Formel 1: BMW hört auf:Die Entdeckung der Langsamkeit

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Nachhaltigkeit statt Nürburgring: BMW verlässt die Formel 1 - die sportliche Talfahrt scheint für Sponsoring nicht mehr vermittelbar.

J. Beckenkamp

Auf einer Pressekonferenz der BMW-Motorsportabteilung geht es nicht zu wie in der Boxengasse bei einem Formel-1-Rennen. Im vollklimatisierten Versammlungssaal der Münchner Konzernzentrale ist es vielmehr angenehm kühl. Es geht gediegen zu wie bei einer Bilanzpressekonferenz. Dabei verkünden die Chefs des einzigen deutschen Formel-1-Rennstalls Dramatisches: den Ausstieg.

Aus und vorbei: Motorsportchef Mario Theissen (rechts) und Entwicklungsvorstand Klaus Draeger (links), erklärten bei einer Pressekonferenz den Ausstieg von BMW aus der Formel 1. (Foto: Foto: AP)

Die anwesenden Journalisten wissen das schon. In der Früh schon hatten die Nachrichtenagenturen die Sensation in die Republik hinausgejagt: BMW beendet sein Engagment im Rennzirkus nach drei Jahren in Eigenregie. Man wolle sich "strategisch neu ausrichten" - was man halt in der bitteren Stunde des Abschieds so erzählt.

Auf dem Rednerpodium thronen Entwicklungsvorstand Klaus Draeger, Vorstandschef Norbert Reithofer und Motorsportchef Mario Theissen. Neun Jahre haben sie es insgesamt in der Formel 1 ausgehalten, im lärmenden, teuren Betrieb des kauzigen Briten Bernie Ecclestone. Theissen macht das Ende sichtbar am wenigsten Spaß: "Klar bin ich persönlich sehr enttäuscht. Es war eine tolle Herausforderung, in der Formel 1 mitzufahren und es gab große Erfolge. Mir war von Anfang an klar, dass es in diesem Projekt viele Fragezeichen gab, aber ich möchte die tolle Zeit nicht missen. Leider lässt sich dieses Engagement nicht mehr mit der Strategie von BMW vereinbaren."

Nachhaltigkeit statt Rennwagen

Der neue Weg des weiß-blauen Konzerns ist: mehr Nachhaltigkeit. Die eigenen Betätigungsfelder schrumpfen. Nun zählt der Ausbau von Technologie und Entwicklung - und nicht das Millionenkarussell der Formel 1. Natürlich spielt auch Geld eine Rolle: "In einer Zeit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen müssen wir handlungsfähig und flexibel bleiben. Dieser Tatsache haben wir Rechnung getragen", sagt Entwicklungsvorstand Draeger.

Es wurde also gerechnet bei BMW. Ergebnis: Die Boliden rentieren sich nicht. Rund 700 Jobs, die an der Formel 1 hingen, werden überflüssig.

Der vielbeschworene Technologietransfer von der Formel 1 ins normale Autogeschäft blieb eine Luftnummer. Nie gingen Innovationen der hochgezüchteten Rennserie in die Serienproduktion ein. Ein Mitbrummen in der Formel 1 machte aus rein sportlichen Gründen für das Unternehmen nur so lange Sinn, wie Ruhm und Erfolg Positives auf die Marke BMW abstrahlten. Das hat sich in diesem Jahr geändert.

BMW liegt in der WM weit zurück

Nach einigen erfolgreichen Jahren im Rennzirkus fährt BMW in der Weltmeisterschaft den anderen hinterher. In der Teamwertung liegt der Rennstall mit acht mageren Pünktchen gerade einmal auf Platz acht. Die Ausbeute der Fahrer Nick Heidfeld (sechs Punkte) und Robert Kubica (zwei Punkte) ist desaströs. Wie werbewirksam ist ein Automobilunternehmen, das in der Formel 1 nicht konkurrenzfähig ist?

"Das Sponsoring lohnt sich in der Formel 1 nur, wenn man vorne mitfährt", gibt Vorstand Draeger zu. Das passt nicht so recht zur Außendarstellung seiner Kollegen, die nicht müde werden zu betonen, welch prägendes Element die Formel 1 für BMW seit 1999 marketingtechnisch gewesen sei. Vorstandschef Reithofer gibt tapfer zu Protokoll, dass die aktuelle Entscheidung "nichts mit der sportlichen Performance in diesem Jahr" zu tun habe.

Harte Zeiten

Letztlich geht es den Verantwortlichen wohl um Schadensbegrenzung. Die Verhältnisse haben sich geändert. Die Wirtschaftskrise und die Umweltkrise sind da, und da sind im Kreise brausende Fahrer schnell ein Witz der Geschichte. Und wer will sich, wie BMW, schon vorwerfen lassen, man habe sich neuerdings auf die Entdeckung der Langsamkeit spezialisiert?

Nach 40 Minuten ist die Pressekonferenz bei BMW zu Ende. Ein Reporter von RTL fragt noch, ob es denn wirklich schon so schlimm sei, dass man sich die Formel 1 nicht leisten könne. Raunen im Saal. Herumdrucksen auf dem Podium. Dann sagt Entwicklungsvorstand Draeger: "Nein, das ist nicht der Grund für den Ausstieg. Wir möchten uns strategisch neu ausrichten. Das ist alles."

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