Formel 1 in Montréal:Zwischen Vettel und den Verfolgern liegt eine Welt

Lesezeit: 3 min

Dusche für den Gewinner: Hamilton bespritzt Vettel. (Foto: dpa)

Triumph am Ort der Demütigung: Vor zwei Jahren hatte Sebastian Vettel beim Großen Preis von Kanada das schlimmste Debakel seiner Karriere erlebt, nun gewinnt der Formel-1-Weltmeister mit einem Start-Ziel-Sieg souverän und baut in der WM-Wertung seine Führung deutlich aus. Nach dem Rennen ist er kaum zu bremsen.

Von René Hofmann

Wenn ein Sieg Sebastian Vettel besonders viel bedeutet, ist das immer gleich zu hören: Dann gerät der Formel-1-Weltmeister ins Schwärmen und ist kaum mehr zu bremsen. Nach dem Großen Preis von Kanada an diesem Sonntagabend auf dem Circuit Gilles Villeneuve in Montréal war das so. Sebastian Vettel schwärmte über sein Auto: "Es war perfekt, einfach grandios. Und je weniger Benzin an Bord war, desto besser wurde es." Er schwelgte in Zufriedenheit, die zuletzt aufkommenden Rivalen auf die Plätze verwiesen zu haben: "Es war absolut wichtig zu zeigen, dass der Speed da ist."

Und seine Gedanken schweiften sogar zu den vielen Menschen daheim in Deutschland, die gerade gegen das Hochwasser ankämpfen. "Kein anderes Land in Europa", findet Vettel, bekomme es angesichts einer solchen Naturkatastrophe derart gut hin, zusammenzurücken. Hätte sich nicht irgendwann die Dunkelheit über die Rennstrecke gesenkt - Vettel hätte vermutlich noch ein Weilchen weitergedankt und sinniert.

1. Vettel/Red Bull, 2. Fernando Alonso/Ferrari, 3. Lewis Hamilton/Mercedes - so lautete das nüchterne Ergebnis des siebten Saisonrennens. Zustande gekommen war der Triumph - Vettels dritter in diesem Jahr - auf wenig bemerkenswerte Weise. Am Samstag hatte sich der 25-Jährige in einer verregneten und deshalb turbulenten Qualifikation die beste Startposition erkämpft. Den begehrten Platz an der Spitze verteidigte Vettel, als die Startampel erlosch. Auf dem ersten Umlauf war er dann gleich einmal zwei Sekunden schneller als der nächstbeste Verfolger. Zwei Sekunden! In der Zeitrechnung, die in der Formel 1 gilt, ist das eine Welt. Und so, wie er begann, setzte Vettel die Hatz dann auch fort: Überlegen, von vorne weg fuhr er den ungefährdeten Sieg ein, der ihm so viel bedeutete, weil er auf dieser Strecke noch nie gewonnen hatte.

Vor zwei Jahren hatte er auf der Schleife die schlimmste Demütigung seiner Karriere erlebt, die schlimmste Demütigung, die ein Rennfahrer wohl überhaupt erleben kann: In der letzten Runde, auf den letzten Metern eines außergewöhnlich chaotischen und deshalb auch außergewöhnlich anstrengenden Rennens, hatte er den Sieg verschenkt - ein winziger Fahrfehler hatte dem McLaren-Rivalen Jenson Button damals einen Abstauber-Erfolg erlaubt.

Auch dieses Mal ging nicht alles ganz glatt. Früh im Rennen touchierte Vettel einmal die Wand, an der beim Einbiegen auf die lange Geraden schon viele Champions zerschellt sind, etwas später leistete er sich in Kurve 1 einen Verbremser. Am Ende aber gab es ein gutes Ende und ein großes Lob von Teamchef Christian Horner: "Fantastisch Seb, phantastisch!"

Mit dem Sieg baute Vettel seinen Punktestand auf 132 Zähler aus. Zum nächsten Großen Preis, dem Großbritannien-Grand-Prix am 30. Juni in Silverstone, reist er mit stolzen 36 Punkten Vorsprung auf seinen härtesten Verfolger. Dieser heißt seit Sonntag wieder Fernando Alonso. Der Spanier, mit dem Vettel sich schon in den vergangenen Jahren im Titelkampf regelmäßig duellierte, zeigte erneut eine starke Leistung: Von Startplatz sechs aus lenkte er seinen roten Renner souverän in Vettels Windschatten.

Der Finne Kimi Räikkönen stellte zwar einen Rekord ein: Ihm glückte es, im 24. Rennen nacheinander einen Punkterang zu ergattern (was zuvor lediglich Michael Schumacher in seiner Ferrari-Zeit geglückt war); weil Räikkönen aber lediglich Neunter wurde, musste er den zweiten Platz in der Gesamtwertung räumen. Als Dritter des WM-Klassements hat er nun bereits 44 Punkte Rückstand auf Vettel, was die Vermutung nährt, dass er sich nun zügig aus dem Kampf um den Titel verabschieden dürfte.

Wirklich in diesen eingreifen können wohl auch die zwei Mercedes-Piloten, Lewis Hamilton und Nico Rosberg, nicht. Hamilton konnte den guten zweiten Platz, den er am Start belegte, nicht über die Distanz retten, und auch Rosberg verlor über die 70 Runden eine Position und wurde letztlich nur Fünfter. Weil er einen Reifensatz mit einem zu vehementen Einsatz beim Bremsen arg strapazierte, rieten ihm die Strategen am Kommandostand in der Schlussphase zu einem zusätzlichen Reifenwechsel. Daran allein aber lag es nicht. Die Mercedes-Fahrer hatten erneut prinzipiell Probleme, das Beste aus den fragilen Reifen zu holen, über die es in diesem Jahr schon so viel Streit gegeben hat.

Formel 1 in Montréal
:Streckenposten stirbt nach dem Rennen

Der Sieg von Sebastian Vettel wird von einem tragischen Unfall überschattet. Während des Rennens stolperte ein Streckenposten vor einen Bergungskran und wurde überollt - der 38-Jährige erlag seinen schweren Verletzungen.

Nichts mit der Konstruktion der Reifen hatte dagegen das Aus von Nico Hülkenberg zu tun: Der 25-Jährige musste seinen Sauber abstellen, nachdem er dem Caterham von Giedo van der Garde zu nahe gekommen war. Adrian Sutil zeigte sogar, dass mit den Pneus einige Kunststückchen möglich sind. Nach einer Berührung mit dem Williams des Finnen Valtteri Bottas schleuderte Sutils Force India bei voller Fahrt um 360 Grad. Sutil, der von Platz acht gestartet war, machte aber weiter. Und wurde letztlich Zehnter.

© SZ vom 10.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: