Fifa:Die WM-Expansion ist durch und durch amerikanisch

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Die USA könnte sich für die erste Mammut-WM 2026 bewerben, die Liga MLS etabliert sich gerade. (Foto: imago/ZUMA Press)

Die USA kann Kritik an der Mammut-WM nicht nachvollziehen. Südamerika bangt um seine Qualifikation. Die kleinsten Fußballnationen zucken die Schultern. Reaktionen zur Fifa-Entscheidung.

Von SZ-Autoren

Eine Fußball-WM mit 48 Mannschaften? Die Kritik aus Deutschland war besonders harsch, als das Council des Fußballweltverbands Fifa am Dienstag einstimmig den Vorschlag des Präsidenten Gianni Infantino abgenickt hatte, das wichtigste Sportereignis des Planeten ab 2026 von bisher 32 Teams um 16 weitere aufzustocken. Die Sorge um eine "Verwässerung" der sportlichen Qualität (Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff) steht dabei ebenso im Fokus wie die Befürchtung, dass von einem Turnier mit dann 80 WM-Spielen gewiss mehr Verletzte in Europas Topligen zurückkehren werden als bisher aus 64 WM-Spielen (selbst wenn auf dem Weg zum Titel wie bisher maximal sieben Partien zu absolvieren sein werden).

International ist die Resonanz vielschichtiger. Ein Blick nach Südamerika, in die USA und nach Zentralasien. (Und hier ein Blick in die großen europäischen Ligen.)

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Javier Tebas ist sauer. Italien will "sich anpassen". England zittert vor dem Elfmeterschießen schon in der Gruppenphase. Reaktionen aus Europa zur Aufstockung der WM.

Von SZ-Autoren

Südamerika

Einer der unterhaltsamsten Fußballwettbewerbe der Welt ist das Turnier der südamerikanischen WM-Qualifikation, die "Eliminatorias". Zehn Mannschaften mit insgesamt neun Weltmeister-Titeln streiten um viereinhalb Startplätze, und fast jeder kann jeden schlagen. Auch die Andenrepubliken Ecuador und Bolivien sind unberechenbar, weil sie ihre Heimspiele auf höchstem Niveau austragen. Lediglich die Dauerverlierer Peru und Venezuela sind zu bemitleiden, sie haben das Pech, dass ihre Hauptstädte nicht auf dem Berg liegen.

An jedem der 18 Spieltage aber gibt mindestens zwei packende Duelle. Demnächst zum Beispiel: Argentinien gegen Chile und Brasilien gegen Uruguay. Derzeit müssen sich Fußballgroßmächte wie Argentinien und Kolumbien ernsthafte Sorgen um die Teilnahme 2018 in Russland machen.

Mit der WM-Erweiterung auf 48 Teams werden nun die ersten Nachrufe auf diese schönen Eliminatorias verfasst. "Das Turnier hat keinen Sinn mehr, wenn am Ende nur drei Mannschaften auf der Strecke bleiben", meint die argentinische Zeitung La Nación. Zwei Nachfolgemodelle werden bereits diskutiert. Erstens: Eine Unterteilung in zwei Fünfergruppen, in denen dann wohl Brasilien und Argentinien sowie die beiden Bergsportländer Ecuador und Bolivien jeweils getrennt gesetzt wären. Zweitens die Fusionierung mit der Mittel- und Nordamerika-Qualifikation.

"Wir haben das noch nicht besprochen, aber ich sage nicht Nein", teilte Alejandro Domínguez mit, der Präsident des südamerikanischen Verbandes Conmebol. Statt auf Messi gegen Luis Suárez oder Neymar gegen Alexis Sánchez dürfte man sich dann künftig wohl auf brasilianische oder argentinische Ersatzspieler gegen Oalex Anderson freuen. Das ist der Topstürmer von St. Vincent und den Grenadinen.

Boris Herrmann

Kasachstan, Aserbaidschan, Usbekistan.

Klein ist nicht gleich klein, das lässt sich dieser Tage bestens feststellen. In Aserbaidschan etwa machen sie sich erst gar keine Illusionen. "Die Aufstockung erhöht unsere Chancen auf die Qualifikation auch nicht sehr", sagt Elhan Mamedow, Generalsekretär des nationalen Fußballverbandes. Denn auch wenn rein mathematisch künftig alle Nationen erhöhte Chancen für eine WM-Qualifikation haben, so bleibt bei einigen von ihnen die sportfachliche Wahrscheinlichkeit exakt so klein wie bisher. Das betrifft zum einen die absolut Kleinsten wie Bhutan, Eritrea oder die Bahamas (derzeit alle gemeinsam Weltranglisten-205.). Und zum anderen die europäischen Kleinen wie eben Aserbaidschan oder Moldau. Für die ändert sich im Prinzip nichts, wenn statt 13 künftig 16 europäische Teams zur WM fahren - da sind sie weiter nur schwerlich darunter.

Die hauptsächlichen Reform-Profiteure sind ja die Nationen aus dem Mittelbau des Weltfußballs; Elhan Mamedow muss nur einmal schräg übers Kaspische Meer gucken, um einen typischen Vertreter zu erblicken. Seit geraumer Zeit darf sich Usbekistan zu den besten acht Nationen des asiatischen Fußballverbandes zählen, aber zu einer WM-Endrunde schaffte es bisher nur der Schiedsrichter Rawschan Ermatow und nicht die Nationalelf. Aber wenn jetzt Asien (bisher 4,5) wie auch Afrika (5) einen Zuwachs von vier, fünf Startplätzen erhält, dürfte Usbekistans WM-Premiere nicht mehr fern sein.

Ach ja, und den größten Reform-Verlierer unter den 211 Fifa-Mitgliedern hat Zentralasien auch noch zu bieten, nämlich Kasachstan. 2002 wollte dessen Verband partout die kontinentale Föderation wechseln: raus aus Asiens AFC, rein in Europas Uefa. "Warum haben wir das nur gemacht?", fragt nun ein Autor auf der Plattform sport.kz. Denn für die acht, neun asiatischen Startplätze wäre Kasachstan durchaus infrage gekommen. In Europa aber ist die Qualifikation auch künftig so gut wie unmöglich.

Johannes Aumüller

USA

Jetzt habt euch mal nicht so! Das ist die Reaktion der US-Amerikaner auf die WM-Pläne der Fifa. Das liegt auch daran, dass Aufstockung und Aufblähung zur DNA des amerikanischen Sports gehören. Expansion Teams nennen sie das, wenn eine Liga neue Lizenzen vergibt und ähnlich dem Franchise-System von Schnellrestaurants frische Vereine in bislang unbesetzten Gebieten gründet.

Es genügt ein Blick auf die vergangenen 50 Jahre: Die Major League Baseball ist in dieser Zeit um elf Vereine auf derzeit 30 gewachsen, die National Basketball Association hat im Jahr 1976 aus einer Konkurrenzliga vier Klubs aufgenommen und seitdem noch einmal acht Franchises eingeführt. 23 Vereine der National Hockey League haben 1966 noch nicht existiert, und im kommenden Jahr kommen dort noch die Vegas Golden Knights hinzu. Die National Football League bekam durch die Fusion mit der American Football League 1970 zehn und seitdem noch einmal sechs Vereine hinzu. In der kommenden Saison sollen vier Partien in London ausgetragen werden, die Liga will möglichst bald einen eigenen Verein dort installieren und danach möglicherweise auch nach Deutschland expandieren. NFL-Chef Roger Goodell hat den Vereinsbesitzern versprochen, die Einnahmen in den kommenden zehn Jahren auf 25 Milliarden Dollar zu steigern. Entscheidend dafür: neue Fans in neuen Märkten.

Das ist auch der Grund, warum die Amerikaner den Protest der europäischen Traditionalisten nicht nachvollziehen können - und sich nun um die Austragung dieser 48-Nationen-WM im Jahr 2026 bemühen werden, vielleicht gemeinsam mit Mexiko: Durch die Aufstockung kann etwa eine Milliarde Dollar pro Turnier mehr verdient werden. Dieser Beschluss der Fifa ist kapitalistisch - und deshalb durch und durch amerikanisch.

Jürgen Schmieder

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