Federer verliert Finale:Mit dem ganz großen Hebel

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Nach Federers Final-Niederlage gegen del Potro fragen nun alle: Ist die Zeit der Wachablösung gekommen? Die Antwort hängt ganz vom Verhalten des Argentiniers ab.

Milan Pavlovic

Ist die Zeit der Wachablösung gekommen? Wie immer in den vergangenen fünf Jahren, wenn Roger Federer ein großes Spiel verloren hat - also eher selten -, kommen diese Gedanken auf: Geht sein Siegeszug dem Ende entgegen? Kann der nun 28 Jahre alte Schweizer dem Ansturm der nächsten Generation trotzen? Auf den ersten Blick scheinen solche Fragen nach dem Finale der US Open berechtigter denn je zu sein. Schließlich hat Federer erstmals ein Grand-Slam-Endspiel gegen einen anderen Profi verloren als den langjährigen Hauptkonkurrenten und Angstgegner Rafael Nadal.

Vielleicht ist es deshalb angebracht, sich Federers Jahresbilanz zu betrachten: Was Titel angeht, hat er bessere Jahre erlebt, 2006 und 2007 gewann er jeweils drei der vier Grand-Slam-Trophäen. Aber in Wahrheit war 2009 sein erfüllendstes Jahr. Das zu glauben, fällt schwer, wenn man sich an die ersten Turniere der Saison erinnert, als Nadal ihn in Australien düpierte und als bei Federer im Frühjahr nach einer Niederlage gegen Novak Djokovic die Tränen flossen. Der Schweizer war zwar bloß auf Platz zwei der Welt abgesackt, aber es wirkte, als sei er auf seinem Tiefpunkt.

In den folgenden Monaten erreichte er die höchste Sphäre seines Sports: Er gewann in Paris den letzten ihm noch fehlenden großen Pokal; er egalisierte Pete Sampras' Rekord von 14 Grand-Slam-Siegen und legte vier Wochen später einen 15. nach, mit dem er sich die Wimbledon-Krone und den ersten Platz der Weltrangliste zurückholte; nicht zuletzt präsentierte er in seinem bis dahin gewiss nicht kärglichen Schlagrepertoire weitere Finessen.

Dass er in New York dennoch nicht seinen 16. Grand-Slam-Titel gewann, sagt vor allem eines: wie gut Juan Martin del Potro war. Federer hat dem 20-Jährigen noch im Januar in Australien bei einem 6:3, 6:0, 6:0 eine Lehrstunde erteilt. Aber del Potro, ein Verehrer Federers, hat das Match nicht als Demütigung verstanden, sondern als Ansporn. Schon im Juni brachte er Federer im Halbfinale von Paris an den Rand der Niederlage, in New York dominierte er im Halbfinale zum dritten Mal Nadal - und bezwang erstmals sein Idol.

Der 1,98 Meter große del Potro spielt ökonomischer als Nadal, und er wirkt weniger verletzungsanfällig. Der letzte Spieler mit solchen Hebelverhältnissen, Marat Safin, konnte mit dem frühen Ruhm nicht umgehen. Sollte del Potro den Versuchungen des Ruhmes vernünftiger begegnen, könnte er tatsächlich der Mann sein, der Roger Federer dauerhaft an der Spitze ablöst.

© SZ vom 16.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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