Fifa:Im Schatten von Ronaldo

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Nach der Weltfußballer-Wahl wird die Fifa am Dienstag wohl beschließen, dass die WM ab 2026 mit 48 Teams gespielt wird. Denn der Weltverband benötigt viel Geld.

Von Thomas Kistner, München

Alles beim Alten im neuen Jahr. Wenn sich die Fifa-Granden zu Wochenbeginn in Zürich versammeln, hat nicht nur das Siegerfoto von der Weltfußballer-Kür archivarischen Charme: Cristiano Ronaldo, diesmal wieder vor statt hinter Lionel Messi. Altvertraut sind auch die Intrigen und Machtspiele an der Spitze des Weltverbands. Der hat in Gianni Infantino eine Neubesetzung für Sepp Blatter gefunden, die für Kontinuität im tiefsten Sinne bürgt. Die Fifa gewinne nun Glaubwürdigkeit zurück, verriet Infantino jüngst der spanischen Marca. "Es ist eine neue Ära, eine neue Fifa, eine transparente Organisation. Ab jetzt werden Sie wissen, wo das Geld herkommt und wohin es fließt."

Was man so sagt als neuer Fifa-Boss der alten Prägung. Konkreten Nachprüfungen hält die neue Transparenz kaum stand. Gerade der finanzielle Bereich entwickelt sich seit den FBI-Zugriffen auf die hohe Funktionärswelt Mitte 2015 sehr bescheiden. Und schon nach der WM 2014 hatten, neben anderen, zwei der sechs Fifa-Topsponsoren, der japanische Elektronikkonzern Sony und die Fluggesellschaft Emirates, die Segel gestrichen. Dass dies auch dem dramatischen Imageeinbruch der Fifa geschuldet war, liegt auf der Hand; Emirates sah sich gar einem Shitstorm seiner Kunden ausgesetzt. Die Fifa nahm in der Folge die Marktrivalen der Abtrünnigen ins Visier, Qatar Airways und den Samsung-Konzern in Korea. Auf Anfrage, ob diese Verhandlungen gescheitert seien, dementierte die Fifa - ohne nähere Angaben.

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Die kleine Transparenzdelle führt zu den Problemen, die den Festakt um den im Spiel wie in der Steuervermeidung höchst trickreichen Weltkicker Ronaldo überlagern. Infantino hat den 209 Verbänden der Welt bei seiner Thronkür im Februar 2016 das Übliche versprochen, Geld. Viel, viel mehr Geld, fünf Millionen Dollar pro Federation im Vier-Jahres-Zyklus statt der bisher 1,6 Millionen Dollar.

Gelernt ist gelernt. Das Problem nur: Tatsächlich geht es der Fifa finanziell eher mittelprächtig. Was nicht nur an den enormen, anhaltenden Zusatzkosten liegt, die für juristische Beratungen im Zuge der Ermittlungen der US-Justiz anfallen. Hier ist kein Ende in Sicht, und keineswegs garantiert, dass die Fifa den Opferstatus nicht noch verliert, der ihr bisher die Koexistenz mit einer globalen Affäre ermöglicht.

Die gewisse monetäre Klammheit ergibt sich noch aus weiteren Problemen. Der Weltverband findet unter Infantino, der selbst bereits eine (nach Monaten eingestellte) Ermittlung der Fifa-Ethiker hinter sich hat, nicht raus aus der tiefen Fahrrinne, die dreieinhalb Jahrzehnte des Blatterismus hinterlassen haben. Im Gegenteil. Infantinos bizarre Personalpolitik - zur Generalsekretärin machte er in der UN-Mitarbeiterin Fatma Samoura eine Senegalesin, die Fußball nur aus dem Fernsehen kannte - wird ergänzt durch ein beispielloses Revirement in der Verbandszentrale.

Auch auf den obersten Ebenen blieb kaum jemand im Amt, nun sind gleich zwei Arbeitsrechtler als Mediatoren beschäftigt, die Wogen zwischen geschassten Mitarbeitern und Verband zu glätten. Angesichts dieser Gemengelage rund um die neue Fifa überlegt sich mancher Interessent zweimal, ob er im Werbegeschäft wirklich gut platziert ist neben Unternehmen wie dem Energieriesen Gazprom, der in rauen Zeiten als neuer Fifa-Sponsor auftritt. Im von staatlich orchestriertem Doping gebeutelten Russland findet ja die WM 2018 statt.

Infantino kennt das schlüpfrige Gewerbe der Fußballpolitik, den diskreten Handel mit einer ungestüm fordernden Verbandsklientel. Das hat er ja schon als Generalsekretär der Europa-Union Uefa kennengelernt, wo unter ihm und seinem damaligen Chef Michel Platini die Dominanz der Vertreter Osteuropas zunahm. Und die Skandaldichte. Jetzt muss Infantino in der Fifa liefern, und zwar flott. Deshalb treibt er jene Machtpolitik auf die Spitze, die er bei Blatter und Platini abgeguckt hat: Einfach die einzige Kuh noch rigoroser melken, die auf der Wiese steht. Im Fall Fifa ist die enorme, zugleich einzig nennenswerte Einnahmequelle das WM-Turnier. Also muss dort alles rausgeholt werden.

Bis zu 500 Millionen Dollar Mehrerlöse versprechen sich die Fußballmarkentender von einer WM, die auf 48 Teilnehmer aufgebläht wird. Hinzu kommt der kräftige politische Schub für einen Präsidenten, der den WM-Traum in den Sportkosmos von Tuvalu über Tahiti, Guam bis Guinea projizieren kann. Denn zu den Systemdefiziten im Weltfußball zählt auch, dass Fußballzwerge wie Vanuatu oder die Malediven dieselbe Stimme im Fifa-Parlament haben wie Brasilien oder Deutschland.

Deshalb stehen Letztere auf verlorenem Posten. Die Proteste der neuen Spitze des Deutschen Fußball-Bundes gegen Infantinos Pläne zur WM-Aufblähung werden schlicht verhallen, mögen sich DFB-Chef Reinhard Grindel und die Vertreter des nationalen Profibetriebs noch so lautstark gegen das künftige Jedermann-Turnier stemmen. Und wenn am Dienstag nach der Gala das neue Fifa-Vorstandsgremium, der sogenannte Rat, über Infantinos vier Vorschläge für die Wasserkopf-WM brüten, wird kein deutscher Funktionär am Tisch sitzen. Eine Folge der Sommermärchen-Affäre, die unter anderem Grindels Vorgänger Wolfgang Niersbach zu Fall gebracht hatte; der saß auch im Fifa-Vorstand.

Andererseits, auf die eine deutsche Stimme käme es am Ende sowieso nicht an. Zu stark ist Infantinos Gefolgschaft. Das hatte sich schon in der massiven Unterstützung gezeigt, die der Schweizer bei seiner Präsidentenkür just aus den chronisch bedürftigen Regionen Afrikas und Asiens erfuhr. Intern wird bereits jene WM-Variante favorisiert, die ein Turnier-Format mit 48 Teams in 16 Dreiergruppen präsentiert. Die jeweiligen Gruppen-Ersten und -Zweiten kommen weiter, es folgen K.o.-Runden bis zum Endspiel.

Die Verwässerung der sportlichen Qualität war unter Funktionären nie ein echtes Streitthema. Wen interessiert das? Es geht ums Geld. Stets waren WM-Aufstockungen Wahlversprechen. Das gilt auch für das neue 24er-Euro-Turnier, das die Uefa ihrem Wahlkämpfer Platini verdankt. Es muss 2020, in Ermangelung eines passenden Ausrichters, über den ganzen Kontinent verteilt werden. Platinis Generalsekretär damals war übrigens Infantino.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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