 bis 9.30 Uhr und von 12 bis 13.30 Uhr Trainingsfahrten bestreiten. Am Samstag um zwölf Uhr deutscher Zeit startet die Qualifikation. Am Sonntag um 13 Uhr will er nach 1239 Tagen Pause wieder an einem Formel-1-Rennen teilnehmen. "Ich bin zufrieden und freue mich jetzt extrem auf den Saisonstart", lässt Schumacher wissen.

Die Szene freut es. Nach Jahren der Intrigen und Querelen, der Drohungen und Fouls kann sie ihr altes Zugpferd gut gebrauchen. "Seine Rückkehr ist sehr gut für unseren Sport", glaubt der 19 Jahre jüngere Sebastian Vettel, der einst Schumacher-Poster in seinem Kinderzimmer hängen hatte. Welchen Effekt der Wiedereinstieg des 41-Jährigen hat, ließ sich bereits bei den Testfahrten im Winter erkennen. Normalerweise sind die Übungsrunden auf abgelegenen Pisten öde Veranstaltungen, die niemanden interessieren. Schumachers Debüt, das mit dem ersten Auftritt von Fernando Alonso in Ferrari-Rot zusammenfiel, lockte mehr als 30.000 Zuschauer.

Internationales Phänomen Schumacher

Am Hockenheimring brach, als Schumachers Ja zu Mercedes kurz vor Weihnachten bekannt wurde, die Telefonanlage zusammen, so groß war der Ansturm auf Karten für den Deutschland-Grand-Prix, der am 25. Juli stattfindet. Seit der Kurs vor acht Jahren für mehr als 60 Millionen Euro umgebaut wurde, war er selten ausverkauft. Jetzt besteht wieder Grund zur Hoffnung. Und nicht nur hierzulande. Die Betreiber der Strecke in Malaysia, wo am 4. April das dritte Saisonrennen ansteht, rechnen mit 160.000 Zuschauern - das wären etwa 20 Prozent mehr als vor zwei Jahren.

Das Phänomen Schumacher ist ein internationales. Bereits im vergangenen Sommer war das zu beobachten, als der siebenmalige Weltmeister seinen ersten Comeback-Versuch wegen einer Nackenverletzung absagen musste. Die Pressekonferenz, die er damals in einem Hotel in Genf abhielt und bei der es um die durchschlagene Arterie cerebelli inferior ging und den gestauchten ersten Halswirbel Atlas, wurde nicht nur in zwei deutschen TV-Sendern live ausgestrahlt, sondern auch in Italien und in England. Der Beginn der Saison ist nun dem Time- Magazin eine Titelgeschichte wert, der Nachrichtensender CNN hat seinen bekannten Reporter Richard Quest nach Bahrain geschickt und sendet in der Woche vor dem Grand Prix täglich ein Business-Magazin aus dem Königreich.

Nicht jedes Beispiel für die gestiegene Aufmerksamkeit, die der Serie zuteil wird, geht unmittelbar auf Schumacher zurück. Aber geschadet hat seine Rückkehr mit Sicherheit nicht. Welch' aberwitzige Blüten der Personenkult in der Sportart mitunter treiben kann, war bereits in seiner ersten Karriere zu sehen gewesen. Als Schumacher in den Jahren 2000 bis 2004 fünf WM-Titel in Serie für Ferrari eingefahren hatte, hatte Lidl die "Schumilette" ins Sortiment genommen und die ABC-Schützen im Autoland Baden-Württemberg hatten zu Schulbeginn keine orangefarbenen Warnmützen mehr geschenkt bekommen, sondern rote. Bald könnten es silberne sein.

Der Deutsche sieht gern Deutsche siegen

Über den Rummel, den der bekannteste Autofahrer der Nation ausgelöst hat, freut sich vor allem sein neuer Arbeitgeber. Bei Mercedes wird traditionell mit spitzem Bleistift notiert, wie viel welche Investition in den Sport bringt. Seit die Nachricht von Schumachers Comeback am Tag vor Weihnachten die Runde machte, wurden einige Bleistifte stumpf geschrieben. 30 Millionen Euro hätte es das Unternehmen angeblich gekostet, um bis zum Saisonstart mit Anzeigen einen ähnlichen Werbewert zu erzielen, wie ihn die Verpflichtung Schumachers gebracht hat. Mit jedem guten Resultat fällt die Bilanz noch besser aus. Zum gemeinsamen TV-Schauen lädt die Firma am Samstag in etliche Autohäuser.

Das DSF zeigt bereits Schumachers Übungsrunden am Freitag. RTL wird am Samstag ab 8.45 Uhr zu dem Thema auf Sendung gehen. Der Bezahlsender Sky hat einen eigenen Kanal eingerichtet, der ausschließlich Schumacher einfangen wird. Die Bedeutung der Rückkehr des Champions für den Motorsport sei "ganz enorm", sagt RTL-Sportchef Manfred Loppe. Was die Quotenerwartungen betrifft, gibt sich der Formel-1-Sender zurückhaltend. Die Serie werde sicher "so viel Spannung und Reibungsflächen bieten, dass das Interesse spürbar nach oben gehen wird", sagt Loppe. Erwünscht aber dürften sicher Werte sein, wie sie Motorsport-Total.com bereits meldet, eine der führenden deutschsprachigen monothematischen Internetseiten: Im Vergleich zum gleichen Monat 2009 zog das Angebot im Februar dieses Jahres fast 75 Prozent mehr Neugierige an.

Spannung und Reibungsflächen sind für die TV-Quoten gar nicht so entscheidend. Das bisherige Rekord-Jahr für RTL war mit einem Zuschauerdurchschnitt von 10,44 Millionen bei jedem Grand Prix die Saison 2001, als Schumacher neun von 17 Rennen gewann. Der Deutsche sieht einfach gerne den Deutschen siegen. Und was sagt er selbst zu all dem? "Es ist, als bräche ein Schwall positiver Energie über mich herein." Na denn, los geht's.

Im Video: Das Warten hat ein Ende: 1239 Tage nach seinem letzten Rennen will Michael Schumacher in eine neue Formel-1-Ära starten.

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© SZ vom 11.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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