FC Ingolstadt:Kräftig durchgewischt

Lesezeit: 3 min

Schnelle Drehungen und Wendungen: Zugang Maximilian Beister soll der Fixpunkt in der Offensive des FC Ingolstadt werden. (Foto: Karina Hessland/Getty Images)

Am Ende eines Sechs-Wochen-Umbruchs startet der Absteiger mit einem glücklichen 2:1 in Jena in die Drittliga-Saison. Wo der Klub in der Liga eingeordnet werden soll, wissen sie aber auch beim FCI noch nicht.

Von Johannes Kirchmeier

Schon die Wortwahl von Michael Henke verrät, dass es vor anderthalb Monaten etwas turbulenter zuging beim FC Ingolstadt 04, damals, als der Verein nach acht Jahren wieder in die dritte Liga zurückkehren musste. "Wir mussten zwar keinen Trümmerhaufen aufarbeiten", sagt Henke. "Aber Scherben waren schon wegzukehren." Er hat das übernommen, nach einem Berufswechsel, zu dem er gezwungen worden war. Allerdings, das räumt er schnell ein, glichen die Szenen auf der Geschäftsstelle Anfang Juni nicht denen in einem Mafia-Film.

Gezwungen habe ihn keine höhere Macht oder gar ein Verantwortlicher wie der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Peter Jackwerth - gezwungen hat Henke sich selbst: "Ich fühlte mich nach dem Abstieg einfach verpflichtet, diesem Verein zu helfen", sagt der 62-Jährige. Der Klub wollte den langjährigen Co-Trainer einbinden, und dann gab es da die freie Stelle im neuen sportlichen Führungsduo als Direktor Sport neben dem technischen Direktor Florian Zehe, zuvor Scouting-Chef des FCI.

18 Spieler sind gegangen - es kamen zehn Zugänge sowie Trainer Jeff Saibene

Henke griff zu und wischte erst einmal kräftig durch - zehn Spieler und der neue Trainer Jeff Saibene kamen, 18 gingen. Henke gelang dieser Sechs-Wochen-Umbruch zumindest so gut, dass die Ingolstädter am Montag nach einem 2:1 (0:0) beim FC Carl Zeiss Jena zufrieden in die Saison starteten. Henkes Credo, in der Liga "von Vornherein vernünftig mitzumischen, konkurrenzfähig zu sein", führen die Spieler also aus. Wenngleich Saibene festhielt: "Wir haben noch sehr viel Luft nach oben." Schließlich drehte Ingolstadt die Partie nach dem 0:1 von René Eckardt (56. Minute) durch zwei Eigentore des Jenaers Marian Sarr (60./72.). So ganz genau wissen sie nach dem Start also trotzdem noch nicht, wo sie sich in der Liga-Hierarchie einordnen sollen.

Es ist ja immer noch ein kleines Experiment, das der FCI da im Sommer startete: Henke und Zehe hatten zuvor wenig Erfahrung in verantwortlichen Positionen. Ihr Job bestand bis dahin vor allem darin, viel Zeit auf dem Rasen zu verbringen. Zehe beobachtete Fußballer, Henke trainierte sie und wurde zum bekanntesten Co-Trainer und einem der größten Fachmänner des Landes. Ein wenig fehle ihm der grüne Rasen unter den Stollenschuhen daher schon im neuen Bürojob, sagt er. Zweimal gewann er an der Seite von Ottmar Hitzfeld die Champions League - 1997 mit Borussia Dortmund und 2001 mit dem FC Bayern. Mit Hitzfeld telefoniert Henke regelmäßig, natürlich hat er über den späten Jobwechsel gesprochen - und erfahren: "Er findet das gut." Weil er nach der Zeit mit Hitzfeld vor allem in Ingolstadt arbeitete, hat Henke einen Vorteil: Er kennt den 2004 erschaffenen FCI wie sonst nur wenige.

So traf Henke nach dem Abstieg mit seiner Kaderzusammenstellung schnell den Nerv der Fans, die sich nach mehr Identifikation mit ihrem Klub sehnten. "Wir haben jetzt eine Mischung aus Jung, Alt und Mittelalterlichen", sagt Henke, mit einem Durchschnittsalter von 24,2 Jahren stellt der FCI eines der jüngsten Teams der Liga. Henke baute neben Erfahrenen wie den Verteidigern Peter Kurzweg oder Michael Heinloth auch beim FCI ausgebildete Talente ein. In Jena standen die zwei 19-Jährigen Fatih Kaya und Thomas Keller in der Startelf - die Gleichaltrigen Patrick Sussek und Filip Bilbija wurden eingewechselt. Gerade Keller verteidigte so routiniert wie Abwehrspieler, die doppelt so alt sind.

Der erfahrenere Mittelfeldspieler Konstantin Kerschbaumer, 27, der im Vorjahr noch als "Königstransfer" bezeichnet worden war, jedoch in der zweiten Liga nicht recht überzeugte und den Klub nun verlassen will, musste am Montag dagegen in Ingolstadt bleiben. Wenn man so will, hat ihn als wichtigster Zugang der Saison ein anderer ersetzt: Maximilian Beister, in der Vorsaison bester Torschütze beim Ligakonkurrenten Uerdingen - und so etwas wie der erste Transfercoup von Henke, der ihn per Ausstiegsklausel verpflichtete. "Jemanden wie ihn haben wir gesucht", sagt Henke. "Auch weil er die dritte Liga kennt. Es ist wichtig, dass man als Neuling die dritte Liga schnell annimmt - und da helfen solche Spieler gut."

Wie sehr, das zeigte Beister in Jena, wo er den stärksten Eindruck in der Offensive machte. Immer wieder zog er mit schnellen Drehungen und Wendungen an den Gegenspielern vorbei. Er war es auch, der die beiden Freistöße auf seiner rechten Außenbahn herausholte, die zu den FCI-Toren führten. Erst schoss sein Mitspieler Maximilian Wolfram im Strafraum Sarr mit voller Wucht an, dieser fälschte den Ball ins eigene Tor ab. Kurz darauf flankte Beister den Freistoß selbst, Jenas Anton Donker köpfte nun Sarr an, erneut flog der Ball von ihm aus ins Tor.

Bedenkt man, dass Beister der einzige Angreifer war, der einen prächtigen Eindruck hinterließ, könnte der Sturm noch Zuwachs kommen. Henke sagt: "Unser Gerüst steht, wir haben großes Vertrauen in die Spieler." Aber: "Wir sind immer noch offen nach allen Seiten, es kann schon noch was passieren." Schließlich weiß Henke, der seit 30 Jahren im Profifußball tätig ist, dass sich Spiele nicht immer so glücklich fügen wie am Montag: "Im Fußball geht halt auch mal ein Ball vom Innenpfosten wieder raus statt ins Tor, das bleibt unwägbar." Und wenn man so will, dann hat der FCI erst einmal genug Glück gehabt.

© SZ vom 24.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: